«Mit gutem Beispiel vorangehen»

Gute Aussichten für die Stadtzürcher Bevölkerung: Auf Initiative von Stadtrat Daniel Leupi wird das Dach des Verwaltungszentrums Werd als Dachterasse für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

 

Noch ist der Zugang zu den Gebäuden der Zürcher Stadtverwaltung Pandemie-bedingt eingeschränkt. Doch es kommen, hoffentlich, bessere Zeiten, und dann will man bei der Stadt vorbereitet sein: Wie P.S. aus verlässlicher Quelle erfahren hat, richtet die Stadt auf dem Verwaltungszentrum Werd eine frei zugängliche Dachterrasse in 70 Metern Höhe für die Bevölkerung der Stadt Zürich ein. Die Eröffnung erfolgt, sobald die aktuellen Einschränkungen aufgrund von Covid-19 aufgehoben werden können.

 

Freiwilligkeit statt «kollektiver Umbau»

Interessant ist allerdings nicht nur die verwegene Idee an sich – Aussenräume auf Hochhäusern sind bekanntlich Wind und Wetter ausgesetzt und müssen entsprechend gut gesichert werden –, sondern auch ihre Entstehung. Die hat mit einem ‹Brocken› zu tun, den sich der Zürcher Gemeinderat ab nächster Woche im Rahmen einer mehrtägigen Monsterdebatte zu Gemüte führen wird: Es gilt die 187 Änderungsanträge zur Vorlage «Richtplan Siedlung, Landschaft, öffentliche Bauten und Anlagen» abzuarbeiten. Bereits im Vorfeld, als sich der Richtplan eigentlich noch in geheimer Behandlung in der Kommission befand, wurde in einigen Medien Schauerliches darüber berichtet: «Rot-Grün plant den kollektiven Umbau der Stadt Zürich – private Innenhöfe, Dachterrassen und Vorgärten sollen für alle frei zugänglich werden», titelte die NZZ vom 26. November, und einige Tage später schrieb dieselbe Zeitung: «Resultat ist, dass die Politik den Zugang zu privaten Innenhöfen und Terrassen erzwingen will».

Spricht man hingegen mit VertreterInnen der rot-grünen Mehrheit, tönt es halb so wild: «Die Bürgerlichen malen den Teufel an die Wand, wenn sie behaupten, künftig könne man bei HausbesitzerInnen läuten, durch deren Stube marschieren und es sich auf der Dachterrasse bequem machen, weil die böse Stadt Zürich mit dem neuen Richtplan das Eigentumsrecht und die Privatsphäre abgeschafft habe», erklärte Kommissionspräsident Marco Denoth (SP) im P.S. vom 26. März.

 

Der Anfang ist gemacht

Wie auch immer: Dass die Bürgerlichen derart schweres Geschütz auffuhren, hat nicht nur weitere Ratsmitglieder zu Repliken inspiriert, sondern Finanzvorstand Daniel Leupi auf eine Idee gebracht. Er sei der Urheber des Plans mit der Dachterrasse in luftiger Höhe auf dem Werd-Hochhaus, bestätigt er das Gerücht auf Anfrage: «Wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen und aufzeigen, dass die Öffnung von bisher nicht zugänglichen Dachterrassen oder Innenhöfen weder per se ‹nicht problematisch› noch ‹nur mit Zwang zu erreichen› ist.»

Ob bald mit NachahmerInnen zu rechnen ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber der Anfang ist gemacht. Sicher gäbe es im schönen Zürich noch manch atemberaubende Aussicht, manchen lauschigen Innenhof zu entdecken. Bleibt also zu hoffen, dass insbesondere die Bürgerlichen dereinst der neuen Terrasse ihren Besuch abstatten – vielleicht kommen sie ja auf den Geschmack, sprich, auf Ideen, welche anderen, bislang nicht zugänglichen Orte man ebenfalls öffnen könnte. Ganz ohne Zwang, versteht sich.

 A propos: Mit der von Stadtrat Leupi vorgeschlagenen Öffnung der Dachterrasse wird ein altes Anliegen umgesetzt: Beim Kauf des Verwaltungszentrums Werd anno 2001 gab es nämlich einen parlamentarischen Vorstoss, wonach die vormalige Lounge der UBS-Spitze im 17. Stock in ein öffentliches Restaurant umzuwandeln sei. Der Stadtrat hatte damals jedoch kein Gehör dafür …

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