Längere Pisten und Grundrechtsabbau

Ja zum Gegenvorschlag zur Anti-Chaoten-Initiative, Ja zu den Pistenverlängerungen, Nein zur Uferinitiative: Bei den Abstimmungen vom Sonntag lief es Rot-Grün auf kantonaler Ebene bedeutend schlechter als auf eidgenössischer.

Dass im bürgerlichen Kanton Zürich mindestens der Gegenvorschlag zur Anti-Chaoten-Initiative der SVP durchkommen würde, war zu erwarten gewesen. Immerhin: Gegen die Initiative sprachen sich 59,17 Prozent der Abstimmenden aus. Für den Gegenvorschlag stimmten 63,79 Prozent. Bei der Stichfrage setzten 68,38 Prozent ihr Kreuz beim Gegenvorschlag, wobei dieses Resultat angesichts der Ablehnung der Initiative keine Bedeutung mehr hatte. In der Medienmitteilung der SP Kanton Zürich heisst es, mit ihrem Nein habe die Zürcher Bevölkerung klar gemacht, «dass sie keine grundrechtswidrige Einschränkung der Meinungsäusserungs- und Demonstrationsfreiheit im Kanton Zürich will». Regierung und Parlament müssten nun «für eine grundrechtskonforme Umsetzung des angenommenen Gegenvorschlags» sorgen. «Der Regierungsrat hat im Abstimmungskampf stets betont, sich mit dem Gegenvorschlag um eine grundrechtskonforme Umsetzung zu bemühen und die Gemeindeautonomie zu bewahren», wird SP-Kantonsrätin Leandra Columberg zitiert: «Wir werden keine menschenrechtswidrige Einschränkung der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit im Kanton Zürich dulden und uns auch weiterhin für eine lebendige Demokratie und die Achtung der Grundrechte einsetzen.»

Bei den Grünen Kanton Zürich tönt es ähnlich: Sie zeigen sich in ihrer Medienmitteilung «erfreut, dass die extreme Anti-Chaoten-Initiative der Jungen SVP keine Akzeptanz bei der Stimmbevölkerung gefunden hat». Denn diese Initiative hätte sich «in keiner Weise verfassungskonform umsetzen lassen», schreiben die Grünen, und weiter: «Das steht allerdings auch beim angenommenen Gegenvorschlag in Frage.» So seien «spontane Kundgebungen, wie bei einem Kriegsbeginn, mit dem Gegenvorschlag rechtlich nicht mehr möglich». Zudem sollten Organisator:innen und Teilnehmer:innen von Kundgebungen für «ausser­ordentliche Polizeieinsätze» zahlen müssen: «Die Grünen werden sich bei der konkreten Umsetzung vehement dafür einsetzen, dass die Versammlungs- und Meinungsfreiheit unangetastet bleibt.» Niemand dürfe davor abgeschreckt werden, diese Grundrechte wahrzunehmen.

«Wir kämpfen weiter!»

Die AL hält unter dem Titel «Anti-Chaoten-Initiative: Wir kämpfen weiter!» fest, auch wenn Kanton und Stadt Zürich die Initiative der Jungen SVP «deutlich» abgelehnt hätten, sei doch der Gegenvorschlag im Kanton mit fast 64 und in der Stadt mit über 53 Prozent Ja-Stimmen angenommen worden: «Die AL bedauert dieses Resultat sehr.» Eine «besorgniserregende Anzahl Bürger:innen» habe für einen Abbau ihrer eigenen Grundrechte gestimmt. «In Zukunft müssen Demonstrierende mit hohen Kosten und willkürlichen Kollektivstrafen rechnen, was zu einem sogenannten Chilling Effect führen dürfte», hält die AL fest: «Demonstrierende werden davon abgeschreckt, ihre verfassungsmässig garantierte Versammlungs- und Meinungsfreiheit auszuführen.» Und der Kampf sei noch nicht vorbei: «Als nächstes wird im Kantonsrat ein Gesetzestext ausgearbeitet werden müssen, der nicht gegen höheres Recht verstösst. Dies wird keine einfache Aufgabe, und die AL wird sich dafür einsetzen, dass insbesondere die Einhaltung der Menschenrechte berücksichtigt wird.»

