Faire Löhne sind wichtiger als hohe Löhne

Den kantonalen Angestellten ist neben ihrem eigenen Lohn in erster Linie die Lohnfairness aller und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig. Dies zeigt eine vom Schweizerischen Verband des Personals öffentlicher Dienste Zürich veröffentliche Studie. Was ihnen sonst noch auf dem Herzen liegt, erzählt Andreas Daurù, Präsident VPOD Sektion Zürich Kanton, im Gespräch mit Julian Büchler.

 

Seit 2010 herrscht Lohnerhöhungs-Stopp auf kantonaler Ebene. Wieso kommt der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste Zürich (VPOD) erst jetzt, fast acht Jahre später, mit seinen Forderungen?

Andreas Daurù: Es ist nicht so, dass wir erst jetzt mit Lohnforderungen kommen. In den letzten sechs bis sieben Jahren haben wir den Kantonsrat mehrmals darauf hingewiesen, dass die Angestellten eine Lohnentwicklung zugute haben. Dies geschah mehrheitlich in Form von Medienmitteilungen und persönlicher Gespräche, die nicht bis zur breiten Öffentlichkeit durchgedrungen sind. Des Weiteren werden wir als offizieller Sozialpartner des Kantons vom Personalamt jährlich angefragt, welche Lohnvorstellungen wir haben, und haben dadurch eine gute Plattform, unsere Forderungen mitzuteilen. Meistens erreichen wir damit leider nicht die gewünschten Resultate, sodass wir wie jetzt mit lauteren Forderungen auf uns aufmerksam machen.

 

Was beabsichtigt der VPOD des Kantons Zürich damit, geht es um mediale Aufmerksamkeit oder können wir weitere Massnahmen erwarten, falls der Kanton stur bleibt?

Wir müssen uns sicherlich von Seiten der Gewerkschaften überlegen, weitere Massnahmen zu ergreifen, da in den letzten Jahren wenig bis gar nichts passierte. Das war auch die Überlegung hinter der Lohnumfrage. Anstatt nur unsere üblichen Lohnforderungen zu verschicken, wollten wir diese aktiv untermauern und zeigen, dass auch die Angestellten selbst nicht zufrieden sind. So gesehen war es gewollt, damit auch mehr mediale Aufmerksamkeit zu generieren und aufzuzeigen, dass die Beanstandungen keine Erfindungen der Gewerkschaften sind, sondern auch von den Angestellten so wahrgenommen werden.

 

Welche konkreten, weitergreifenden Massnahmen sind denn in Planung?

Wir überlegen uns sicherlich auch, in naher Zukunft grösser zu mobilisieren in Form von Kundgebungen, wie wir dies bereits damals im Jahr 2010 taten, als mehrere tausend Angestellte gegen die dreiprozentige Lohnsenkung auf die Strasse gingen. Mit einer solch umfangreichen Kundgebung könnten die Angestellten auch wieder einmal aufzeigen: Jetzt ist genug! Wir werden aber auch anderweitig dran bleiben mit konkreteren Forderungen, beispielsweise nach Gesamtarbeitsverträgen im Bereich der öffentlich-rechtlich selbstständigen Anstalten. Dort sehen wir Potenzial bei der Einführung einer fünften Ferienwoche, etwa bei den Spitälern, die zu öffentlich-rechtlichen Anstalten werden oder bereits solche sind. In der Sozialpartnerschaft wollen wir gemeinsam mit den vereinigten Personalverbänden VPV versuchen, geeint und stärker aufzutreten, um auf die Lohnproblematik aufmerksam zu machen und Taten statt Worte zu erwarten.

 

Sie sprechen die kürzlich veröffentlichte Studie mit dem Titel «Taten statt Worte» des VPOD an, die sie am vergangenen Dienstag den Medien präsentiert haben. Darin ist auch zu lesen, dass nur etwas mehr als 15 Prozent der Umfragebögen zurückgekommen sind; wie erklären Sie sich das?

