Von Gesundheit bis Glockengeläut

Der Zürcher Gemeinderat beschäftigte sich mit einem Themenspektrum, das von den Gesundheitszentren für das Alter über die ewige Parkplatzdiskussion bis zum Kirchengeläut reichte.

 

In seine erste Sitzung nach den Herbstferien startete der Zürcher Gemeinderat am Mittwochabend mit zwei Fraktionserklärungen zum selben Thema, dem rassistischen Angriff von Mitgliedern der «Neuen Tat» auf eine Dragqueen-Vorführung für Kinder, die am 16. Oktober im Tanzhaus Zürich stattgefunden hat. Die gemeinsame Erklärung der Fraktionen von SP, FDP, Grünen, GLP, Mitte/EVP und AL verlas der Fraktionspräsident der SP, Davy Graf. Dieser Angriff habe sich nicht nur gegen die queere, sondern auch gegen die Black-, Indigenous- und People-of-Colour-Community gerichtet, und die genannten Fraktionen verurteilten ihn «aufs Schärfste», sagte er. «Wir haben ein Problem mit Rechtsextremen und Neonazis, die sich sicher und salonfähig fühlen, um mit Namen und Gesicht an die Öffentlichkeit zu treten.» Das sei neu «und muss uns allen Sorgen bereiten», und vor allem: «Wir akzeptieren keine Verharmlosung!»

 

Die Fraktionserklärung der SVP zum selben Thema verlas ihr Fraktionspräsident Samuel Balsiger. Sie trägt den Titel «Die Stunde der Heuchler» und dreht sich hauptsächlich darum, dass die SVP kürzlich 140 Polizeistellen gefordert habe, doch das habe der rot-grüne Gemeinderat mit grosser Mehrheit abgelehnt (siehe P.S. vom 23. September). Aber nach dem Vorfall beim Tanzhaus riefen die gleichen Politiker nach mehr Polizei, fuhr er fort. Die SVP lehne «jede Gewalt und Einschüchterung» ab. Begriffe wie «Rechts­ex­tremismus» oder «Neonazis» kommen in der SVP-Fraktionserklärung hingegen nicht vor. Samuel Balsiger verkündete aber noch, dass seine Fraktion ein Postulat einreichen werde, das verlangt, solche «radikal feministischen Drag-Shows» sofort abzusetzen.

 

Stadtrat Daniel Leupi stellte fest, dass sich immerhin alle klar gegen Gewalt abgrenzten. Nazis hätten hier nichts verloren, betonte er und verurteilte solch «feige Attacken». Patrick Hässig (GLP) schob nach, die Jugendkriminalität sei auf dem höchsten Stand der letzten zehn Jahre und erwähnte einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit. Nun fühlte sich wiederum Samuel Balsiger provoziert und hängte einige weitere «Stunde der Heuchler» und «ihr seid gegen mehr Polizeistellen» an. Tanja Maag (AL) konterte, es sei die Stunde der rechten Relativierer, denn es gehe hier «um Faschisten, nicht um die Polizei». Das letzte Wort hatte schliesslich Patrick Hässig, der, an Samuel Balsiger gerichtet, erklärte, «ich finde dein Verhalten peinlich. Das ist alles».

 

Parkplätze …

Wie es sich für eine anständige Sitzung des Zürcher Gemeinderats gehört, wurde natürlich auch über Parkplätze gestritten: Der Stadtrat legte dem Parlament den Bericht zu einer Motion der Grüne-Fraktion betreffend «attraktivere Zürcher Innenstadt für Fussgängerinnen und Fussgänger sowie für Velofahrende durch Aufhebung von Parkplätzen und Anpassung des kommunalen Verkehrsrichtplans» zur Kenntnisnahme und anschliessenden Abschreibung der Motion vor. Beidem stimmten die Grünen zu, wie Markus Knauss als Kommissionssprecher ausführte. Dann setzte er sich eine grüne Brille auf und stellte, nun als Grüner, klar, seine Fraktion habe den historischen Parkplatzkompromiss, der seit der Annahme des kommunalen Verkehrsrichtplans an der Urnenabstimmung vom 28. November 2021 Geschichte ist, nie mitgetragen. Die Grünen seien der Meinung, dass in der Innenstadt mehr möglich sein müsse als «trostlose Aufstellflächen für Autos». Die Vorlage des Stadtrats sei «ein guter erster Schritt» und eine «klare politische Willensäusserung, dass Stadtplanung nicht mehr nur Autoplanung ist».