Auf rechtliche Fragen hatte im Vorfeld auch Kantonsrätin Silvia Rigoni (Grüne) hingewiesen, konkret im Abstimmungsforum im P.S. vom 23. Februar: «Die heutigen Gesetze greifen gegen Sachbeschädigung, Nötigung und Gewalt. Wie bei allen Straftaten können nicht alle Verstösse geahndet werden. Damit muss ein demokratischer Rechtsstaat leben. Das Prinzip von Recht und Ordnung darf nicht über die demokratischen Rechte gestellt werden.» Es gehe bei dieser Abstimmung deshalb auch darum, «die rechte Politik mit ihrer Problembewirtschaftung, ihrem Schüren des Volkszorns und ihren Scheinlösungen abzuwehren». – Das ist am Sonntag nicht gelungen, und das ist aus linker Sicht wohl das grösste Ärgernis an dieser Niederlage.

Keine Wege für alle…

Bei der Volksinitiative «Für öffentliche Uferwege mit ökologischer Aufwertung» legten 64,03 Prozent ein Nein in die Urne. Das war zu befürchten gewesen, doch das Ja-Komitee lässt sich nicht unterkriegen: «Eine Abstimmung verloren, nicht aber den Kampf um die Uferwege», lautet der Titel der Medienmitteilung, die das Initiativkomitee und der Verein Ja zum Seeuferweg verschickten. Der Seeuferweg sei nicht vom Tisch, schreiben sie, und weiter: «Viele Stimmberechtigte liessen sich durch die irreführende Behauptung der Regierung über angebliche Kostenfolgen von einer halben Milliarde Franken verunsichern und haben darum Nein gestimmt. Dass die Zustimmung zur Uferinitiative trotzdem 36 Prozent erreicht hat, ist ein starkes Votum für mehr Uferwege im ganzen Kanton, das von der Politik nicht missachtet werden kann.» Es bestätige und anerkenne vielmehr «das öffentliche Interesse an einem Seeuferweg am Zürichsee. Die Privatisierung der Ufer ist zu stoppen.» Die AL schreibt, sie bedaure die Ablehnung der Initiative. Die Grünen halten fest, das Nein dürfe nicht da­rüber hinwegtäuschen, dass es mehr «hochwertige Naherholungsräume am Zürichsee» brauche – und «endlich eine ökologische Aufwertung der Ufer»: «In der kantonalen Richtplanung ist seit langem festgehalten, dass der öffentliche Gewässerzugang auszudehnen ist.» Ebenso schreibe der Richtplan vor, dass die Zürichseeufer auf der ganzen Strecke «als Erholungs-, Natur- und Landschaftsraum aufzuwerten» seien. Das müsse der Regierungsrat «auch ohne Uferinitiative endlich umsetzen».

…aber längere Pisten

Bei den Pistenverlängerungen lautet der rot-grüne Konsens, «Flughafen und Regierung müssen nun ihre Versprechen aus dem Abstimnmungskampf einhalten», wie es die SP formuliert: «Die Pünktlichkeit muss nun steigen, die Nachtruhe endlich besser eingehalten werden, und die verlängerten Pisten dürfen nicht für einen Ausbau der Kapazität missbraucht werden», wird Co-Parteipräsidentin Priska Seiler Graf zitiert. Die Grünen halten fest, in Zeiten stark zunehmender Klimaerwärmung sei es «grundfalsch, in klimaschädliche Infrastruktur zu investieren». Die AL schreibt, der Lärm von dröhnenden Triebwerken sei für die Einwohner:innen rund um den Flughafen ein «allnächtliches Ärgernis», und durch den Pistenausbau könne die Kapazität nun noch weiter erhöht werden, «was unweigerlich zu noch mehr Lärm führen wird». Die AL betont aber auch, «Kapazitäts- und Gewinnerhöhungen des Flughafens auf Kosten der Bevölkerung müssen ein Ende haben».

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