Grundsätzlich war es uns nur möglich, unsere Mitglieder und andere Adressen, die wir bspw. bei der BVK-Kampagne gesammelt haben, anzuschreiben. Das bedeutet, dass wir leider gar nicht erst alle Angestellten erreichen konnten. Dies ist ein grundlegenderes Problem von uns Gewerkschaften, dass wir weder physisch noch per Mail mit allen Angestellten Kontakt aufnehmen können. Da bleiben wir dran. Hinzu kam, dass aus unserem Reservoir an E-Mail-Adressen einige auch veraltet und nicht mehr aktuell waren, was sich auch auf den Rückfluss auswirkte. Bei den ausgefüllten Umfragen waren wir am Anfang erstaunt, wie viele innerhalb kürzester Zeit zurückkamen, nachdem wir sie abgeschickt haben. Natürlich ist eine höhere Rücklaufquote immer wünschenswert. Wir haben einerseits keinen Reminder verschickt, was sicherlich bei einigen dazu geführt hat, dass unser Mail vergessen ging. Nach vergleichsweise kurzer Zeit haben wir denn auch angefangen, die Resultate auszuwerten, da es uns wichtig war, das Thema vor der Budgetdebatte anzureissen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Rücklaufquote mit mehr Zeit und einem Reminder höher gewesen wäre. Ich muss aber auch zugeben, dass wir mit den doch knapp 16 Prozent, was in absoluten Zahlen fast 3200 Antworten entspricht, zufrieden sind. Es hat sich gezeigt, dass wir auch mit dieser Anzahl Antworten ein breites Spektrum abdecken konnten – die verschiedensten Verwaltungszweige wie auch die Lohnklassen waren vertreten, was für unsere Studie trotz geringem Rücklauf eine aussagekräftige Basis brachte. Somit gelang es uns mit der Studie zu beleuchten, wie es den Angestellten in den verschiedenen Bereichen des Kantons geht.

 

Hätte sich an der Studie Ihrer Meinung nach etwas verändert, wenn die Rücklaufquote höher gewesen wäre?

Das ist sehr schwierig zu prognostizieren. Wir sind der Ansicht, dass dem nicht so ist, weil die Ergebnisse aus allen Lohnklassen, Dienststellen, Alter, Geschlecht und Dauer des Anstellungsverhältnisses usw. kam. Sie ergeben so ein gutes Bild über den ganzen Kanton hinweg. Somit glauben wir, dass sich vom Grundtenor nicht viel geändert hätte.

 

Sie vermitteln den Eindruck, dass mehr als ein Viertel an Rücklaufquote nicht realistisch ist. Kann man daraus nicht schliessen, dass das Thema Lohn bzw. Lohnerhöhung die Leute weniger beschäftigt und ihnen nicht mehr unter den Nägeln brennt?

Ich glaube nicht. Theoretisch müssten wir die Möglichkeit haben, einen Grossteil der Angestellten zu mobilisieren und deutlich mehr Angestellte auf die Strasse zu bringen. Klar kann man hier heruminterpretieren und sich fragen, wie fest die Angestellten sich daran stören und ob es ihnen zu gut geht oder gleichgültig geworden ist, sodass sie sich nicht aktiv dagegen wehren. Ob eine generelle Müdigkeit herrscht, konnten wir in der Studie nicht zeigen. Wir haben aber neben dem Thema Lohn auch andere Bereiche befragt. Grundlegend ist mein Eindruck jedoch nicht, dass die Leute müde sind. Wenn man andere Umfragen anschaut, zeigen sich oft schlechte Rücklaufquoten, die, gerade wenn die Umfragebögen per Mail versendet werden, auch damit erklärt werden, dass viele Angestellte im Arbeitsalltag überfüllte Posteingänge haben und einzelne Mails in der Masse untergehen. Darum glauben wir auch, dass die Quote mit einem Reminder, der die Menschen ein zweites Mal erinnert hätte, etwas höher gewesen wäre.

 

In der Studie haben viele der teilgenommenen Angestellten über das Thema Lohn geklagt. Wie sieht es denn mit den anderen Punkten aus, ist unser Kanton generell ein attraktiver Arbeitgeber?

Wir haben in unserer Umfrage gezielt gefragt, was den Angestellten neben dem Thema Lohn besonders wichtig ist. Dort war klar ersichtlich, dass die Lohnfairness eine Rolle spielt. Es geht vielen nicht nur um den Lohn an sich, sprich um den Betrag, der jeder einzelne am Ende des Monats auf dem Konto hat, sondern dass die Verteilung fair vonstattengeht. Wir konnten herauslesen, dass die Angestellten selbstverständlich gleichen Lohn für gleiche Arbeit wollen, unabhängig vom Geschlecht oder anderen Kriterien. Somit war vielen auch die Transparenz um die Lohnfairness wichtig. Als zweiter wichtiger Punkt kam der Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Spannend ist, dass der Wunsch nach mehr Ferien nur auf dem vierten Platz zu finden war und somit als weniger wichtig als der Lohn oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erachtet wird.

 

Wie ist denn die Zufriedenheit der Angestellten in den genannten Punkten?

