Coversänger unter den Gefiederten

Er ist kleiner als ein Spatz, bescheiden im Auftritt, dafür umso stimmgewaltiger: BirdLife kürt den Sumpfrohrsänger zum Schweizer Vogel des Jahres 2023. 

Der Sumpfrohrsänger ist ein unscheinbarer Zeitgenosse. Er ist etwas kleiner als ein Spatz, oben braungrau gefiedert und am Bauch gelblichweiss gefärbt. Lediglich seine weissliche Kehle und der spitze Schnabel fallen ins Auge.

Von seiner Zwillingsart, dem Teichrohrsänger, unterscheidet sich der kleine Vogel durch seinen Gesang. Und der hat es in sich. Ein fast ununterbrochener Schwall aus quirlenden und pfeifenden Lauten ist typisch für den kleinen Gefiederten, den man vor allem in der Dämmerung und/oder nachts hört. Was den Singvogel aussergewöhnlich macht, ist das Imitieren von Stimmen anderer Vogelarten. Wie ein gefiederter Coversänger reichert er seinen Gesang mit ihren Lauten und Tönen an.

Die einen finden, dass es sich dabei um seine Strategie handeln könnte, den Balzgesang vielfältiger zu gestalten. Andere meinen, dass der kleine Singvogel mit dem Nachahmen von grösseren Artgenossen gefährlicher erscheinen will und so sein Revier verteidigt.

Afrika hin und zurück

Der Sumpfrohrsänger ist ein Zugvogel, der im südöstlichen Afrika überwintert. Zweimal jährlich begibt er sich auf eine je 10 000 Kilometer lange gefährliche Reise, die sich auch in seinem Gesang widerspiegelt. Er imitiert nämlich nicht nur einheimische Vogelstimmen, sondern reichert sein Repertoire mit Gesängen und Rufen jener Vogelarten an, die er auf seinem Zugweg und in seinem Winterquartier aufschnappt.

Dieser Imitationsreichtum sei in der europäischen Vogelwelt einmalig, schreibt BirdLife Schweiz. Dem geneigten Zuhörer / der geneigten Zuhörerin erschliesse sich so ein wundersames Konzert aus einer Variation von Rufen und Gesängen aus den europäischen Brutgebieten, gepaart mit exotischen und geheimnisvollen Stimmen aus dem fernen Afrika. Bei einigen Individuen konnten Imitationen von über 200 Arten nachgewiesen werden.

Mehr Feuchtgebiete 

Am wohlsten fühlt sich der Sumpfrohrsänger in feuchten Lebensräumen. Er bevorzugt dichte Büsche, Weidensträucher, Schilf von Grabböschungen und/oder Seeufer. Dort jagt er Insekten und Spinnen und baut sein Nest. Das Weibchen brütet etwa drei bis sechs Eier aus. Der Vogel hält sich meist versteckt in Buschwerk und Schilf – daher sein Name.

Da über die vergangenen 150 Jahre fast 90 Prozent der Schweizer Feuchtgebiete trockengelegt worden sind, hat der Sumpfrohrsänger einen grossen Teil seines Brutgebiets verloren. Mit 3000 bis 6000 Brutpaaren schweizweit ist der Stimmakrobat zwar nicht gefährdet, aber auch nicht wirklich zahlreich unterwegs. 

Mit der Auszeichnung «Vogel des Jahres 2023» will BirdLife darauf hinweisen, die bestehenden Feuchtgebiete zu schützen, zu vergrössern und die zerstörten wieder herzustellen, damit Arten wie der Sumpfrohrsänger uns weiter mit ihrem Gesang erfreuen und mehr Raum zum Leben haben.

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