Terrorist

Wenn Luke Gasser einen «Tell» in Szene setzt, wirds ein expressives Heldenepos.

Die über zwei Stunden Actionheimatfilm in bereits mehrfach erprobter Lowbudget-Manier manö­vrieren einem «Highlander» zurück in die Erinnerung. Tell (Luke Gasser) ist der einzig Stand- und Wehrhafte, der auf sein Recht als frei Geborener pocht und es wider alle Wahrscheinlichkeit zu verteidigen bereit ist. Die Obrigkeit der Talschaften Uri, Schwyz und Unterwalden wie auch die dortigen frei Geborenen zeichnet «Tell» als intriganten, korrupten, feigen Haufen. Aber auch auf die Bauern, Knechte und Leibeigenen ist kein Verlass: Die Angst vor den Habsburger Herren hat allen den Stolz gebrochen. Niemand von ihnen vermag im Verrat einen Bruch mit hochheiligen Schwüren oder brüderlichen Freundschaften erkennen. Im Zweifel ist sich jeder selbst der nächste und Tell gibt ein formidables Feindbild ab. Seine auswärtige Frau wird ihm als Hochmut ausgelegt und sein mangelnder Respekt gegenüber Hierarchien und Titeln hat eine Schar von persönlich Beleidigten hinterlassen, die ihm erst die Sömmerung seines Viehs auf der Alp verwehrte und jetzt, da er sich frontal gegen die sogenannte Vernunft stellt, wird er einhellig als Gefahr für die Gemeinschaft verschrien und geschnitten.

In der Version von Luke Gasser kämpft Tell also nicht bloss gegen «Gessler, Gissler oder wie der heisst», sondern auch gegen die Mehrheitsmeinung der Tonangebenden in den Talschaften, also die eigenen Leute. In einer heutigen Lesart zeichnet Gasser Tell als einen Terroristen. Einen, dessen Sinn weder nach winkelriedscher Selbstaufopferung für ein höheres Ziel noch nach der eine Gruppe hinter sich scharenden Anführerschaft steht, sondern einzig und allein die Bewahrung der eigenen, vergleichsweise privilegierten Freiheiten und die Unversehrtheit seiner Liebsten. Die Bildsprache setzt auf unmittelbare Nähe, die Schroffheit der Natur, den expressiven Ausdruck und vermittelt so die urig-wilde Unbedingtheit, die einem Befreiungsmythos gebührt.

«Tell» spielt in den Kinos Abaton, Arena.

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