Was der Werkzeugkasten hergibt

Wie der Kanton Zürich die Unternehmenssteuerreform III umsetzen will, erklärte Regierungsrat Ernst Stocker am 30. Juni an einer Medienkonferenz in Zürich.

 

Ob die Unternehmenssteuerreform III (USR III) genau so verwirklicht wird, wie das eidgenössische Parlament sie in der Sommersession verabschiedet hat, ist offen. Zuerst einmal wird, voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2017, über das soeben gestartete Referendum von, unter anderen, SP und Grünen (vgl. P.S. vom 1. Juli) abgestimmt. Soviel vorneweg: Sowohl Regierungsrat Ernst Stocker als auch die Chefin des kantonalen Steueramts, Marina Züger, betonten an der Medienkonferenz vom 30. Juni, es gehe bei der USR III nicht um Steuergeschenke, sondern um den Standort Schweiz und den Standort Zürich, die internationale Konkurrenzfähigkeit sowie darum, Arbeitsplätze und Steuererträge zu erhalten.

Die Unternehmen im Kanton Zürich kommen für rund 20 Prozent der Staatssteuern auf. 56 Prozent der 58 500 AG und GmbH im Kanton Zürich zahlen keine Bundessteuer, da ihr Reingewinn null Franken beträgt. Dem gegenüber stehen die drei Prozent der AG und GmbH, die 2012 rund 87,6 Prozent der direkten Bundessteuer von total 1287 Millionen Franken beisteuerten. «Wir müssen schauen, dass es diesem kleinen Teil der Unternehmen weiterhin gut geht», sagte Ernst Stocker.

Zurzeit liegt die Steuerbelastung für ordentlich besteuerte Unternehmen bei 21,15 Prozent, für Holdinggesellschaften ohne Beteiligungen bei 7,83 Prozent, für Domizilgesellschaften bei 8,6 Prozent und für Gemischte Gesellschaften bei 10,1 Prozent. Würde lediglich das Recht der letztgenannten Unternehmen auf Spezialbehandlung abgeschafft, müssten folglich künftig alle zu 21,15 Prozent besteuert werden. Die Spezialbesteuerung nicht abzuschaffen, böte umgekehrt die Gefahr von «Repressionsmassnahmen im Geschäftsverkehr gegen Schweizer Unternehmen», warnte Ernst Stocker, denn OECD und EU verlangten nun mal die Abschaffung. Das Ziel müsse deshalb lauten, Wegzüge zu verhindern sowie den Verlust von Arbeitsplätzen und Steuersubstrat zu vermeiden.

Zur Position des Kantons im Vergleich mit der Konkurrenz hielt Stocker fest, international stehe Zürich gut da, national jedoch «im hinteren Drittel». Und die USR III bringe Bewegung in die Gewinnsteuersätze der Kantone; so seien etwa Luzern, Zug und Schwyz mit Sätzen zwischen 12,3 und 14,9 Prozent heute schon attraktiv. Die Kantone Waadt und Neuenburg hätten bereits Senkungen beschlossen, die Kantone Bern, Freiburg, Genf und Schaffhausen solche angekündigt. Bliebe man untätig, liefe der Wirtschaftskanton Zürich Gefahr, sich am Schluss der Liste wiederzufinden, warnte Ernst Stocker. Der Finanzdirektor will folglich nicht nur zum Werkzeugkasten greifen, den der Bund bereitgestellt hat, sondern auch alle Werkzeuge daraus brauchen: «Der Regierungsrat will die für die Kantone fakultativen Massnahmen des Bundesrechts vollständig umsetzen, sie mit einer massvollen Senkung des Gewinnsteuersatzes ergänzen und so die Position des Kantons Zürich stärken.»

Im Detail heisst das, dass der Kanton die Patentbox ebenso einführen will wie erhöhte Abzüge für Forschung und Entwicklung. Weiter ist eine laut Stocker «massvolle» Senkung der Gewinnsteuer von heute acht auf neu sechs Prozent vorgesehen, also eine Senkung um einen Viertel. Dies führt zu einer Senkung der Steuerbelastung für alle von 21,1 auf 18,2 Prozent. Wie Steueramtschefin Marina Züger ausführte, kann die effektive Steuerbelastung je nachdem, wie sich Massnahmen wie die Patentbox auswirken, weiter sinken. Die «Gesamtentlastungsbegrenzung», also die untere Grenze, liege bei 10,1 Prozent.

