- Im Kino
Geister
Milena Engels (Nicolette Krebitz) hilft den Armen Afrikas sich zu entwickeln, Tim Engels (Lars Eidinger) textet schmissige Slogans für Greenwashing, Jon Engels (Julius Gause) ist ein Gamecrack und Frieda Engels (Elke Biesendorfer) ist ein Partyanimal. Sie sind alle dermassen beschäfigt ergo wichtig, dass ihnen die tot in ihrer Küche zusammengebrochene Haushaltshilfe erst auffällt, als sie im Wortsinne drübersteigen müssen. Der Anstandsbesuch an ihrer Beerdigung offenbart einen dezidiert heuchlerischen Unterton dieser allgemein offensiv vor sich hergetragenen Selbstgefälligkeit. Und damit noch nicht genug. In einer Art modernem Hypermärchen erzählt Tom Tykwer mit «Das Licht», wie sehr diese Unbekümmertheit weitreichende Folgen für andere zeitigt. Milena etwa muss sich von ihrem Diplomatenpartner Godfrey (Toby Onwumere), mit dem sie das gemeinsame Kind Dio (Elyas Eldridge) hat, regelrecht schmerzlich vorführen lassen, wie sehr ihre Hilfsperspektive auf rassistisch-kolonialem Gedankengut fusst. Tim benötigt die eigene berufliche Wegrationalisierung, um erstmals darüber nachdenken zu können, in welch absurdem Zwiespalt er sich bequem eingerichtet hat. Eine Wendung bringt die syrische Geflüchtete Farrah (Tala Al-Deen), die wegen ihrer traumatischen Kriegserlebnis- und Fluchtgeschichte einfach einer simplen Tätigkeit nachgehen möchte und zur neuen Haushaltshilfe der Engels wird. Mit im Gepäck hat sie eine neuartige Tageslichttherapieleuchte, mit der sie gegen die eigenen Geister vorgeht, ihren Mitbewohnerinnen ebenfalls dabei hilft und bald einmal auch die Engels damit in Richtung einer fundamentalen Transformation lockt. Inhaltlich verknüpft Tom Tykwer ein modernes Bewusstwerdungsmärchen mit der Form eines berauschenden Bildertanzes, was in Summe eine anspielungsreiche Standpauke an die sogenannt moderne Gesellschaft mit urbanem, gebildetem, mitteleuropäischem Selbstbewusstsein ergibt. Ein Wink mit aufgehübschtem Zaunpfahl.
«Das Licht» spielt in den Kinos Frame, Movie.