«Die Privatisierung und das Gewinnstreben schaden der Versorgung und verteuern das Gesundheitswesen»

Im P.S. vom 19. Januar war das Referendum der Gewerkschaft VPOD gegen eine Reform der Finanzierung im Gesundheitswesen Thema, die eine «einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen», kurz EFAS, beinhaltet. Es gibt aber auch linke Gründe, die für diese Vorlage sprechen. Die beiden Gesundheitspolitikerinnen Barbara Gysi und Sarah Wyss* nehmen Stellung. 

Um es vorwegzunehmen: Das Gesundheitswesen ist krank, die Privatisierung und das Gewinnstreben schaden der Versorgung und verteuern das Gesundheitswesen. Leidtragende sind alle: Patient:innen, Fachpersonen, im Besonderen Pflegende, aber auch Prämienzahlende. Denn es gibt eine Fehlversorgung und der Druck auf das Personal ist riesig.

Mit EFAS sollen ambulante und stationäre Leistungen mit dem gleichen Schlüssel finanziert werden – 73,1 Prozent über die Krankenkassen, 26,9 Prozent über die Kantone. Bislang wurden die ambulanten Leistungen nur von den Krankenkassen (also via Prämien), die stationären Aufenthalte zu mindestens 55 Prozent von den Kantonen und der Rest über die Prämien finanziert. In der Langzeitpflege (Spitex und Pflegeheime) tragen die Kantone für einen Teil der Pflegekosten, der nicht über die obligatorische Krankenversicherung getragen wird, dieser Anteil ist unterschiedlich hoch und teils auf die Gemeinden verlagert worden.

EFAS löst die grundsätzlichen Probleme des Gesundheitswesens nicht. Aber es reduziert einen für die Versorgung sehr wichtigen Fehlanreiz: Nämlich, dass die Behandlung (ambulant oder stationär) medizinisch begründet wird und nicht damit, was finanziell lukrativer ist, so wie es derzeit häufig der Fall ist. Damit wird die Qualität der Behandlungen verbessert. Die Mittel – personelle wie finanzielle – werden effizienter eingesetzt. EFAS unterstützt zudem auch die integrierte Versorgung. 

Drei Argumente werden von den Referendumsanführenden immer wieder ins Feld geführt. 

Öffentliche Gesundheitsversorgung ist gefährdet: Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist gefährdet, ja. Aber das hat wenig mit EFAS zu tun, sondern mit den Vergütungsmodellen und der Privatisierung von 2009 mit der Spitalfinanzierung und ab 2011 der Einführung der Vollkostenrechnung in der Langzeitpflege. Die Kantone bleiben weiterhin für die Versorgung zuständig. Sie können übrigens seit 2021 neu auch im ambulanten Bereich steuern. Die Kantone nehmen zudem mit EFAS Einsitz in der Organisation, die die Gelder zur Begleichung der Rechnungen an die Krankenkassen leitet.

Prämienexplosion und ungerechte Kopfprämien: Ja, die Kopfprämien sind ungerecht. In einem ersten Schritt stimmen wir deshalb im Juni 2024 über die SP-Prämienentlastungsinitiative ab. Aber das Ziel muss sein, dass wir künftig einkommensabhängige Krankenkassenprämien haben! Dafür setzen wir uns ein. Die Zeit dafür ist – hoffentlich bald – reif. Ob mit oder ohne EFAS: Die Prämien werden weiter steigen. Ob die Erhöhung stärker ist mit oder ohne EFAS, darüber gibt es derzeit unterschiedliche Einschätzungen, und dies aufgrund folgender Fakten: Zwar ist die Langzeitpflege inbegriffen (diese wurde früher stärker durch Steuergelder finanziert), aber eben auch die ambulanten Behandlungen, welche früher zu 100 Prozent durch Prämien finanziert wurden. Wenn die Ambulantisierung stärker steigt, wie es aktuell der Fall ist, dann ist es zielführend, dass auch der ambulante Teil nicht einzig über die Prämien bezahlt wird. Denn diese Ambulantisierung hat in den letzten Jahren zu zusätzlichen Belastungen der Prämienzahlenden geführt, die weitergehen werden. 

Sparmassnahmen zulasten des Personals: Diese Sparmassnahmen finden und fanden statt. Die Umsetzung der Pflegeinitiative geht uns zu langsam voran, vor allem auch in den Kantonen. Unverständlich angesichts der aktuellen Situation der Pflegenden, aber auch aus Versorgungssicht. Immerhin ist es gelungen in der EFAS-Vorlage reinzubringen, dass es zwingend kostendeckende Tarife braucht für die Pflege. Zudem wird der Bundesrat diesen Frühling die zweite Etappe mit der Umsetzung mit den Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in die Vernehmlassung geben.

Klar ist aber, dass es für die Umsetzung von EFAS ein sehr wachsames Auge braucht. Eine Evaluation ist darum vorgesehen. Auch die finanzielle Entwicklung wird verfolgt, und sollte es eine einseitige Lastenverschiebung geben, dann muss der Kostenverteiler Krankenkassen – Kantone angepasst werden. 

Kurzum: EFAS löst viele Probleme im Gesundheitswesen nicht. Wir brauchen endlich die vollständige und gute Umsetzung der Pflegeinitiative, eine patientenzentrierte Finanzierung dank Qualität statt Quantität und eine überregionale Planung. Gesundheit muss wieder ein Service public werden. Und trotzdem ist es aus unserer Sicht richtig, mit EFAS einen Teil der Fehlanreize zu beseitigen, EFAS deshalb zu unterstützen und auf diesem Fundament weitere Verbesserungen anzugehen.

Statt die Kräfte in ein Referendum zum Erhalt des problematischen Status quo zu stecken, sollten wir besser die ganze Kraft in die Umsetzung der Pflegeinitiative, für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen setzen und am 9. Juni die gefährliche Volksinitiative der Mitte für eine Kostenbremse im Gesundheitswesen bekämpfen. Übrigens positioniert sich der Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK) nicht zum Referendum und hat für eine allfällige Abstimmung Stimmfreigabe beschlossen. Er fokussiert sich voll auf die Umsetzung der Pflegeinitiative.

*Barbara Gysi ist SP-Nationalrätin aus Wil SG, Sarah Wyss SP-Nationalrätin aus Basel-Stadt

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