Schlachtbank der Wünsche

Wie weiter mit dem Zürcher Schlachthof? Das fragte die SP der Stadtzürcher Kreise 4, 5 und 9 an einer Veranstaltung in der Sporthalle Hard. Klar scheint nur, dass noch vieles unklar ist.

 

Anatole Fleck

 

Bei seiner Einweihung 1909 stand der Zürcher Schlachthof noch am äussersten Rande der Stadt. Doch wo ihn einst Feld und Wiese umgaben, befindet sich heute, 111 Jahre später, ein ganzes Wohnquartier inklusive Fussballstadion. Dennoch ist der Schlachthof mitnichten Relikt aus vergangenen Zeiten: Noch immer werden an der Herdernstrasse jährlich rund 270 000 Tiere zur Schlachtbank geführt, die m eisten von ihnen kommen von Bauernhöfen der Region. Nebst dem eigentlichen Schlachtbetrieb verarbeitet die Metzgerei Angst – mit rund 200 MitarbeiterInnen der grösste Arbeitgeber auf dem Areal – hier Tierhälften und verkauft vor Ort Fleisch in eigenem Laden. Doch nach 2029 könnte alles anders sein, dann laufen die jetzigen Mietverträge der Betreiber mit der Stadt aus. Es fragt sich: Wie weiter mit dem Areal? Lässt sich das Schlachten noch mit den städtischen Bedürfnissen verbinden? Und falls nicht: Was für andere Nutzungen wären sinnvoll und möglich?

Um solchen Fragen entgegenzukommen befasst sich die städtische Planung intensiv mit der Zukunft der grössten zusammenhängenden Industrie- und Gewerbezone Zürichs. Hierzu hat sie mit InteressentInnen «Echoräume» durchgeführt, um Bedürfnisse zu sondieren, und eine Begleitgruppe aus ExpertInnen hinzugezogen. Ende 2020 will sie eine erste Strategie an die Öffentlichkeit tragen. Um über den Status quo aufzuklären, hat die SP Anna Schindler, die Direktorin für Stadtentwicklung, eingeladen. Von Beginn an versucht sie klarzumachen: Die Spielräume sind begrenzt. Laut Schindler bereits durch einen Teil des Schlachthofs bedingt, der «als kantonales Schutzobjekt in etwa auf einer Stufe mit dem Grossmünster steht». Freies bauliches Verfügen über das Herzstück des Areals – eine Unmöglichkeit. Hingegen dürften die heutigen Schlachträume der Schlachthof Zürich AG, erbaut in den 1980er Jahren, Substanz für planerische Träume sein. 

Die Nutzung der insgesamt 55 000 Quadratmeter, scheint bereits vorgegeben: Eine Umzonung ist unwahrscheinlich, da die Stadt die verbleibenden Industrie- und Gewerbezonen schützen will. Einst lag ihr Anteil in den Zonenplänen auf 46 Prozent, heute sind es noch rund fünf. Schindler befindet: «Es braucht diese preiswerten Gewerbegebiete, gerade für kleinere Betriebe – die Nachfrage ist gross.» Der Wohnanteil auf dem Areal wird daher auch in Zukunft tief bleiben. Ob der Schlachthof nach 2029 seinen Namen noch verdient, ist offen: «Wir haben hierzu eine Studie in Auftrag gegeben, um einschätzen zu können, wie sich der Fleischkonsum und die Herstellung entwickeln könnten», so die Stadtplanerin. Die Rückfragen aus dem Publikum zeigen: Die Bedürfnisse und Ideen sind vielfältig.

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