Hinter der Sonne viel Schatten

So grossartig das Nein zur Durchsetzungsinitiative ausfiel, so schlecht waren die Resultate der kantonalen Abstimmungen aus linker Sicht. Das Ja zur Senkung der Notariatsgebühren lässt für die kommende Spardebatte nicht gerade Gutes erahnen.

 

Die SVP erzielte mit der Durchsetzungsinitiative mit 35 Prozent Ja und ohne einen einzigen zustimmenden Bezirk (Dielsdorf war mit 49,1 Prozent am nächsten) ein miserables Ergebnis. Sie gewann faktisch ihre eigenen WählerInnen – ein Zeichen, dass einiges suboptimal lief. Auf kantonaler Ebene besteht leider wenig Grund zur Freude, auch wenn man es auf der Zunge vergehen lassen kann, wenn in der Stadt Zürich die SVP mit ihrer Initiative 22 Prozent erreicht. Das Ergebnis für die Lohndumpinginitiative war mit 36,7 Prozent allerdings nicht viel besser. Auch hier gelang lediglich die Mobilisierung der eigenen Wählerschaft. Die Hoffnung, dass der Massenaufmarsch der GegnerInnen der Durchsetzungsinitiative auch den anderen Vorlagen mit einem linken Inhalt helfen könnte, erfüllte sich entschieden nicht.

 

Zahme Initiative

Am Inhalt der Initiative konnte diese entschiedene Ablehnung kaum liegen – obwohl die Antikampagne einen grossen Schaden für die Zürcher Wirtschaft plakatierte. Der zentrale Änderungspunkt bestand darin, dass eine Baustelle geschlossen werden könnte, wenn der begründete Verdacht auf Lohndumping existierte und das verdächtige Unternehmen Einblick in die Lohnbücher verweigerte. Ob diese Massnahme sehr wirksam gewesen wäre, darüber lässt sich streiten. Aber sie wäre eine mögliche Intervention gegen einen zentralen Misstand gewesen: Dumping betreiben meist eher kleine Subunternehmen, die kurz auf einer Baustelle bleiben und im Falle eines Verdachts das Verfahren mit Einblickverweigerung solange verzögern, bis sie ihre Arbeiten beendeten und verschwinden oder anderswo unter neuem Namen wieder auftauchen. Können die Arbeiten auf einer Baustelle eingestellt werden, damit dieser Trick nichts mehr nützt, haben alle Beteiligten und insbesondere Generalunternehmen ein grösseres Interesse an sauberer Arbeit.

Was gerne verschwiegen wird, respektive in der Antikampagne sogar behauptet wurde: Nicht die Unia oder die Gewerkschaften hätten die Baustelle schliessen können, sondern das Amt für Wirtschaft des Kantons Zürich, das sich bisher bei Massnahmen gegen Lohndumping nicht gerade als Vorkämpfer hervortat. Es begründete sein Nichtstun auch mit formaler Nichtzuständigkeit, was nicht nur falsch war. Die Vorwürfe der Gewerkschaft Unia an das Amt, es unternehme zu wenig, entbehrten nicht aller Grundlage. Man kann es auch anders sagen: Die beiden können es einfach nicht miteinander. Was ein Grund für die Initiative war, die etwas vorschlug, das man leicht abgewandelt gemeinsam auch ohne Initiative hätte beschliessen können.

Der Arbeitgeberverband sowie der Gewerbeverein lieferten sich mit den Initianten einen Hosenlupf, bei dem es der Unia offensichtlich nicht gelang, die Sympathien oder das Verständnis eines Teils der Mitte zu gewinnen, obwohl im Abstimmungskampf ein befürwortendes Arbeitgeberkomitee eine dominierende Rolle spielte. Das liegt sicher auch am Auftreten der Unia: So wirksam ihr Kämpfertum und ihre Entschlossenheit bei Auseinandersetzungen auf dem Bau meistens sind, so sehr kann sie mit ihrem Besserwissertum, ihrer Aggressivität und Skandalisierungslust (Lohndumping ist eine Sauerei, aber nicht der grösste Skandal) Widerspruch wecken. Bei den anderen Gewerkschaften, die sie mitunter sehr unfreundlich behandelt, und logischerweise erst recht beim Gegner.

