Mietenklau

In den letzten 18 Jahren haben die Mieter:innen in der Schweiz insgesamt 100 Milliarden (!) Franken zuviel Mietzins bezahlt, im vergangenen Jahr allein 10,6 Milliarden, das entspricht einem Viertel des gesamten Mietzinsvolumens. Während die Kosten der Vermieter:innen seit 2005 um 5,3 Prozent gesunken sind, sind die Mieten um 24,8 Prozent angestiegen. Wie das Büro für Arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) das errechnet hat, können Sie im Onlineportal ‹Watson› (24. Januar 2024) oder in der aktuellen Ausgabe von ‹Mieten + Wohnen›, der Mitgliederzeitschrift des Mieterinnen- und Mieterverbandes (MV), nachlesen.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Miete durchschnittlich ungefähr ein Drittel des Einkommens ausmacht, nehmen uns unsere Vermieter:innen also ein Zwölftel unseres Einkommens, das ist mehr als ein Monatslohn im Jahr, ohne Gegenleistung einfach weg. Welch gigantischer Raubzug! Doch was tun dagegen?

MV-Präsident Carlo Sommaruga fordert in der gleichen Ausgabe von ‹Mieten + Wohnen› unter anderem die Einführung einer schweizweiten Formularpflicht für die Mitteilung des Anfangsmietzinses. Von diesem Mittel halte ich ehrlich gesagt wenig: Es entspricht uns Schweizer:innen nicht. Einen Vertrag anzufechten, nachdem wir ihn unterschrieben haben, empfinden wir als Verstoss gegen Treu und Glauben. Die Formularpflicht wurde ja in einigen Kantonen bereits eingeführt, in Zürich vor gut zehn Jahren. Leider habe ich keine Untersuchung gefunden, wieviel sie tatsächlich bringt. Jedenfalls sind die Mieten auch in diesen Kantonen weiter angestiegen. Und im einzigen mir persönlich bekannten Fall, wo ein Mieter den massiv erhöhten Anfangsmietzins angefochten hat, erhielt er schliesslich eine lächerliche Reduktion von wenigen Franken.

Weiter fordert Sommaruga eine staatliche Mietzinskontrolle. Diese könnte – zumindest im Rahmen der Marktgegebenheiten – ein wirksames Instrument sein, doch in unserer bürgerlich dominierten Politiklandschaft ist sie völlig illusorisch. Selbst wenn Städte mit linker Mehrheit so etwas einführen wollten, würden sie von der bürgerlichen Phalanx in den Kantonen sofort zurückgepfiffen, wie Min Li Marti im P.S. vom 23. Februar ausführte. Auch ein Vorkaufsrecht der Gemeinden für Bauland ist politisch kaum durchsetzbar in einer Zeit, da selbst eine Partei, die sich «Mitte» nennt, jede Verschärfung im Mietrecht durchwinkt.

Angesichts einer politischen Landschaft, in der die Wähler:innen sowieso lieber die Parteien der Reichen unterstützen, statt sich zu wehren, wünschte ich mir von Links mehr grundsätzliche Kritik, mehr visionäre Forderungen. Es ist frustrierend, über Pflästerli wie Mietzinskontrolle oder Vorkaufsrechte zu diskutieren im Wissen darum, dass man die Abstimmung ohnehin verlieren wird. Darum zu feilschen, ob nun eine Rendite von einem halben oder zwei Prozent legal sei, im Wissen darum, dass ohnehin kaum je gegen illegale Renditen vorgegangen wird. Prickelnder fände ich es, das uneingeschränkte Eigentum an Grund und Boden zu hinterfragen. Es ist nicht von Gott gegeben, dass essenzielle Grundbedürfnisse wie Wohnraum überhaupt einem Markt unterworfen sind – das ist eine Abmachung unter den Menschen, die verhandelbar ist. Es ist nicht einfach normal, dass mit diesen Grundbedürfnissen Rendite gemacht wird – eigentlich ist es ein Skandal. 

«Skandal: Milliarden-Mietenklau!» – diese Headline hätte ich gern auf den Frontseiten von ‹Blick› und Konsorten gelesen. Fehlanzeige. Dafür gibts Werbung für Investments in Rendite-Immobilien. Damit wir von den Milliarden auch noch ein paar Batzeli abgarnieren können.

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