«Ich würde diesem Gremium noch guttun»

Der Winterthurer Nik Gugger kandidiert für die EVP für den Ständerat. Er sieht sich als Brückenbauer mit einem grossen internationalen und interkulturellen Beziehungsnetz. Dem Ständerat würde seiner Meinung nach etwas mehr Diversität guttun. Warum, erklärt er im Gespräch mit Min Li Marti. 

Nik Gugger, Sie kandidieren für die EVP für den Ständerat. Die EVP ist eine kleine Partei, die Chancen sind gering. Ist das vor allem ein Wahlvehikel für die Nationalratswahlen?

Nik Gugger: Nein, die Kandidatur ist mir sehr ernst. Ich bin seit sechs Jahren im Nationalrat, ich habe einen klaren Leistungsausweis und werde als Brückenbauer geschätzt. Das haben mir auch die Medien in einer Umfrage attestiert. Natürlich sind meine Chancen gering, aber man muss es probieren. Wer nichts wagt, der gewinnt nichts. Und natürlich habe ich auch das Ziel, für die EVP das Beste herauszuholen, mein Ziel ist es, dass die EVP einen zweiten Sitz gewinnt.

Die EVP hat im Wahlkampf vor allem Schlagzeilen gemacht, weil sie einen Kandidaten hat, der mit Abstand über das grösste Budget aller Kandidierenden verfügt.

Ich bin sehr dankbar, dass wir so engagierte Kandidierende haben. Wir haben eine 5er-Spitzengruppe, die alles geben wird, um einen Sitz zu gewinnen und das ist für die Partei gut.  

In Bern ist die EVP Teil der Mitte-Fraktion: Gelingt es der EVP überhaupt, unabhängig von der Mitte ein eigenes Profil zu entwickeln?

Die EVP ist sehr erfolgreich. Wir bringen 78 Prozent unserer Vorstösse durch. Und hier spielt die Brückenbauerfunktion, die ich am Anfang angesprochen habe, eine grosse Rolle. Wir haben mit unseren drei Sitzen eine wichtige Stellung sowohl in der Fraktion wie auch im Parlament und sind häufig auch das Zünglein an der Waage. Gleichzeitig verstehe ich unsere Rolle auch ein wenig darin, hier noch etwas den Stachel im Fleisch zu sein, wir sind gerade in sozialpolitischen und ökologischen Fragen fortschrittlicher als die Mitte. 

Warum ist die EVP nicht in der Listenverbindung mit Mitte und GLP in Zürich wie in den vergangenen Jahren?

Dies ist Ausdruck unseres Selbstbewusstseins: Wir wollen nicht nur Zudiener sein in einer Listenverbindung, sondern wir könnten ev. aus eigener Kraft einen zweiten Sitz erreichen. In unserer Listenverbindung gibt es auch weitere interessante Listen: Die ethischen Unternehmer:innen und Führungskräfte sowie die Pflegeliste. Die Pflege und das ethische Unternehmertum ist mir ein sehr grosses Anliegen. Ich verstehe nicht, warum wir als Gesellschaft diesen wichtigen Berufsgruppen nicht genügend Sorge tragen. Dann sind wir auch in einer Listenverbindung mit der Piratenpartei und zwei weiteren kleinen Parteien.

Einer Ihrer grössten Erfolge im Nationalrat ist eine Motion mit dem Anliegen, unter 16-Jährige vor pornographischen Inhalten im Internet zu schützen. Darin wurden ursprünglich unter anderem Netzsperren gefordert. Dagegen ist die Piratenpartei auf die Barrikaden. Und jetzt gibt es ausgerechnet eine Listenverbindung zwischen EVP und Piraten?

Listenverbindungen sind auch taktische Bündnisse und die Piraten erhoffen sich dadurch die Chance auf einen Sitz. Was mir wichtig ist zu betonen: Bei meiner Motion geht es nicht in erster Linie um Netzsperren, es hat auch nichts mit Prüderie zu tun. Ich möchte einfach das Bewusstsein für den Jugendschutz in diesem Bereich schärfen. Es kann ja nicht sein, dass es beim Alkohol und Zigarettenverkauf Alterskontrollen gibt, aber bei Pornographie wird nicht hingeschaut. Meine Motion wurde zudem vom Ständerat noch angepasst, so dass nicht mehr Netzsperren vorgesehen sind, sondern dass die Provider verpflichtet werden, vor Ort mit den Eltern eine App zu installieren.  

Was sind Ihre Erfolge und Schwerpunkte im Nationalrat?

Ich habe mich vor allem im Bereich Biodiversität, Jugendschutz, Cybersecurity und Sozialunternehmertum eingesetzt, dass diese Themen auf der Agenda bleiben. Der EVP war Ökologie immer sehr wichtig, und in Sachen Biodiversität ist die Schweiz nicht gut unterwegs. Denn ich setze mich immer wieder ein für Gerechtigkeit und Menschenwürde, eben auch im Internet. Für mich ist auch das Zwischenmenschliche im Rat wichtig: Ich glaube, ich konnte mir eine gute Stellung erarbeiten und werde von allen Seiten geschätzt. 

Sie sind auch Mitglied der aussenpolitischen Kommission: Wo sind da Ihre Schwerpunkte?

Hier könnte man eher von einem grossen Misserfolg reden: Wir haben kein Rahmenabkommen mit der EU und die Zukunft der bilateralen Verträge ist in der Schwebe. Das beelendet mich. Vor allem, weil wir als Parlament auch gar nicht die Gelegenheit erhalten haben, diese Frage zu beraten. Was mich hier vor allem besorgt ist, dass wir nicht Teil von Horizon sind. Der Zugang zur Forschung ist für die Schweiz wichtig und für mich ein Herzensanliegen. Ich habe als Mitglied des Europarats und als Aussenpolitiker auch viele Kontakte mit ausländischen Parlamentarier:innen und Botschafter:innen. Der Schweiz wird vorgeworfen, dass wir einfach Rosinenpickerei betreiben. Und das stösst nicht auf Gegenliebe.

Ihre Schwerpunkte sind gute Beziehungen zu Europa, Biodiversität und Gerechtigkeitsfragen: Passen Sie da überhaupt in einen Ständerat, der doch eher etwas konservativ ist?

Ganz ehrlich: Dem Gremium würde ein Brückenbauer guttun. Schon von meinem Hintergrund her. Der Ständerat braucht mehr Diversität und auch Querdenker. Ich hatte einen Vorstoss, der eine ausserordentliche humanitäre Aktion für Nothilfe beziehende Menschen aus altrechtlichem Asylverfahren forderte. Der Nationalrat hat ihr zugestimmt, im Ständerat wurde sie leider klar abgelehnt. Ich kenne mich: Wäre ich im Ständerat gewesen, hätte ich hier keine Ruhe gegeben und für dieses Anliegen versucht, eine Brücke zu bauen. 

Ständeratswahlen 2023

P.S. hat die Kandidat:innen von Links bis Mitte dazu befragt, warum gerade sie den Kanton Zürich im Ständerat vertreten sollten. Zum Abschluss der Reihe steht Nik Gugger (EVP) Rede und Antwort

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