Die Arbeitgeber schätzten die Initiative offensichtlich als gute Gelegenheit ein, der Unia aufs Dach zu geben, und sie lagen mit dieser Einschätzung richtig. Es zeigte sich dabei nicht das erste Mal ein Mechanismus: Wer aus einer Differenz innerhalb eines im Prinzip unbestrittenen Ziels (hier die Bekämpfung des Lohndumpings) eine Initiative lanciert, verliert diese meistens. Weil es meist nicht gelingt, den Unbeteiligten (also der Mehrheit der Abstimmenden) die Notwendigkeit klar zu machen.

Das Nein zur Lohndumpinginitiative ist das Eine. Das Gravierendere besteht darin, dass die Initiative auch in den linken Quartieren sehr mässig abschnitt.

 

Grundbuchgebühren

Die Senkung der Grundbuchgebühren von 1,5 auf 1 Promille, was vor allem bei grossen Verkäufen, wie sie die CS mit ihrem Uetlihof betrieb, wirklich ins Gewicht fällt, kam mit 292 187 gegen 215 036 Stimmen oder einem Ja-Anteil von 57,6 Prozent durch. Obwohl die Regierung hier dagegen war, was sie allerdings im Abstimmungskampf ziemlich verschwieg.

Diese Abstimmung litt – zumindest was die Aufmerksamkeit betrifft – ganz sicher unter der Durchsetzungsinitiative. Den GegnerInnen, SP, Grünen, AL und EVP fehlten die Kapazitäten. So setzten sich die bürgerlichen Parteien klar durch. Das ist an sich nichts Spezielles in einem bürgerlichen Kanton. Aber es gibt zu denken, wenn sich beispielsweise viele Betroffene gegen Einsparungen bei der Bildung wehren und dann 14 bis 15 Millionen Franken Einnahmen verschenkt werden. Dieses Geld, sagte Regierungsrätin Carmen Walker Späh zurecht, muss nun bei der Leistungsüberprüfung zusätzlich berücksichtigt werden. Das Resultat ist deutlich besser als beim Lohndumping, aber es zeigt eines sehr deutlich: Will die Linke via Volksabstimmung Sparübungen verhindern, startet sie aus der zweiten Reihe. Sie verlor hier ein selbst ergriffenes Behördenreferendum ohne Einsatz und schwächte damit ihre Position. Ähnliches gilt auch bei der Bekämpfung des Lohndumpings. Wobei hier der Schaden besser repariert werden kann. Lohndumping will im Prinzip niemand, und so lässt sich eine Gemeinsamkeit nach dem Verschwinden des Pulverdampfes eher finden.

Beim Sparen sieht es etwas anders aus. Das betreiben die bürgerlichen Parteien teilweise um des Sparens willen, und die Linke bemüht ihre Hirnzellen auch nicht gerade, um eine wirklich gute alternative Finanzpolitik zu betreiben. Der Fluch dabei: Die Rechte, das bewies dieser Sonntag, kann sich die Mühe eher schenken, da sie die Mehrheit nicht gewinnen muss, sondern nur verlieren kann.

 

Bildungsinitiative

Weil ich bereits bei der Präsentation der Bildungsinitiative, die auf den Verzicht der Gebühren für die Universitäten und die Fachhochschulen hinauslief und um die 100 Millionen Franken gekostet hätte, schrieb, diese leiste kaum einen relevanten Beitrag zur Chancengleichheit, kann ich heute mit gutem Gewissen meinen, dass sie ein Vorstoss zur falschen Zeit war. Als die linken Jungparteien und Studentenorganisationen sie lancierten, sprach man noch nicht wie heute von einem grossen Sparprogramm, das auch die Bildung nicht verschont. Dennoch konnte man sich schon damals einige Massnahmen vorstellen, die zur Chancengleichheit mehr beitrügen als das Streichen der für viele durchaus ins Gewicht fallenden Gebühren. Das gilt umso mehr zu einem Zeitpunkt, in dem neue Ausgaben auch in der Bildung kaum realisierbar sind. Das Nein war mit 24,8 Prozent überdeutlich und beschränkte sich keineswegs auf die bürgerlichen Wahlkreise. Die 34,3 Prozent in der Stadt Zürich zeigen, dass nicht einmal die linke Wählerschaft geschlossen dafür stimmte. Kein einziger Stadtkreis stimmte zu, und das ist so etwas wie eine Höchststrafe. Es ist gut, dass die Jungsozialisten sich nun auf das Verhindern von Sparmassnahmen im Bildungsbereich konzentrieren. Wobei man sich auch hier überlegen kann, ob Verschiebungen innerhalb des Bildungsetats Sinn ergeben.

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