Springinsfeld

Ein Autor und seine Figur streiten sich über Kern, Sinn und Ziel einer Geschichte.

Es gibt ungefähr x Perspektiven, unter denen «Das Doppel» von Jens Nielsen eine überaus reizvolle Erweiterung des gemeinen menschlichen Horizonts ermöglicht. Und das ohne Drogen. Denn Rausch, das weiss der Autor wie die Regisseurin Martha Zürcher, lässt sich auch allein in einem Kopf herstellen. Thesen, verworfene Ansätze, bedauerte Auslassungen, Bedenken, Vorlieben und Fragen zur Logik ergänzen sich, vor allem wenn sie über Kreuz und überlappend in raschem Wechsel und hohem Tempo gedacht – hier: gesprochen – werden, zu einer Substanz, die sich gerade durch ein angestrengtes Bemühen um ihre Fassbarkeit in sturme Selbstüberforderung kippen und demnach ein Hirn genauso wie ein Herz benebeln kann. Dabei ist die Ausgangslage ganz einfach. Mann sucht Frau. Aber was von den Dreien ist jetzt das zentrale Thema? Jens Nielsen als grüblerischer Autor mit einem Hang zur Boshaftigkeit und zugleich zu romantischen Kitschbildern verändert mit jedem neuen Gedanken die Ausgangslage für Peter Hottinger als seine Figur, der seinerseits recht störrisch darauf beharrt, ein Eigenleben zu führen, also selbstständig Entscheidungen fällen zu wollen. Je nachdem, ob Mann, sucht oder Frau der grösste Anteil an einer (möglicherweise sowieso unmöglichen) Entwicklung zugestanden wird, verändern sich alle Parameter, was das Treffen überhaupt einer Annahme bis hin zu einem kryptischen Komplettdurcheinander verkompliziert. Christian Käufeler bläst derweil in seine vier Saxophone, weil die Umgebung einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Stimmung hat. Urban klingt anders als ländlich, verloren wiederum nicht wie verbohrt. Wie ein Blick in die Gedankenwelt eines Springinsfeld während seiner ungestümen Suche nach der nächsten, weiteren, besten Idee, wobei er vor lauter neuen Eindrücken auf der Reise gern einmal vergisst, wozu er überhaupt aufgebrochen war. Sehr amüsant!

«Das Doppel», bis 11.3., Theater Ticino, Wädenswil.

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.