 

Schätzungen

Schätzungen bezüglich Mindereinnahmen seien «stark abhängig von Entscheiden der Unternehmen»; Ernst Stocker rechnet mit zwischen 285 und 325 Millionen Franken für den Kanton und zwischen 360 bis 415 Millionen Franken für die Gemeinden. Würde der Kanton hingegen lediglich die nicht mehr erlaubten speziellen Regelungen abschaffen, entgingen dem Kanton zwischen 210 und 280 Millionen Franken und den Gemeinden zwischen 185 und 270 Millionen Franken, schätzen Stockers Fachleute. Zur Gegenfinanzierung erhält der Kanton neu einen Anteil von 21,2 Prozent an der direkten Bundessteuer; zurzeit sind es noch 17 Prozent. Das entspricht einer Zunahme um 180 Millionen Franken. Ob der Kanton einen Teil dieser Summe an die Gemeinden weitergibt und, falls ja, wie gross dieser ausfällt, ist noch offen. Tendenziell wird der Kanton auch beim eidgenössischen Finanzausgleich etwas entlastet; in welchem Umfang, sei allerdings «noch nicht bezifferbar», sagte Stocker. Aber die anfänglich zu erwartenden geringeren Einnahmen bewegten sich für den Kanton «innerhalb der normalen, grossen Schwankungen». Als nächstes erarbeitet die Finanzdirektion nun eine Vorlage, danach geht diese zur Vernehmlassung an Gemeinden und Verbände und schliesslich an den Kantonsrat; das letzte Wort dürften die Stimmberechtigten an der Urne haben.

 

Stellungnahmen

Ernst Stockers SVP geht mit ihrem Regierungsrat einig, «dass mit einem breiten Instrumentarium von Massnahmen und mit einer Gewinnsteuersatzsenkung der Wirtschaftsstandort Zürich (…) gestärkt werden muss». Der jetzt vorgesehene Wert von 18,2 Prozent sei aber «zu weit oben angesetzt», die SVP erachte einen Steuersatz von 16 Prozent als «vertretbar und richtig». Die FDP schreibt, die Stossrichtung stimme, doch es wäre «wünschenswert, dass der Steuersatz für die Gewinnsteuer nicht nur auf sechs Prozent gesenkt wird». Die CVP beurteilt die höheren Abzüge für den Aufwand im Bereich Forschung und Entwicklung als positiv, erinnert aber auch an die zu erwartenden Mindereinnahmen und fordert, dass die zusätzlichen 180 Millionen Franken vom Bund «genutzt werden, um Fehlentwicklungen im innerkantonalen Finanzausgleich zu korrigieren.» Auch die Grünliberalen begrüssen die Stossrichtung, doch in Bezug auf die Ausgleichszahlungen hätten sie «vom Regierungsrat (…) klare und verbindliche Zusagen für die Städte und Gemeinden im Kanton erwartet». Der Verband der Gemeindepräsidenten des Kantons Zürich titelt seine Medienmitteilung schlicht mit dem Satz, «die Befürchtungen von Städten und Gemeinden bewahrheiten sich». Keine Freude haben auch der Finanzvorstand der Stadt Zürich, Daniel Leupi (Grüne) und seine Winterthurer Kollegin Yvonne Beutler (SP).

Die SP bezeichnet die kantonale Umsetzung der USR III als «unverantwortlich und unbezahlbar». Allein die geplante Senkung des Gewinnsteuersatzes auf 18,2 Prozent werde bei der Stadt Zürich zu einem Ausfall von rund 270 Millionen, bei der Stadt Winterthur von rund 30 Millionen führen: «Die Ausfälle allein aus dieser Massnahme machen damit etwa 18 Steuerprozente für die Stadt Zürich und etwa 9 Steuerprozente in der Stadt Winterthur aus. Und in dieser Betrachtung sind die Steuerausfälle, die sich aus den übrigen Instrumenten (…) ergeben, noch nicht eingerechnet.» Solche Summen liessen sich «nicht einfach einsparen, indem man hier und dort etwas abzwackt, sondern es müssten radikal Leistungen abgebaut oder Steuern für alle erhöht werden». Dasselbe gelte für den Kanton, und ausbaden müssen werde das Ganze «wie immer» der Mittelstand.

Für die AL schliesslich ist klar: «Die Bürgerinnen und Bürger müssen bezahlen, damit die Unternehmen weniger Steuern zahlen dürfen.» Nach dem «Merz’schen Schwindel» müsse die USR III «mit allen Mitteln verhindert werden».

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