Die Zufriedenheit haben wir nur in Bezug auf den Lohn erfragt. Die Frage nach weiteren wichtigen Punkten war für uns mehr eine Standortbestimmung, was die Angestellten bewegt. Damit konnten wir einen Einblick erhalten, welche Themen neben oder auch anstelle des Lohns noch unter den Nägeln brennen. Auf die Zufriedenheit der Angestellten in Bezug auf die angesprochenen Punkte sind wir in der Tat nicht eingegangen, was aber im Nachhinein sicherlich spannend gewesen wäre.

 

Lohnerhöhungen sind im Gegensatz zu früher seltener geworden. Herrscht eine generelle Faulheit der ArbeitgeberInnen, dass sie sich gar nicht mehr bemühen, eine Lohnerhöhung anzustreben?

Diese Tendenz, dass generelle Lohnerhöhungen ausser Mode gekommen sind, nehmen wir in vielen Bereichen war. In letzter Zeit beobachten wir, dass viele wirtschaftliche Ereignisse als Vorwand benutzt werden, nicht mehr Lohn bezahlen zu müssen. Gerade der starke Franken, der es den Unternehmen verunmögliche, mehr Lohn zu bezahlen, ist hier eines der Hauptargumente. Es hat sich in letzter Zeit die Mentalität eingeschlichen, dass man jetzt zuerst schauen müsse, dass es in erster Linie dem Unternehmen nicht schlechter gehe und somit die Lohnerhöhungen von Anfang an in weite Ferne gerückt sind. Dies ist paradox, gehen doch die Ökonomen trotzdem von einer leichten Zunahme des Bruttoinlandproduktes aus. Für kommendes Jahr sind zwei Prozent Zuwachs prognostiziert, auch die Dividenden vieler GrossunternehmerInnen sind bestens und den Aktionären konnten stets gute Gewinne ausbezahlt werden. Wir haben das Gefühl, dass die ArbeitgeberInnen durch ihre stetige Klagerei profitieren und sich und den Aktionären Geld ausbezahlen können, währendem den Arbeitnehmenden unter dem Vorwand schlechter Rahmenbedingungen und starker Konkurrenz eine Lohnerhöhung verweigert wird. Uns als Gewerkschaft ist es wichtig, dies aufzuzeigen und dagegen anzukämpfen.

 

Die Tendenz, dass der Kanton Geld auf Kosten der Schwächsten spart, wie beispielsweise vor kurzem bei der Streichung der Sozialhilfe für vorläufig Aufgenommene, ist sichtbar und spürbar. Müsste der VPOD da nicht noch viel stärker dagegentreten?

Wir erkennen diese Tendenz, dass immer mehr Menschen unter diesem Spardruck leiden, als Gewerkschaft liegt unser Fokus jedoch primär auf den eigenen Mitgliedern bzw. auf den Angestellten des Kantons. Der Sozial- und Asylbereich ist für eine Gewerkschaft sicherlich auch wichtig, wir engagieren uns gerade im Bereich Care-Migration aktiv. Hier steht nun aber wie gesagt das Personal des Kantons im Fokus, was aber nicht heisst, dass uns die gesamtgesellschaftliche soziale Sicherheit nicht interessiert.

 

Die Bürgerlichen wollen an allen Ecken und Enden sparen, ist es da nicht auch ein Stück weit ‹normal›, dass auch bei den Kantonsangestellten gespart wird und müssen diese nicht froh sein, dass es nur um Verweigerungen von Lohnerhöhungen und nicht um Senkungen oder gar Entlassungen geht?

Der erste Punkt, der uns vom VPOD stört, ist derjenige, dass wir nicht nachvollziehen können, warum unser Kanton überhaupt so sehr sparen soll. Gerade der Kanton Zürich steht finanziell alles andere als schlecht da, das sieht man auch an der Rechnung 2016, wo der Kanton massiv besser abgeschnitten hat als ursprünglich budgetiert. Aus einem budgetierten Minus wurden plötzliche 390 Millionen Plus. Für nächstes Jahr ist ein Plus von 76 Millionen prognostiziert. Somit klagen wir auf einem sehr hohen Niveau, auch wenn es einzelne defizitäre Jahre gab. Auch beim Vergleich auf nationaler Ebene steht unser Kanton sehr gut da. Die Frage, ob wir diese Sparmassnahmen allesamt brauchen, beantworte ich mit einem klaren Nein. Wenn aber nun gespart werden soll, auch im Rahmen der Leistungsüberprüfung 2016, die den mittelfristigen Ausgleich ‹retten› will, dann sind wir der klaren Ansicht, dass die Angestellten bereits überdurchschnittlich viel an die Sparmassnahmen geleistet haben und somit entlastet werden müssen.

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.