Kompetenzzentren, Leuchttürme, Kinder, Teilhabe, Inklusion

Der grosse Hoselupf bleibt aus. Das Auswahlprozedere der unter dem Aspekt einer Gesamtschau initiierten Änderung der Subventionierung hin zur sogenannten Konzeptförderung Tanz und Theater ist erstmals abschliessend durchgeführt worden. Die Resultate wurden am Dienstag im Stadthaus vorgestellt.

Neun von 13 Bewerbungen um eine 6-jährige Förderung von Institutionen, acht von 30 Bewerbungen um eine 4-jährige Förderung und zehn von 25 Bewerbungen um eine 2-jährige Förderung jeweils für Gruppen und Einzelpersonen wurden berücksichtigt. Die 6-jährigen Förderungen müssen noch vom Gemeinderat abgesegnet werden, was innerhalb von drei Monaten geschehen soll. Die 2- und 4-jährigen Förderungen hat der Stadtrat in Eigenkompetenz beschlossen. Den unterlegenen Bewerbungen steht gemäss Bundesgesetz eine Rekursmöglichkeit innert dreissig Tagen vor dem Bezirksrat offen. Allfällige dort erwirkte Änderungen müssten aber ausserhalb dieses Budgetpostens genehmigt werden. Namen der insgesamt 41 Ablehnungen dürfen aus Datenschutzgründen nicht genannt werden. Zwei Theater, das Theater Stok und der Keller 62 fallen aus der Förderung raus und erhalten zwei Jahre lang einen um jeweils 25 000 Franken erhöhten Beitrag ihrer bisherigen Jahressubvention als Abfederung, die ihnen eine Umstrukturierung zur nichtgeförderten Spielstätte ermöglichen soll. Die Begründung für die Ablehnung fällt lapidar aus. Diese künftig wegfallenden Beträge gehören zu den Geringsten der bisher vergebenen.

Namen der in Ko-Produktionen Geförderten stehen noch aus

Die neunköpfige Jury, an der Pressekonferenz vertreten durch die beiden Co-Präsidentinnen Gunda Zeeb und Zoé Kilchenmann, hat ein Gutachten zu jeder einzelnen gewährten Förderposition verfasst, die Online einsehbar ist. Drei Randbemerkungen darin scheinen erwähnenswert: Erstens spricht das Papier von einem spürbaren Druck, früher unter dem Begriff der soziokulturellen Animation fungierende Gefässe neu in der Kulturförderung unterbringen zu wollen. Zweitens wirft das Gutachten den vier ko-produzierenden Häusern Gessnerallee, Fabriktheater, Tanzhaus und Theater Spektakel nicht sonderlich indirekt vor, die Vergabe der ihnen ab 1.1.2024 zustehenden, an Ko-Produktionen gebundenen Subventionserhöhung von insgesamt 1,6 Millionen Franken noch nicht durchgeführt zu haben. Das ist ungefähr damit vergleichbar, wie wenn eine Spielbank die Spieler:innen dazu aufforderte, ihre Trümpfe vor Spielbeginn offenzulegen, damit die Bank auch sicher gewinnt. Die Unsicherheit war während der letzten Jahre bezüglich dieser Umstellung so kolossal, dass das Handeln der vier Institutionen nur taktisch vernünftig wirkt. Und drittens beschreibt das Gutachten, dass der durchlaufene Prozess auch zutage gefördert habe, dass die Kriterien für die noch kommenden Runden sehr viel klarer, schärfer definiert gehörten. Als Viertes fügt die allgemeine Einschätzung noch an, die meisten eingereichten Konzepte wären nach ihrem Ermessen noch viel zu stark entlang von Produktionsprozessen gedacht, was jetzt auch nicht sonderlich verwundert. Schliesslich hat die Förderung ja eine Vorgeschichte. Ein weiterer noch nicht definierter Posten bleibt der mit 950 000 Franken dotierte Freie Kredit, wovon indes die Hälfte dem Kinder- und Jugendtheater vorbehalten ist.

