Trump, Thunberg, Tageswanderung

von Anatole Fleck

 

An Prominenz wird es dem diesjährigen WEF kaum fehlen, ebenso wenig am Potenzial zur politischen Sprengkraft: Nebst dem US-Präsidenten, der seine erste Amtsreise seit Beginn des Impeachments antritt, dürfte auch der iranische Aussenminister Dschawad Sarif in Graubünden zu Gast sein. Ein Treffen der zwei Schwergewichte wäre ein weltöffentliches Zeichen des Dialogs in einem Konflikt, der jüngst militärisch zu eskalieren drohte. Abseits des geopolitischen Brandherds Naher Osten wird sich eine internationale Gruppe von KlimaschützerInnen um Greta Thunberg am Weltwirtschaftsforum einfinden. Die jungen AktivistInnen, unter ihnen auch der 16-jährige Thuner Linus Dolder, hatten am vergangenen Freitag im britischen ‹Guardian› bereits publikumswirksam TeilnehmerInnen «aller Unternehmen, Banken, Institutionen und Regierungen» dazu aufgefordert, «die Investitionen in fossile Brennstoffe unverzüglich einzustellen». Ob und wie die rund 3000 «Davos-Men» und «Davos-Women» darauf reagieren werden, wird sich zeigen.

 

Das grosse Stelldichein von Finanz- und Politelite steht 2020 immerhin unter dem offiziellen Motto «Stakeholders for a cohesive and sustainable World» (z.dt. «Akteure für eine kohärente und nachhaltige Welt») – trägt die Nachhaltigkeit also im Namen. WEF-Präsident Børge Brende sprach denn in einem Interview mit der ‹NZZ am Sonntag› auch brav von der Verantwortung der modernen Firma «für Mitarbeiter, die Umwelt und die Gesellschaft insgesamt». Stakeholder, im Sinne von WEF-Motto und Wörterbuch, ist eine jede Person, «für die es aufgrund ihrer Interessenlage von Belang ist, wie ein bestimmtes Unternehmen sich verhält». Das sind aufgrund des illustren Teilnehmerfelds in Davos zahllose Menschen. Doch viele «Stakeholder» bleiben ohne Einladung und misstrauisch – so ruft das Machtzirkel-Meeting auch im neuen Jahr GegnerInnen in der ganzen Schweiz auf den Plan. 

 

Breite Palette an Gegenveranstaltungen

 

Der Reigen von Anti-WEF-Kundgebungen begann bereits letzte Woche in der Luzerner Innenstadt. Am Sonntag um 15 Uhr wird dann die «No-WEF-Demonstration» auf dem Berner Bahnhofsplatz starten. In Zürich wird am nächsten Dienstag, 22. Januar um 19 Uhr zum Gang auf die Strasse und gegen das Jahrestreffen in Davos gerufen. Auch vor den Zäunen und Absperrungen Davos’ darf lautstark widersprochen werden: Die bewilligte Demonstration der JungsozialistInnen Schweiz findet nächsten Freitag, 24. Januar, am letzten Tag des Treffens, statt. Motto dabei: «System Change not Climate Change» (z. dt. Systemwandel nicht Klimawandel). Ja, gemeinsam ist den Veranstaltungen der Fokus auf Klimathemen – wen das zu verwundern mag?

 

Wer länger und einzigartiger ein Zeichen setzen möchte, sollte sich am Sonntag um 12 Uhr in Landquart einfinden. Die Grünen Graubünden und das «Bündnis Klimawanderung» laden dort zur Kundgebung – und von da aus zu einer dreitägigen «Winterwanderung für Klimagerechtigkeit» ein (siehe auch Seite 7). Diese ist rund 50 Kilometer lang und führt in drei Tagesetappen nach Davos. Ein Novum. Dazu heisst es vom Veranstalter-Bündnis «Strike WEF»: «Seit 50 Jahren hat das World Economic Forum den Anspruch, den Zustand der Welt zu verbessern und ist damit offensichtlich kläglich gescheitert. Die Klimakatastrophe ist massgeblich von den weltweit 1000 grössten Unternehmen verursacht worden, die im WEF Mitglied sind.» Es sei an der Zeit, «den Wirtschaftsbossen und dem WEF mitzuteilen, dass es für sie Zeit ist abzutreten». Unterstützt wird die Winterwanderung von zahlreichen Organisationen. Auch mit WEF-Teilnehmerin Greta Thunberg sind die Veranstalterinnen in Kontakt getreten – ob die junge Schwedin tatsächlich mitwandern wird, scheint bis anhin ungewiss.

 

Offener Brief an Greta

 

Ebenfalls interessiert am prominentesten Gesicht der globalen Klimabewegung sind die VeranstalterInnen von «Das Andere Davos» in Zürich. In einem offenen Brief hatten sie die Klimaaktivistin eingeladen, statt am offiziellen Weltwirtschaftsforum an der «grössten Gegenkonferenz» im Zürcher Volkshaus teilzunehmen.

Zum 21. Mal lädt dort die Bewegung für Sozialismus zum alternativen Forum – das heute Freitag, 17. Januar um 19 Uhr mit internationalen Gästen eröffnet wird. Unter ihnen: Tithi Bhattacharya, Autorin von «Feminismus für die 99 %: Ein Manifest», sowie
Luis Zarref, Leiter der Landlosenbewegung in Brasilien. Am Samstag erwartet die BesucherInnen dann eine Palette von Workshops und Vorträgen im Zeichen des globalen, ökologischen und feministischen Kampfes. Zudem wird Samstag in der Spielbaracke auf dem Kanzleiareal eine Kinderbetreuung zur Verfügung stehen.

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