 

Die SVP sah das logischerweise ganz anders: Parkplatz-Abbau und Lädelisterben gingen Hand in Hand, stellte Stephan Iten fest. Und am Zähringerplatz Parkplätze abbauen zu wollen, wie es ein grünes Begleitpostulat verlangte, sei schlicht «eine Frechheit». Mit einem weiteren Postulat forderten die Grüne- und GLP-Fraktion überdies die «prioritäre Bearbeitung von Strassenprojekten in der Innenstadt mit grossen Defiziten beim Stadtklima, im Trottoirbereich und auf kritischen Veloabschnitten». Andreas Egli (FDP) fand, die Parkplätze am Zähringerplatz brauche es, und auch Peter Anderegg (EVP) betonte, der Individualverkehr sei wichtig, man könne einfach nicht alles mit dem öV transportieren. Schliesslich nahm der Rat den Bericht mit 75:39 Stimmen (von SVP, FDP, Mitte/EVP) zustimmend zur Kenntnis, schrieb die Motion mit 114:0 Stimmen ab und überwies beide Postulate mit 74:30 respektive 72:37 Stimmen.

 

… und Gesundheitszentren

Eine ausführliche Debatte gab es sodann zur Vorlage des Stadtrats zu den Gesundheitszentren für das Alter, konkret zum Neuerlass der «Verordnung über städtische Einrichtungen für ältere unterstützungsbedürftige oder pflegebedürftige Personen». Wie Kommissionssprecherin Marion Schmid (SP) ausführte, braucht es eine neue Verordnung, weil die Alterszentren und die Pflegezentren, die früher je eine Dienstabteilung gebildet hatten, per 1. September 2021 zu den «Gesundheitszentren für das Alter» zusammengelegt wurden. Die gesetzliche Basis bilde Paragraph 5 Absatz 1 des Pflegegesetzes, führte sie aus. Auftrag, Angebot etc. müsse der Gemeinderat definieren, die konkrete Ausgestaltung sei dann in der Kompetenz des Stadtrats. Zudem müsse die neue Verordnung auch der Altersstrategie 2035 Rechnung tragen, die das Parlament vor eineinhalb Jahren einstimmig verabschiedet hatte (siehe P.S. vom 5. März 2021).

Konkret hatte der Gemeinderat sodann 13 Änderungsanträge abzuarbeiten: Sie reichten von der Forderung der Grünen, die städtischen Einrichtungen für ältere unterstützungs- oder pflegebedürftige Personen hätten sich am Netto-Null-Ziel auszurichten, über Präzisierungen («medizinische und geriatrische Beratung und Abklärungen» statt nur «Beratungen und Abklärungen» bis zu Forderungen, die bereits heute befolgt werden wie etwa jener, dass «Wünsche der LeistungsbezügerInnen bezüglich geografischer Wahl der Einrichtung (…) so weit als möglich (…) berücksichtigt» werden sollen. Die nach ausführlicher Debatte bereinigte Vorlage geht nun an die Redaktionskommission, die Schlussabstimmung folgt in ein paar Wochen.

Den ersten Preis in Sachen Symbolvorstösse holte sich dieses Mal die AL, die mit einer Motion den Erlass einer Verordnung über das Geläut der Kirchen verlangte, wobei es konkret natürlich um störendes nächtliches Geläut ging. Der Stadtrat lehnte die Motion ab, weil «der Bund Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen und lästigen Einwirkungen zu erlassen hat» … In abgeschwächter und abgeänderter Form, konkret als Postulat, überwies der Rat nichtsdestotrotz auch diesen Vorstoss.

 

 

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