Kein Platz für Gleichberechtigung?

Wer Fussballspielen will, braucht vor allem eines: viel Platz. Eine Bachelorarbeit der Universität Zürich thematisiert jetzt die ungleiche Verteilung zwischen Männer- und Frauenfussballteams – obwohl sich die Stadt Zürich eigentlich der Gleichberechtigung verpflichtet hat.

 

Ein Jahr, bevor Frauen sich das Stimmrecht erkämpften, fiel ein anderer patriarchaler Schutzwall: Mit der Gründung der Schweizerischen Damenfussball-Liga (SDFL) 1970 wurde der Frauenfussball in der Schweiz institutionalisiert. Zuvor war der Sport zumindest offiziell Männern vorbehalten. 

 

Seither hat sich einiges getan. Das Schweizer Frauenfussballteam nimmt nächstes Jahr an der Europameisterinnenschaft in Grossbritannien teil, und dank dem Frauenteam des FCZ kann sich Zürich Jahr für Jahr über europäischen Spitzenfussball freuen. Doch von einer Gleichstellung ist auch der Fussball noch weit entfernt. Profifussballerinnen verdienen deutlich weniger, erhalten ungenügende medizinische Betreuung und trainieren auf einer schlechteren Infrastruktur. 

 

Diese Ungleichbehandlung trägt zuweilen auch groteske Züge, etwa wenn der FCZ Frauen im Heerenschürli aufgrund der städtischen Lärmschutzverordnung nicht die Champions-League-Hymne spielen kann, das Männerteam in der Super League hingegen vor und nach dem Spiel die Ränge beschallen darf (P.S. vom 14.09.2018). Es geht immer auch um Geld: Gemäss zweier Ausstellungen rund um das Thema Frauenfussball flossen beim FCZ im Jahr 2018 lediglich drei Prozent der Gelder in die Frauenabteilung. Auf eine Anfrage der P.S.-Zeitung, ob der FCZ diese Zahlen bestätigen kann und wie es im Jahr 2021 aussieht, antwortete die Medienstelle nicht. 

 

Eine Bachelorarbeit von Meret Böhni vom FC Wiedikon an der Universität Zürich untersucht jetzt eine weitere Dimension der Diskriminierung im Fussball: die Verteilung der öffentlichen Fussballplätze in der Stadt Zürich im Breitensport. Diese gehören zum Verwaltungsvermögen der Stadt und werden an die 58 stadtzürcher Fussballvereine vermietet. Und zwar mit einer zünftigen Subvention: Gemäss der Gebührenordnung für die Benutzung von Sportanlagen erhalten städtische, nicht-kommerzielle Sportvereine eine Preisreduktion von mindestens 80 Prozent. Das Problem: Für die Verteilung der Plätze auf die einzelnen Teams orientieren sich die Vereine an der Prioritätenordunung des Schweizerischen Fussballverbands SFV. 

 

Ungleichbehandlung?

Und in dieser ist der Frauenfussball bestenfalls zweitrangig: Während die 1. Liga Frauen auf Platz 10 liegt, sind die U-15-Männerteams auf Prioritätenrang 7. Juniorinnen aus dem Breitensport kommen in dem Re­glement erst gar nicht vor. Die Prioritätenregelung kommt offiziell zum Tragen, wenn ein Platz für ein Meisterschaftsspiel mehrfach belegt ist; die Erfahrung von Frauenfussballteams zeige aber, dass sie auch als Grundlage für die Verteilung von Trainingsplätzen von den Vereinen verwendet wird, sagt Autorin Meret Böhni dazu. Heisst: Männerteams erhalten die besseren Plätze zu den besseren Trainingszeiten. «Die Stadt Zürich finanziert mit den Subventionen auch Ungerechtigkeiten mit», ist ein Fazit der Arbeit. 

 

Was sagt man beim Schul- und Sportdepartement zu den Erkenntnissen? Und wie passt diese Praxis zum erklärten sportpolitischen Ziel, die Gleichberechtigung im Breitensport zu fördern? Auf Anfrage widerspricht das Schul- und Sportdepartement den Erkenntnissen der Bachelorarbeit: Die Platzvergabe werde nicht gemäss der Prioritätenliste des SFV gemacht, sondern geschehe pro Sportanlage in der Stadt Zürich an der Trainingsplansitzung mit allen Vereinen, die auf einer Sportanlage trainieren. «Da für alle beim Verband gemeldeten Teams Trainingseinheiten vergeben werden können, liegt keine Ungleichbehandlung vor». 

 

Für Meret Böhni handelt es sich hierbei um eine semantische Verdrehung: «Es geht nicht um die Platzvergabe, sondern um die Verteilung». Die Ungleichbehandlung geschehe erst nach der Vergabe an die Vereine, also wenn die Vereine die Plätze an die Teams verteilen. «Hierfür müsste die Stadt Daten erheben, um sicherzugehen, dass Männer- und Frauenfussballteams von den von ihr subventionierten Vereinen gleichbehandelt werden». Aktuell erhebt das Sportamt keine solchen Daten, wie es auf Anfrage heisst. Das Sportamt scheint sich den Herausforderungen im Sport und im Fussball bewusst zu sein. Im derzeit laufenden Projekt Atleta würden bestehende Hindernisse für die Gleichstellung im Sport ermittelt und Massnahmen entwickelt, um den Mädchen- und Frauensport und damit auch den Frauenfussball zu fördern. «Und wenn die Bachelorarbeit dazu beiträgt, dass wir unseren Sportförderauftrag möglichst fair für alle Anspruchsgruppen umsetzen, dann ist das im Interesse des Sportamts». 

 

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