Der Bedarf ist höher als die vorhandenen Mittel

Dass die Anträge durchs Band weg einen beachtlich höheren Bedarf als ihre bisherigen Subventionen auswiesen, ist nur logisch. Die Ausschreibung hätte auch so interpretiert werden können, dass sehr viel weniger Häuser sehr viel komfortabler alimentiert werden würden. Noch immer steht bei der Jurybegründung bei etlichen der geförderten Institutionen, gewisse Teile ihrer Strukturen wiesen Anzeichen von Prekariat auf. Diese Umstellung hätte die Chance geboten, dem einen Riegel zu schieben. Interessant ist auch, dass mehrere Institutionen, über deren Förderberechtigung in den letzten 15 Jahren mehrfach kritisch nachgedacht worden war, immer noch künftige Subventionsnehmer sind. Das diesbezügliche Narrativ wurde einfach umgekehrt: Was vorher ein potenzielles Ausschlusskriterium war, wird jetzt als Alleinstellungsmerkmal mit Begriffen wie Kompetenzzentrum oder Leuchtturm umbenannt. Vergleichsweise inkonsequent ist die Behandlung nach der Feststellung, ein Angebot würde hauptsächlich von einer als Dreh- und Angelpunkt fungierenden Person abhängen. Einmal wird exakt dieses Fehlen als Begründung zur Kürzung des (beantragten) Beitrags herbeigezogen, während andernorts dessen Risikohaftigkeit explizit als Manko benannt wird.

Die über die nächsten sechs Jahre geförderten Institutionen sind: Winkelwiese, Stadelhofen, Rigiblick, Hora, Zirkusquartier, PurPur, Zürich tanzt, Sogar Theater und Millers. Vierjährige Förderungen erhalten Strukturen rund um Teresa Vittucci, Martin Zimmermann, Dimitri de Perrot, Eugenie Rebetez, Nina Mühlemann/Edwin Ramirez, Marie Alexis sowie das theaterpädagogische Angebot für Kinder und Jugendliche LAB-Zürich und das Kinder- und Jugendtheaterfestival Blickfelder. Bei Letzterem allerdings steht ausdrücklich, dass die bis 2020 vom Kanton getragene Biennale künftig eine andere, stabile Finanzierungsgrundlage finden müsse. Auch bei den zweijährigen Förderungen dominieren bekannte Namen/Gruppen: Ein Zusammenschluss von «Der grosse Tyrann», «Paradoks» und «Ernte Olafson» alias Patchwork Produktion, Muhammad Kaltuk, Gusavo Nañez, Les Mémoires d’Hélène, Divas, Trixa Arnold/Ilja Komarov, Phil Hayes, ox & öl, Dakar Produktion und die Biennale Breakthrough Dance.

Deutliche Lenkung des Angebots

Auffallend an den Begründungen und Erläuterungen ist, wer einerseits Teilhabe, Inklusion und Vernetzung – jetzt nicht unbedingt die genuine Definition von Kunst – deutlich hervorhob, hatte Pluspunkte, während auf der anderen Seite das zu Unrecht als ältlich verschmähte Erzählen auf einer Bühne praktisch überhaupt nicht mehr vorkommt. Das deutet darauf hin, dass sich das grundlegende Verständnis einer Kulturförderung (ermöglichen, sich aber nicht einmischen) eine starke Veränderung durchlaufen hat. Der Geldgeber bestimmt sehr viel weiterreichend als früher, was gehörig ist und was nicht. Ausser bei den festen Häusern Schauspielhaus, Neumarkt und Hechtplatz und in Bezug auf die erweiterte Freiheit der ko-produzierenden Orte. Der Aspekt der Gesamtschau betrifft also überhaupt nur einen kleinen Teil der Ausgaben, dort dafür umso einschneidender. Gunda Zeeb und Zoé Kilchenmann betonten an der Präsentation wiederholt, während dieses erstmalig stattgefunden habenden Prozesses hinlänglich Potenzial für Verbesserung, Raffinierung ausgemacht haben zu können. Sollte dies auch auf Belange jenseits des rein Formaljuristischen zutreffen, könnte das sehr viel mehr Klarheit für die Bewerber bereits vor den nächsten Vergaberunden bedeuten.

stadt-zuerich.ch/konzeptfoerderung

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