«Das Stadtspital ist als Dienstabteilung besser aufgestellt»

Keine Ausgliederung des Stadtspitals Zürich in eine öffentlich-rechtliche Anstalt, das hat der Zürcher Gemeinderat letzte Woche beschlossen. Ist das wirklich eine derart schlechte Nachricht, wie die Bürgerlichen behaupten? Die Präsidentin der vorberatenden Kommission, SP-Gemeinderätin Marion Schmid, nimmt im schriftlich geführten Interview mit Nicole Soland Stellung.

Nach eindreiviertelstündiger Debatte nahm der Zürcher Gemeinderat letzte Woche den Bericht ablehnend zur Kenntnis, der einen grösseren unternehmerischen Handlungsspielraum für das Stadtspital «unter angemessener demokratischer Mitbestimmung und Steuerung durch den Gemeinderat» zum Thema hatte. Die Mehrheit stellte sich sodann dagegen, dass der Stadtrat eine Vorlage zur Ausgliederung des Stadtspitals Zürich in eine öffentlich-rechtliche Anstalt ausarbeitet. Die Bürgerlichen reagierten harsch: Sie warfen der links-grünen Ratsseite unter anderem vor, sie «trötzele» – oder gar, sie verstehe die «komplexe Materie» nicht.

Hand aufs Herz, Frau Schmid: Hat Rot-Grün keine Ahnung von Spitalpolitik, aber das Gefühl, besser drauszukommen als alle anderen?

Marion Schmid: Im Gegenteil, wir als SP hatten diesen Bericht damals zusammen mit den Grünen und der EVP gefordert, um die Frage, ob Ausgliederung oder nicht, sachlich und differenziert zu prüfen. Im Gegensatz zu den Bürgerlichen (und der AL) haben wir den Bericht sehr ausführlich und kritisch diskutiert und sind dann zum Schluss gekommen, dass das Stadtspital aus verschiedenen Gründen als Dienstabteilung besser aufgestellt ist als in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt.

Sie sagten in der Debatte, der Bericht gehe auf viele Fragen gar nicht ein, sondern stelle vor allem dar, warum die Auslagerung die einzige und gleichzeitig die beste Option sei. Viele Bürgerliche sprachen von einer «massgeschneiderten Lösung». Dies deckt sich mit der Einschätzung des Stadtrats: Wa­rum sind Sie so sicher, dass er damit falsch liegt?

Während die Bürgerlichen und der Stadtrat primär ihr Kernanliegen «mehr Handlungsspielraum» für das Stadtspital im Auge hatten, haben wir als SP den Fokus auf unsere zentralen Anliegen wie hohe Versorgungsqualität für alle Menschen, gute Arbeitsbedingungen, demokratische Mitsprache sowie die Zukunftsfähigkeit des Stadtspitals gelegt. Bei der gründlichen Abwägung der Vor- und Nachteile entlang diesen SP-Forderungen haben die Nachteile einer öffentlich-rechtlichen Anstalt klar überwogen.

Die linke Ratsseite zweifelte an, dass eine demokratische Mitsprache weiterhin möglich wäre, wenn das Spital eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit einem Spitalrat als Führungsgremium wäre. Worauf gründen sich diese Zweifel?

Mit dem Spitalrat wird ein zusätzliches Gremium zwischen der politischen Ebene – Gemeinderat und Stadtrat – und der Spitalleitung eingeschoben. Der Spitalrat führt das Spital mit einer unternehmerischen Perspektive und unterwirft sich damit naturgemäss der unsinnigen Marktlogik der von Mitte-Rechts geprägten Spitalpolitik. Für die SP ist klar: Um eine hochwertige Gesundheitsversorgung sicherzustellen, muss die Führung des Spitals der Bevölkerung verpflichtet sein. Die politische Verantwortung darf nicht verwässert werden. 

Das Stadtspital muss sich, wie alle Spitäler, nach Vorgaben des Kantons und des Bundes richten: Worin besteht angesichts dessen der angeblich so dringend benötigte Handlungsspielraum, den eine öffentlich-rechtliche Anstalt hätte?

Die Spitäler wollen auf medizinische Fortschritte reagieren und mittels Kooperationen ihr Angebot stärken. Dagegen ist nichts einzuwenden, es dient auch den Patient:innen. Einen grösseren Handlungsspielraum braucht es aber vor allem darum, weil es keine Bedarfsplanung gibt, sondern die bürgerliche Spitalpolitik meint, «der Markt regelt das». Nun, das tut er nicht, stattdessen kämpfen alle Spitäler in einem Pseudo-Wettbewerb, um die profitabelsten Leistungen und «lukrative Privatpatient:innen», weil sie sonst nicht kostendeckend arbeiten können. 

Sie wiesen in der Debatte darauf hin, dass die aktuell geltenden Spitaltarife nicht kostendeckend sind, eine öffentlich-rechtliche Anstalt aber wirtschaftlich selbsttragend sein muss. Das tönt, als hätte die linke Ratsseite potenziellen Schaden vom Stadtspital abgewendet – und dafür Haue gekriegt. Ihr Kommentar?

So ist es, eine der zentralen Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche Anstalt ist die wirtschaftliche Selbstständigkeit. Aber mit den aktuellen Spitaltarifen kann kein Spital kostendeckend arbeiten, das sagt selbst der Spitalverband H+ in seinem Positionspapier. Das Stadtspital macht, wie alle anderen Spitäler auch, jedes Jahr Defizite. Insofern ist es nicht nur sinnvoll, sondern zwingend, dass die Stadt diese Unterfinanzierung auffangen kann. Sonst wird dies zu einem massiven Kostendruck führen, der zulasten der Mitarbeitenden und der Patienten geht. 

Welche Schritte muss der Stadtrat nun einleiten, damit die von Gesundheitsvorsteher Andreas Hauri bereits angekündigte Vorlage «zur Erweiterung des Handlungsspielraums des Stadtspitals als städtischer Dienstabteilung» dereinst im Rat auf mehr Gegenliebe stösst?

Die SP hat seit Jahren immer wieder Bereitschaft signalisiert, über zusätzlichen Handlungsspielraum zu diskutieren, wenn dieser klar dargelegt wird. Der im Gemeinderat diskutierte Bericht wurde diesem Anspruch nicht gerecht. Wenn der Stadtrat aufzeigen kann, wo es punktuell mehr Handlungsspielraum braucht und wie dies im Rahmen einer Dienstabteilung mit entsprechender demokratischer Mitsprache umsetzbar ist, dann bieten wir dafür weiterhin gerne Hand.