Mitte(l)-Weg zur Unzeit

Das CO2-Gesetz wird zurzeit revidiert. Der Ständerat will auf «bewährte Instrumente» setzen und auf höhere Benzin- und Dieselpreise verzichten. Einen Vorstoss für Treibhausgasabgaben gemäss Verursacherprinzip lehnt er ab.

Das aktuell gültige CO2-Gesetz, das zurzeit revidiert wird (siehe P.S. vom 22. Dezember 2023), stammt aus dem Jahr 2011. Eine erste Revisionsvorlage ging bekanntlich am 13. Juni 2021 mit 51,7 Prozent Nein-Stimmen an der Urne bachab. Damit fehlen der Schweiz nach wie vor die rechtlichen Grundlagen, «um die mit dem Übereinkommen von Paris eingegangene internationale Verpflichtung zum Klimaschutz einzuhalten», wie es in der Botschaft des Bundesrates zur aktuellen Revision des CO2-Gesetzes heisst.

Rückblick: Zwar hatten sich im Vorfeld des 13. Juni 2021 alle Parteien ausser der SVP und der EDU für die Revision des CO2-Gesetzes ausgesprochen. Die SVP warnte jedoch im Abstimmungskampf insbesondere davor, dass bei einem Ja der Benzinpreis um zwölf Rappen pro Liter steigen werde. Die entsprechende Passage im Abstimmungsbüchlein lautete wie folgt: «Wer Benzin und Diesel importiert, muss verstärkt in den Klimaschutz investieren, was für ihn zu höheren Kosten führt als bisher. Für diese Investitionen darf er an der Tankstelle einen Zuschlag erheben. Dessen Obergrenze liegt neu bei zwölf Rappen pro Liter statt wie bisher bei fünf Rappen.» Effektiv gebraucht beziehungsweise auf den Literpreis draufgeschlagen wurden im Jahr 2021 gemäss Abstimmungsbüchlein allerdings lediglich 1,5 Rappen. Das Benzin wäre also bei einem Ja zum Gesetz keineswegs zwingend – und vor allem nicht auf einen Schlag – zwölf Rappen teurer geworden, und es hätte keine neue Abgabe auf Benzin und Diesel gegeben.

Keine neuen Abgaben erwünscht

Im Abstimmungsbüchlein waren denn auch keine Nachteile, sondern Vorteile für Autofahrer:innen erwähnt: «Mit dem Gesetz kommen effizientere Fahrzeuge auf den Markt, die weniger Benzin und Diesel verbrauchen. Dadurch sinken die Ausgaben für den Treibstoff, und Autofahrerinnen und Autofahrer werden entlastet.» Auf diesen Hinweis folgte ein weiterer, durchaus bedenkenswerter, nämlich der Hinweis auf unsere Abhängigkeit von Öl-Staaten: «Die Schweiz hat in den letzten zehn Jahren rund 80 Milliarden Franken für den Import von Erdöl und Erdgas ausgegeben. Dieses Geld fliesst ins Ausland ab. Mit dem Gesetz reduzieren wir die Abhängigkeit von den ausländischen Erdölkonzernen und investieren stattdessen mehr Geld in der Schweiz.» Doch es nützte bekanntlich nichts: Das eidgenössische Parlament muss sich auch zweieinhalb Jahre später noch mit dem Gesetz beziehungsweise dessen Revision befassen.

Nach dem Nein vom 13. Juni 2021 lautete die Devise, «Hauptsache, keine neuen Abgaben». Weil jedoch einige Massnahmen nach dem alten CO2-Gesetz 2024 auslaufen, hat zurzeit dessen Revision Priorität. In ihrer Medienmitteilung vom 12. Januar hält die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek) des Ständerats unter dem Titel «Pragmatische Lösungen in der Klimapolitik» bereits im Vorspann fest, in der Periode 2025 bis 2030 sollten «bewährte Instrumente mit gezielten Förderanreizen kombiniert» werden: «Auf neue oder höhere Abgaben möchte die UREK-S wie der Nationalrat verzichten.»

