Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Am Dienstag wählten die BürgerInnen der USA ihre Parlamente und führte der SP-Ständerat Daniel Jositsch in Bern aus, warum er Bundesrat werden möchte und warum er sich gegen den Antrag der Parteileitung wehrt, nur Frauen auf das Ticket aufzunehmen. Das erste ist von internationaler Bedeutung, das andere in ein paar Wochen eine Episode. Mit voraussehbarem Ende: Daniel Jositsch wird am 7. Dezember, auch nach seiner eigenen Einschätzung, kaum zum Bundesrat gewählt.

 

Die USA-Wahlen gingen nach den bisher vorliegenden Ergebnissen besser aus als befürchtet. Die Demokraten behalten mit einiger Wahrscheinlichkeit mindestens den Gleichstand im Senat, die Republikaner erhalten im Repräsentantenhaus nur eine knappe Mehrheit. Das erschwert Joe Biden das Regieren in den zwei nächsten Jahren zwar zusätzlich, aber es war auch bisher ‹dank› den eigenen Leuten nicht immer leicht, wenn auch recht erfolgreich. Donald Trump verlor ziemlich klar: Etliche seiner Günstlinge schafften die Wahl ins Parlament oder als Gouverneur nicht, während sein interner Hauptrivale Ron DeSantis in Florida bei der Wiederwahl als Gouverneur ein Glanzresultat erzielte. So gut, dass Donald Trump sich veranlasst sah, ihm mit Enthüllungen zu drohen, falls er ihm die Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2024 streitig machen will. Trump wurde diese Woche vielleicht sogar definitiv geschlagen. Ob dies für die Präsidentenwahl 2024 nur ein gutes Omen ist, bleibe dahingestellt. Für die Demokratie in den USA ist es sicher gut.

 

Was sich Partei- und Fraktionsleitung der SP Schweiz dachten, als sie den Antrag an die Fraktion stellten – und zwar so, dass er eher einem Befehl gleichkam – nur Frauen zur Wahl auf das SP-Ticket für die Bundesratswahlen zuzulassen, ist mir schleierhaft. Keineswegs der Inhalt: Dass für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga nur eine Frau infrage kommt, liegt mehr als auf der Hand. Die Partei betrachtet die Gleichstellung der Frauen als einen Schwerpunkt in den Wahlen und sorgt selber nicht dafür, dass sie einer Frau im Bundesrat vertreten ist? Sie überlässt die Frauenvertretung im Bundesrat den Bürgerlichen? Der Anspruch, es sei nicht die Aufgabe der linken Parteien, die fehlenden Frauen der Bürgerlichen zu kompensieren, ist berechtigt, trifft hier aber nicht zu. Man kann schwer von andern verlangen, was man selber nicht einhält. Gerade bei so einem Prestigejob wie Bundesrat kann es sich die SP und die gesamte Linke nicht leisten, nur von Männern vertreten zu sein.

 

Daniel Jositsch fand, wenn auch etwas abgeschwächt, es frage doch auch niemand mehr danach, wer im Bundesrat katholisch und wer reformiert sei. Stimmt, aber das spielt im Alltag im Gegensatz zur Frauenfrage keine Rolle mehr. Er führte weiter aus, wie er sich oft – sogar gegen die Empfehlung der Fraktion – für die Frauen eingesetzt habe, er sei sozusagen auch ein Feminist. Dass dies andere Männer auch immer wieder von sich behaupten, macht es nicht besser.

 

Ein Mann kann sich konsequenter und auch besser zum Beispiel für gleichen Lohn einsetzen, er kann durchaus besser für eine bessere Frauenrente als eine bürgerliche Frau streiten. Aber er kann für viele Frauen nicht zur politischen Identifikationsfigur werden. Einfach weil wir als Männer meist ein anderes Leben führen als Frauen. Frauen- und Männerrunden (etwa als Sportmannschaften) verhalten sich anders. Ohne dies nun gross auszuführen: Ich schaue jeden Montag den KantonsrätInnen zu. Die Männer verkehren fraktionsübergreifend anders miteinander als die Frauen. Weder besser noch schlechter, weder netter noch höflicher, einfach anders und mit anderen Erfahrungen. Eine Partei, die mehrheitlich von Frauen gewählt wird, kann auf diese Identifikationsmöglichkeit nicht verzichten. Erst recht nicht, wenn der Partei zwei Sitze im Bundesrat zustehen und einer mit einem Mann besetzt ist.

 

Daniel Jositsch findet es diskriminierend bis verfassungswidrig, wenn er innerhalb der SP nicht kandidieren kann, nur weil er ein Mann ist. Persönlich finde ich das Wort «diskriminierend» etwas gar pathetisch und würde es anders formulieren: Warum soll man ihm oder sonst jemanden verbieten, sich eine blutige Nase zu holen? Oder anders gefragt: Warum soll sich das Wahlorgan SP-Fraktion spezielle Regeln für diese Wahl geben? Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass die grosse Mehrheit von ihr sich eine geeignete Frau als Bundesrätin wünscht, und dass diese meist nicht ganz unerfahrenen PolitikerInnen wissen, dass dieser Wunsch sicherer Realität wird, wenn sie zwei Frauen aufs Ticket wählt.

 

Es geht ja nicht darum, der Parteileitung oder sonst jemandem das Maul zu verbieten. Selbstverständlich darf sie laut und deutlich sagen, dass sie eine Frau als neue Bundesrätin nötig findet. Nur, warum muss sie dieses Anliegen ohne Not verrechtlichen? Warum muss sie die ‹Frauenfreundlichkeit› demonstrieren, statt die Fraktion einfach wählen zu lassen und hinter den Kulissen mithilft, dass sich genügend gute Frauen zur Wahl stellen. Warum eine Frauendiskussion provozieren, statt sich um Kandidatinnen zu bemühen. Es sind erst zwei. Damit in den Medien endlich von denen die Rede ist, die wollen und nicht von jenen, die aus was für Gründen auch immer absagen?

 

Im ‹Tages-Anzeiger› findet Raphaela Birrer «dieses Theater ist unsäglich». Was durchaus zutrifft. Allerdings nicht ihre praktisch alleinige Schuldzuweisung an Daniel Jositsch und die Entschuldigung für das ungewöhnliche Vorgehen der Parteispitze mit Zeitdruck. Als ich in den Medien las, dass Simonetta Sommaruga ihre Funktion vorübergehend wegen der schweren Erkrankung ihres Mannes nicht ausüben könne, war mein zweiter Gedanke: Muss oder wird sie nun bald zurücktreten. Bis zum Rücktritt blieben zwei Wochen. Zudem gehört es zu zentralen Aufgaben eines Präsidiums, für Rücktrittsfälle (vorbereitet oder unerwartet) Szenarien entwickelt zu haben. Vor allem, wenn die Amtierenden schon lange amten.

 

Um dieses Theater halbwegs in Ehren zu beenden, sehe ich fast nur einen Weg. Die Parteileitung zieht ihren Antrag zurück (oder stellt ihn nicht) und somit kann jede und jeder kandidieren. Damit fallen auch Mätzchen und faule Kompromisse wie ein Dreierticket mit mindestens zwei Frauen weg. Sollte die Fraktion in der jetzigen Situation bei genügend Frauen trotzdem einen Mann aufs Ticket setzen, dann ist ihr sowieso nicht mehr zu helfen.

 

 

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