Lustig wars im Untergrund

Erinnerungen an die frühen 1990er-Jahre als Partyanimal in Zürich wärmt die lokale Schau der Photobastei auf, während der internationale Blick auf die Technokultur durch eine Brille der zeitgenössischen Kunst den Themenkomplex noch weiter auffächert.

In kaum einer jüngeren Epoche hat sich die Beschreibung Zürichs als ein grosses Dorf als wieder so trefflich herausgestellt wie in der Partyszene der 1990er-Jahre. Nachtschwärmer:innen einer Subkultur, die keinerlei künstliche Grenzziehung zwischen den Szenen von Hausbesetzungen, Soundtüftler:innen, Gastromenschen, Kunstschaffenden und einer deutlich wahrnehmbaren Schwulenkultur zog, konnten sie sich in den Anfängen von Techno in Zürich als eine grosse Familie vorkommen. Nicht nur aus Gründen der Übersichtlichkeit der regelmässig involvierten Personenkreise, sondern auch, weil das alles dominierende Lebensgefühl ein friedliches, respektvolles Miteinander verkörperte. Das Collectif des Idéalistes stellt eine Hörinstallation aus verschiedenen Gesprächen in der «Blackbox Part 1» genannten Station aus, worin sich eine Vielzahl von früh aktiv am Partygeschehen involvierte Personen über die improvisierten Anfänge, das Katz-und-Maus-Spiel mit den Ordnungsbehörden, aber auch über die bald zunehmende Kommerzialisierung untereinander austauschen. Während dem ersten grossen und am längsten existierenden Club «Rohstofflager» der Spagat mehrheitlich glückte, das Do-it-Yourself mit einem Geschäftsmodell in Einklang zu bringen, genossen die Macher des Trendmagazins «Sputnik» (und einer folgenden TV-Sendung) eine grosse redaktionelle und typogestalterische Freiheit, weil die damals noch haufenweise Geld in Printinserate investierenden Tabak- und Alkoholfirmen diese befremdliche Jugendkultur als das Ding ansahen und sich in der Rolle der Finanzierung eines potenziellen Hypes bescheideten. Der Wandel der aktiven Teilhabe und der (auch touristischen) Vermarktung einer exotisierbaren Fremdheit im Habitus von Teilen der jungen Erwachsenen führte auch am Beispiel der Street Parade in wenigen Jahren von einem rollenden Strassenfest sämtlicher Beteiligter hin zu einem bunten Umzug mit explosionshaft wachsendem Zuschauerspalier und Megaevents zu horrenden Eintrittspreisen, mit denen sich gewiefte Geschäftsleute anhängten und so einen beachtlichen Jahresumsatz innerhalb bloss einer Nacht generieren konnten. Der subkulturelle Teil verzog sich ins Kleine oder ins Freie, bis die Freiräume immer weniger wurden und die Lust an der Selbstausbeutung mit dem eigenen Älterwerden in Konflikt geriet.

Jugend will feiern

Den ganzen Erdball hatte damals noch niemand konkret im Blick, die Vernetzung war totallokal. Dass dies rund um den Erdball so war, und welchen Einfluss dieselbe Musik, Mode, Lifestyle und Lebensfreude allüberall Vergleichbares auf die sie umgebende Gesellschaft ausübte, zeigt die international ausgerichtete «Techno World»-Ausstellung des Goethe-Insituts. Die meisten ausgestellten Werke lassen sich durch die Brille der zeitgenössischen Kunst und mit einer auf dem Gefühl für einen Gesamteindruck basierenden und geduldigen Auseinandersetzung am besten ergründen. Ob dies generationenübergreifend auch funktioniert, ist nicht bekannt. Für jemanden, der das lokale Original aus dem aktiven Erleben kennt, ist die dafür notwendige Übersetzungsleistung aber vergleichsweise einfach zu erbringen. Egal ob Brasilien, Südafrika, Fernost oder im Balkan, die Speerspitze der musikalischen – und je nach politischer, sozialer, gesellschaftlicher Offenheit der direkten Umgebung auch hochgradig politischen – Avantgarde, richtete sich auf die Bereitstellung von heute Safe-Spaces genannten Freiräumen für alle aus und versammelte die Kreativen alle Couleur. Die Parties waren bald in aller Munde und das damit erweckte Interesse respektive die Definition dessen, was als modern angesehen werden muss, zog weitere Kreise bis hin zu den sich rasch dem anpassenden Nachrichtenjingles des slowenischen Staatssenders, wie dies Aleksandra Domandic in einem Parallelscreening demons­triert. Carsten Nicolai übersetzt die ansteckende Lebenslust von Techno in einen (vermutlich japanischen) Kontext von Getränkeautomaten, die ihr Tagwerk schon verrichten, aber erst nach einer kürzeren Kostprobe ihrer darüber hinaus reichenden Möglichkeiten. In dieser Sektion fällt einem die vereinigende Kraft einer weltumspannenden Musik- und Jugendkultur wie Schuppen von den Augen und dies Jahre vor den Möglichkeiten einer digitalen Vernetzung. Techno und damit die kreative Inanspruchnahme von Freiräumen zeigt sich hier als ein weltumspannendes Lebensgefühl.

«Techno Worlds» und «The Pulse of Techno», bis 31.3., Photobastei, Zürich.

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