Gemeinsam innerhalb der planetaren Grenzen leben

Der neue Verein «IG Klimagenossenschaft» möchte dereinst eine ‹richtige› Genossenschaft gründen, in der die Menschen klimagerecht zusammenleben.

Seit der Gründungsversammlung vom letzten Samstag gibt es in Zürich einen neuen Verein. Hinter dem Verein IG Klimagenossenschaft stehen dieselben jungen und alten Menschen, die sich vor mehr als einem Jahr in der gleichnamigen losen Gruppierung zusammengetan hatten. Sie wurden unter anderem mit ihrer Idee bekannt, in den ehemaligen Personalhochhäusern des Triemlispitals  planetengerecht zu wohnen. Die Idee einer solchen «neuen Nachbarschaft», die eine klimaverträglich und nachhaltig lebende Gemeinschaft von rund 500 Menschen umfassen würde, haben sie der seit über zehn Jahren bestehenden Bau- und Wohngenossenschaft NeNa1 abgeschaut, über die P.S. am 14. Februar 2013 berichtete.

Auch der Zürcher Gemeinderat hat sich schon mit dieser Idee beschäftigt: Die Motion von Grünen, SP und GLP, mit der sie die «Abgabe eines Grundstücks oder einer Liegenschaft im Baurecht an eine klimagerechte Genossenschaft» forderten, wurde an der Ratssitzung vom 23. August 2023 diskutiert. Dominik Waser (Grüne) begründete sie unter anderem damit, die Genossenschaft solle als «Reallabor» dienen, «mit dem aufgezeigt werden kann, wie in der Stadt in Zukunft innerhalb der planetaren Grenze gelebt und gebaut werden kann». Die Motion wurde mit 68 gegen 37 Stimmen überwiesen. Dominik Waser und Serap Kahriman (GLP) hatten zusätzlich ein Postulat eingereicht, mit dem sie die «Abgabe der Personalhäuser beim Triemli für ein Projekt einer klimagerechten Genossenschaft» verlangten. Dieses behandelte der Gemeinderat an seiner Sitzung vom 8. November 2023. Es wurde jedoch abgelehnt, da die SP dieses Mal nicht mitmachte.

Gemeinsam mit Geflüchteten

Letzte Woche teilte der Zürcher Stadtrat nun mit, dass die drei ehemaligen Personalhäuser des Stadtspitals Zürich auf dem Triemli-Areal bis 2040 stadtintern genutzt werden sollen: Die zwei bereits seit März 2022 als Übergangszentren für geflüchtete Menschen genutzten Häuser sollen weiterhin demselben Zweck dienen. Aktuell leben dort rund 300 Menschen, die aus verschiedenen Ländern geflüchtet sind. Der Stadtrat erwähnte in seiner Mitteilung auch die «umfassende Machbarkeitsstudie», die er in Auftrag gegeben hatte und die im Sommer 2023 veröffentlicht worden war. Sie zeige auf, «dass für jegliche Nutzung mit hohen Investitionen zu rechnen ist, auch wenn lediglich das bewilligungstechnisch zwingend Notwendige realisiert wird».

Und damit zurück zum neu gegründeten Verein: Was fängt er mit dieser Mitteilung an? Gründungsmitglied Thomas Raoseta hält auf Anfrage fest, die Situation habe sich verändert, indem nun auch in Zukunft geflüchtete Menschen in den Hochhäusern leben sollen. Doch das sei kein Grund, die eigene Idee beziehungsweise deren Verwirklichung an diesem Standort aufzugeben, im Gegenteil: «Es ist die bessere Idee, zusammen mit den geflüchteten Menschen etwas aufzubauen, als sie dort wie in einem Ghetto leben zu lassen. Wir sind offen für eine gemeinschaftliche Nutzung.» Einen weiteren Grund dafür, ein Zusammengehen mit den geflüchteten Menschen ins Auge zu fassen, sieht Thomas Raoseta im ökologischen Fussabdruck: Viele dieser Menschen kämen aus Gegenden, in denen der Fussabdruck des Einzelnen viel kleiner sei als jener der Durchschnittszürcher:innen – und viel Geld, das sie hier für potenziell Klimaschädliches ausgeben könnten, hätten sie normalerweise auch nicht. Wir könnten uns deshalb von ihnen abschauen, was wir längst hätten lernen müssen, nämlich, uns «ein bisschen zu mässigen». Und wohnen müssten bekanntlich alle.

Neue Ideen «ohne Raum­verschwendung»

Sorgen macht ihm aber die Sanierung, beziehungsweise dass die erwähnte Machbarkeitsstudie auf Kosten von rund 85 Millionen Franken gekommen ist. Dabei seien die Häuser doch «guet zwäg», und es müsse hauptsächlich beim Brandschutz nachgerüstet werden: «Bricht man diesen Betrag herunter, ergeben sich Zimmerpreise, die jenseits von gut und böse sind.» Der Verein Klimagenossenschaft habe an der Gründungsversammlung vom Samstag deshalb auch Ideen gewälzt, wie sich die Häuser etwas geschickter umnutzen liessen, namentlich ohne «Raumverschwendung», wie sie durch einen Leerstand der Zimmer oberhalb der Hochhausgrenze entsteht. Zudem habe sich, zumindest potenziell, eine neue Perspektive aufgetan, seit die Frauenklinik ins sanierte Hauptgebäude integriert und dort Anfang März neu eröffnet wurde.

Die Suche nach einem Standort will der Verein aber auch unabhängig davon weiterführen, wie es im Triemli weitergeht: «Mit der Klimakrise rennt uns die Zeit davon. Ziel ist es, möglichst rasch zu zeigen, wie es sich mit einem Planeten mitten in Zürich gut leben lässt», sagt Thomas Raoseta. Auch nach der Mitteilung des Stadtrats zum Wohnraum für geflüchtete Menschen auf dem Triemli-Areal sei noch nicht alles in trockenen Tüchern: «Der Prozess geht weiter.»

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