- Winterthur
Genauer gehts kaum
Das Budget für das vergangene Jahr der Stadt Winterthur sah ein minimales Defizit von zwei Millionen Franken bei Ausgaben von rund 1,933 Milliarden Franken vor. Am Schluss des Jahres waren es nun aber 2,9 Millionen Franken Defizit – eine Verschiebung, die sich nicht einmal in Promille klar beziffern lässt. Ein präziseres Ergebnis geht – bei all den Unwägbarkeiten einer öffentlichen Verwaltung – kaum mehr. Während andere Finanzchef:innen eine Vorliebe dafür haben, Ausgaben zu hoch und/oder Einnahmen zu tief zu budgetieren, um dann stolz einen gegenüber dem Budget verbesserten Abschluss präsentieren zu können, ist Kaspar Bopps Philosophie erfreulich wirkungsorientiert.
Soziales vs. Schule & Betreuung
Eine wesentliche Veränderung der Rechnung gegenüber dem Budget ist im Sozialbereich festzustellen: Hier fielen die Ausgaben um rund neun Millionen Franken geringer aus als vorgesehen. Dies u.a. auch als Folge der von Sozialstadtrat Nicolas Galladé initiierten engeren Begleitung der Sozialhilfebezüger:innen, welche dazu geführt hat, dass mehr Leistungen als erwartet weiterverrechnet werden konnten. Keinen Vorwurf kann man andererseits dem Departement Schule und Sport für die deutliche Budgetüberschreitung von 14 Millionen Franken machen: Diese sind einerseits auf vor allem auf Lohnerhöhungen für Lehrpersonen zurückzuführen, die vom Kanton Zürich beschlossen wurden, andererseits nicht zuletzt auf die Beliebtheit der städtischen Betreuungen: Sie konnten eine erfreuliche Zunahme von 13 Prozent Betreuungsstunden verbuchen, was sich dafür in höheren Ausgaben niederschlug. Bereits 2022 war in diesem Bereich eine Zunahme von elf Prozent zu verzeichnen. Auch die beiden Brände einer Turnhalle und eines Kindergartens führten zu unvorhersehbaren Mehrausgaben.
Private vs. Unternehmen
Deutlich wird bei der Rechnung 2023, wie der Anteil der Firmen am Steuerertrag gegenüber demjenigen der natürlichen Personen weiter abnimmt. «Firmen haben vielfältige Möglichkeiten, ihre Steuern zu entrichten, sodass die deutliche Abnahme der Unternehmenssteuern erklärt werden kann. Auch die verschiedenen Steuersenkungen sind deutlich spürbar», hielt Kaspar Bopp dazu fest. Winterthur wehrt sich denn auch gegen weitere Steuersenkungen für Unternehmen, wie sie der kantonale Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) vorsieht. Diese würden zu einer weiteren Abnahme von Unternehmenssteuern im Bereich von zehn Millionen Franken führen, hielt Bopp fest. «Wir stehen in einer dringenden Erneuerungswelle der städtischen Infrastruktur», hielt Kaspar Bopp zu den Investitionen fest. Die in den 1980er- und 1990er-Jahren erfolgten Infrastrukturbauten müssten in den nächsten Jahren erneuert werden. Zudem wurden im Rahmen von Sparbemühungen verschiedene Investitionen aufgeschoben. Investiert wurden im letzten Jahr insgesamt rund 150 Millionen Franken, vor allem in Schulung und Betreuung. Diese Investitionen konnten nicht vollständig aus eigenen Mitteln bestritten werden, sodass die Nettoverschuldung der Stadt Winterthur leicht angestiegen ist. Trotzdem will Kaspar Bopp momentan kein neues «Sparpaket» erarbeiten: «Wir müssen unsere Ausgaben und Investitionen laufend kontrollieren, priorisieren und im Einklang mit den verfügbaren Mitteln arbeiten», sagte er.
Kommentar
Wenig überraschend sind die Stellungnahmen von Seite der bürgerlichen Parteien kritisch. Kritisiert wird etwa das durch den Kanton verursachte Ausgabenwachstum bei der Schule, oder die Mindereinnahmen bei den Steuereinnahmen der juristischen Personen, welche die Folge einer «verfehlten Wirtschaftspolitik» seien – und nicht etwa der unternehmensfreundlichen Steuerpolitik. Gefordert wird ein Sparpaket – wie wenn die Erfahrungen mit den bisherigen Sparpaketen eine nachhaltige Wirkung gezeigt hätten – im Gegenteil. Der jetzige Investitionsbedarf ist nicht zuletzt ein Folge früherer Sparpakete. Dieser rein ideologischen Sichtweise von SVP bis Mitte gegenüber wirkt die nüchterne Haltung Bopps direkt wohltuend. Ein positiver Abschluss ist kein Götze, dem gehuldigt wird, sondern im Zentrum der Verwaltungstätigkeit stehen die Bedürfnisse der Bewohner:innen. Und für diese hat der Stadtrat mit den verfügbaren Mitteln möglichst viel herauszuholen versucht.