Ziel: Gesetz setzt sich selber ausser Kraft

Kein Wunder also, dass einer der Vorstösse, die zurzeit ebenfalls in der ständerätlichen Kommission behandelt werden, zu einer fetten Schlagzeile im ‹Tagi› vom 11. Januar führte: «Jetzt wollen auch Pfister und Burkart das Autofahren und Fliegen verteuern.» Und das, «obwohl das Volk erst 2021 neue Abgaben ablehnte». Viel kleiner dann der Hinweis auf der ‹Tagi›-Frontseite vom 13. Januar: «Rückschlag für die Klimaabgabe. Ständerat verwirft Vorstoss für eine Lenkungsabgabe auf CO2-Emissionen.»

Worum geht es? Der in der ständerätlichen Kommisson am 11. Januar beratene Vorstoss, eine parlamentarische Initiative des Zuger Mitte-Nationalrats Gerhard Pfister, datiert vom 17. Juni 2022. Der Nationalrat hatte ihr am 19. Juni 2023 zugestimmt. Der Ständerat entschied nun anders – mit 3 gegen 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen und Stichentscheid des Präsidenten Beat Rieder (Mitte/VS)… Pfister und die Mitte-Fraktion hatten gefordert, alle Treibhausgasemissionen auf Schweizer Staatsgebiet sowie Flüge, die in der Schweiz starten, «gemäss dem Verursacherprinzip unabhängig ihrer Quelle» sowie «gemäss ihrer Treibhausgaswirksamkeit» mit einer Abgabe zu belegen. Die Höhe der Abgabe sollte periodisch angepasst werden, «abhängig davon, ob sich die Emissionen entlang dem Absenkpfad entwickeln, der bis spätestens 2050 zur Klimaneutralität führen soll». Die Einnahmen sollten an die Bevölkerung und die Wirtschaft zurückerstattet werden. In der Begründung heisst es unter anderem, «bei Zielerreichung würde das Gesetz sich selbst ausser Kraft setzen».

Keine Vorschrift, aber…

Lenkungsabgaben sind einfach zu verstehen und umzusetzen: Solche Abgaben auf zum Beispiel Benzin würden zwar den Literpreis verteuern, doch die ganzen Einnahmen abzüglich der Erfassungs- und Verwaltungskosten sollten gemäss Pfisters Vorstoss an die Bevölkerung und die Wirtschaft zurückverteilt werden. Dies im Gegensatz zur bereits eingeführten Abgabe auf fossile Brennstoffe, von der je ein Teil ans Gebäudeprogramm sowie an die Wirtschaft fliesst und der Rest an die Bevölkerung rückverteilt wird.

Damit würden jene, die wenig oder gar nicht (Benzin-)Auto fahren, Geld zurückerstattet erhalten für Ausgaben, die sie gar nicht tätigten, während Viel-Fahrer:innen übers Benzintanken mehr einzahlten, als ihnen rückvergütet würde. Der erwünschte Nebeneffekt liegt auf der Hand: Wenn weniger Benzin verbraucht und damit weniger CO2 ausgestossen wird, lässt sich das Netto-Null-Ziel eher (oder überhaupt erst…) erreichen. Gleichzeitig schreibt eine solche Regelung dem einzelnen Individuum weder ein anderes Verhalten noch sonst etwas vor: Sie legt lediglich fest, dass die Entscheidung, weiterhin im selben Umfang wie bisher einen Benziner zu fahren, mehr Geld kosten soll als andere mögliche Entscheidungen wie zum Beispiel die, auf ein Elektroauto oder den öV umzusteigen. 

Und damit zum «Aber»: Die Entscheidung für ein E-Auto oder den öV können nicht alle Menschen gleich frei treffen. Wer zum Beispiel in einer ländlichen Gegend mit schlechter öV-Anbindung wohnt und nicht mal eben ein neues E-Auto kaufen kann, wird wenig Freude haben an diesem Vorschlag. Nur: Auf Heizöl existiert, wie bereits erwähnt, schon seit längerem eine CO2-Abgabe. Die Mehrheit der Menschen in der Schweiz lebt zur Miete und hat keinen Einfluss darauf, wie ihre Mietwohnung geheizt wird. Wenn die Revision des CO2-Gesetzes dereinst in trockenen Tüchern ist, wäre im Anschluss eine Diskussion über eine Treibhausgasabgabe sicher nicht verkehrt.

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.