«Die Europapolitik ist eines meiner Steckenpferde»

Wie bereits 2019 kandidiert GLP-Nationalrätin Tiana Angelina Moser auch dieses Mal für den Ständerat. Was sie an der kleinen Kammer reizt und was sie dort gern erreichen möchte, erklärt sie im Gespräch mit Nicole Soland.

Sie haben bereits vor vier Jahren für den Ständerat kandidiert, ohne Erfolg: Warum versuchen Sie es erneut?

Tiana Angelina Moser: Damals hatten wir eine andere Ausgangslage, es wurde kein Sitz frei. Ich bin seit bald 16 Jahren Nationalrätin und seit über zwölf Jahren Fraktionspräsidentin. Ich bin eine der erfahrensten Zürcher:innen im nationalen Parlament, und ich bin breit vernetzt. Beides käme mir als Ständerätin zugute. Gleichzeitig hat man in der kleinen Kammer eine andere Rolle als in der grossen: Es geht darum, die Interessen seines Kantons in den Vordergrund zu stellen. Das reizt mich, und zudem entspricht es mir als Vertreterin der politischen Mitte, mit Vertreter:innen aller Lager zu reden und im Hintergrund gemeinsam Lösungen zu entwickeln.

Was missfällt Ihnen denn daran, im Vordergrund zu stehen?

Nichts! Ich habe kein Problem damit, vor Kameras zu treten und in der Öffentlichkeit Rede und Antwort zu stehen. Doch was mich dazu antreibt, Politik zu machen, ist das Inhaltliche: Wenn wir uns von links bis rechts zuhören, austauschen und gut zusammenarbeiten, finden wir gemeinsam Lösungen, mit denen alle leben können.

Sie machen also im Nationalrat weiter, falls es mit dem Ständerat nicht klappen sollte?

Die Politik macht mir nach wie vor extrem Freude, und deshalb möchte ich meinen Einfluss künftig gern als Vertreterin des Kantons Zürich geltend machen. Zurzeit konzentriere ich mich deshalb ganz auf den Wahlkampf. 

Sie haben sich im Nationalrat als Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission profiliert, dort haben Sie Einfluss und werden gehört: Warum setzen Sie diese erfolgreiche Arbeit nicht einfach fort?

Als ich Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats war, habe ich mich regelmässig mit meinem damaligen Pendant im Ständerat Damian Müller ausgetauscht. Mein Beziehungsnetz geht nicht verloren, wenn ich in die kleine Kammer wechsle. Ich bin auch als Ständerätin immer noch in Bundesbern tätig, und es gehört nach wie vor zu meinem Job, den Austausch sowohl mit dem Bundesrat als auch mit der Verwaltung zu pflegen. Es geht ja nicht um ein Exekutivamt: Trotz seiner anderen Rolle ist der Ständerat genauso Teil der Legislative wie der Nationalrat.

Was braucht der Kanton Zürich aus Ihrer Sicht, wofür würden Sie sich im Ständerat einsetzen?

Der Kanton Zürich ist der bevölkerungsreichste Kanton, er ist bekannt für Innovationen, vor allem aber ist er ein Wirtschaftskanton. Als solcher ist eine gute Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn für den Kanton Zürich noch wichtiger als für andere Stände. Die Europapolitik ist eines meiner Steckenpferde. Ich bin überzeugt, dass wir unsere Beziehungen zu Europa auf eine stabile Basis stellen und ständig weiterentwickeln müssen.

Will heissen, wir brauchen ein Rahmenabkommen mit der EU?

Ohne Vernetzung in Form eines institutionellen Abkommens wird die Lage des Kantons Zürich schleichend ungemütlicher. Er leidet im Forschungs- und Bildungsbereich bereits heute unter Nachteilen. Das fehlende Abkommen zu den Medizinalprodukten ist nicht nur ein Branchenproblem: Die Schweiz hat keinen Zugang zu den entsprechenden Datenbanken der EU. Wird also beispielsweise eine neue Nebenwirkung eines Medikaments entdeckt, das auch in der Schweiz verkauft wird, fehlt uns diese Information. Oder nehmen wir das Beispiel der Energieversorgung: Wegen des fehlenden Stromabkommens ist unsere Versorgungssicherheit gefährdet. Um diese Gefahr möglichst gering zu halten, müssen wir zusätzlich Geld für eine Stromreserve in die Hand nehmen. Das wiederum verteuert den Strom. 

Zu letzterem passt der neuste Bericht der eidgenössischen Finanzkontrolle wie die Faust aufs Auge, demgemäss der Bund angeblich zu viel Geld für die Förderung von zu wenig effizienten Photovoltaikanlagen ausgibt…

Mit wäre es lieber, wenn mehr mit Anreizmechanismen gefördert würde als mit Subventionen. Doch der Souverän hat das CO2-Gesetz abgelehnt, das vermehrt auf Anreize setzte. Umgekehrt ist auch klar, dass sich Mitnahmeeffekte nie ganz ausschliessen lassen: Deshalb die Photovoltaik nicht mehr zu fördern, wäre der falsche Ansatz.

Die Hausmacht der GLP reicht nicht für Ihre Wahl. 2019 landeten Sie hinter der Grünen Marionna Schlatter auf dem fünften von sieben Plätzen: Wer soll Sie wählen, und warum?

Ich kenne die Anliegen vieler Mittelstandsfamilien im Kanton Zürich aus meinem eigenen Leben. Viele Familien sehen sich mit der Tatsache konfrontiert, dass es sich finanziell nicht lohnt, wenn beide Elternteile arbeiten, wenn Kita-Tarife und Steuerprogression beide Einkommen durchschlagen. Der Ständerat sieht darin allerdings kein Problem – er hat die Vorlage grundlos verzögert. Als Ständerätin würde ich ein Segment der Bevölkerung vertreten, dem in der kleinen Kammer mit ihrem Frauenanteil von weniger als einem Drittel schlicht zu wenig Beachtung geschenkt wird.

Werden Sie nicht in den Ständerat gewählt und schaffen es die Grünliberalen nicht über zehn Prozent Wähler:innenanteil, wird es nichts mit einem GLP-Bundesratssitz: Kandidieren Sie vor allem Ihrer Partei bzw. deren Bundesratsambitionen zuliebe?

Ich bin überzeugt, dass mein liberales Gedankengut und meine lösungsorientierte Art zu politisieren, in vielen Themenbereichen in beiden politischen Lagern mehrheitsfähig sind. Überschneidungen mit der SP und den Grünen ergeben sich nicht zuletzt aufgrund meiner Überzeugung, dass wir die soziale Verantwortung nicht aus den Augen verlieren dürfen. Aber natürlich bin und bleibe ich eine Grünliberale. Ich stehe zu meinen Werten. Wenn Daniel Jositsch im ersten Wahlgang gewählt wird, stellt sich die Frage, wer gegen Mitte-Rechts antritt, und da sehe ich meine Chance. Es wird kein Spaziergang, aber es ist machbar. Bundesratsambitionen beschäftigen mich aktuell überhaupt nicht.

Ständeratswahlen 2023

P.S. hat die Kandidat:innen von Links bis Mitte dazu befragt, warum gerade sie den Kanton Zürich im Ständerat vertreten sollten. Diese Woche steht Tiana Angelina Moser (GLP) Rede und Antwort.

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