Klare Sache

Viel Aufmerksamkeit erhielten im Abstimmungskampf die beiden Vorlagen zu Mindestlöhnen in Zürich und Winterthur. Beide Städte sagten deutlich Ja zum Mindestlohn.

2014 kam die nationale Initiative «Für den Schutz fairer Löhne (Mindestlohn-Initiative)» zur Abstimmung. Diese wurde mit 76,3 Prozent Nein wuchtig abgelehnt. Alle Kantone sagten Nein, und auch die Stadt Zürich lehnte die Initiative damals ab. Seither wurde in einigen Kantonen ein kantonaler Mindestlohn eingeführt. Den Anfang machte 2017 der Kanton Neuenburg, später kamen Jura, Genf, Tessin und Basel-Stadt hinzu. Jetzt werden zum ersten Mal auch kommunale Mindestlöhne eingeführt. Sowohl Winterthur wie auch Zürich sagen Ja zum Mindestlohn. 

Deutliches Ja zum Mindestlohn

In der Stadt Zürich beschloss im Gemeinderat eine Allianz aus SP, Grünen, AL, Mitte und EVP einen Gegenvorschlag zur Mindestlohn-Initiative. Dieser basierte auf dem stadträtlichen Vorschlag und enthält folgende Eckpunkte: Der Mindestlohn in der Stadt Zürich beträgt 23.90 Franken, ausgenommen sind Lernende, Praktikant:innen und unter 25-Jährige ohne abgeschlossene Erstausbildung. Betriebe mit finanziellen Schwierigkeiten erhalten eine zweijährige Übergangsfrist, und die Einhaltung der Mindestlöhne soll regelmässig kontrolliert werden. Dagegen waren FDP, SVP und GLP. Die Delegierten der Mitte beschlossen gegen die Gemeinderatsfraktion die Nein-Parole. Mit 69,4 Prozent legte die Zürcher Stimmbevölkerung ein klares Ja in die Urne. Der Mindestlohn wurde in allen Stadtkreisen klar angenommen. Am deutlichsten im Wahlkreis 4 und 5 mit 78,7 Prozent. Aber selbst der Wahlkreis mit dem tiefsten Ja-Anteil (7 + 8) stimmte mit 60,7 Prozent deutlich zu. Die Argumente der Gegner:innen verfingen nicht. Sie argumentierten vor allem damit, dass der Mindestlohn die Sozialpartnerschaft ausheble. Dieses Argument zieht allerdings nur beschränkt, wenn einer der Sozialpartner – nämlich die Gewerkschaften – den Mindestlohn klar befürwortet. Die GLP hat vor allem damit argumentiert, dass der Mindestlohn nur einem Teil der Armen zugutekommt. Das ist zwar inhaltlich nicht falsch: Allerdings nützt es ihnen auch nichts, wenn die anderen ebenfalls nichts kriegen. Der Mindestlohn ist also offenbar etwas, das weit über linke Kreise hinaus auf Zustimmung stösst. Es widerspricht auch jedem meritokratischen Prinzip, dass man, wenn man voll arbeitet, von seinem Lohn nicht leben kann.

In Winterthur war der Fall ebenfalls schnell klar.  Auch hier stimmten alle Stadtkreise Ja. Selbst der eher bürgerliche Stadtkreis Seen sagte mit gut 56 Prozent deutlich Ja. Beobachter:innen hatten in der Stadt Winterthur eher ein knappes Resultat prognostiziert. Die Befürworter:innen zeigten sich freudig überrascht. Björn Resener vom kantonalen Gewerkschaftsbund meinte gegenüber dem ‹Landboten›: «Zusammen mit Zürich ist das ein klares Signal auch an die Bürgerlichen auf nationaler Ebene.» Dort laufen Bestrebungen, kantonale Mindestlöhne einzuschränken. Sowohl National- wie auch Ständerat haben da einer Motion von Mitte-Ständerat Erich Ettlin zugestimmt, die vorsieht, dass es bei Berufen, in denen es einen landesweiten Gesamtarbeitsvertrag gibt, keinen kantonalen Mindestlohn geben darf, der höher liegt. Damit sollen die kantonalen Mindestlöhne ausgehebelt werden. Die Gegner:innen des kommunalen Mindestlohns wollen zudem noch den Rechtsweg beschreiten. Thomas Anwander, Präsident der Handelskammer und Arbeitgebervereinigung Winterthur, meinte gegenüber dem ‹Landboten›, man wolle den kommunalen Mindestlohn anfechten: «Wir sind bereit, bis vor Bundesgericht zu gehen.» Der Gewerbeverband der Stadt Zürich hat schon im Vorfeld einen Rekurs gegen den Mindestlohn eingereicht, der noch vor Bezirksrat hängig ist. 

Und auch zum Wohnraumfonds

In der Stadt Zürich wurde zudem über den Wohnraumfonds abgestimmt. Dieser Fonds soll mit 300 Millionen Franken dotiert sein und ermöglichen, dass gemeinnützige Wohnraumträger und die Stadt Zürich Liegenschaften erwerben können. Die Vorlage wurde unterstützt von SP, Grünen, AL und der GLP. Sie wurde in allen Wahlkreisen angenommen. Am deutlichsten im Wahlkreis 4 + 5 mit 78 Prozent Ja, am wenigsten deutlich Ja sagte wiederum der Wahlkreis 7 + 8 mit 57 Prozent Ja. Das Gegenargument war auch hier, dass nur wenige vom gemeinnützigen Wohnungsbau überhaupt profitieren können. Ebenfalls klar angenommen wurden die weiteren Vorlagen zum Neubau der Schulanlage Saatlen und zu der Erhöhung der Beiträge für die Pestalozzi-Bibliothek.

Martina Blum gewählt

In der Stadt Winterthur fanden zudem Ersatzwahlen in den Stadtrat statt. Der Grüne Jürg Altwegg war überraschend vorzeitig zurückgetreten. Für die Nachfolge traten für die Grünen Martina Blum und für die FDP Romana Heuberger an. Romana Heuberger ist bereits bei den Gesamterneuerungswahlen vom letzten Jahr angetreten und erreichte das absolute Mehr, schied aber als Überzählige aus. Die Newcomerin Martina Blum – sie ist erst seit ungefähr einem Jahr im Winterthurer Gemeinderat – holte am Schluss 16 628 Stimmen, Romana Heuberger kam auf 13 349 Stimmen. Das Resultat war am Schluss klar: Blum konnte in den linkeren Wahlkreisen klar punkten und lag in den bürgerlichen Wahlkreisen nur wenig hinter Heuberger. Blums Kandidatur wurde neben den Grünen auch von SP, GLP und EVP unterstützt. 

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.