CO2 reduzieren, Planung beschleunigen

Zwei zentrale Vorlagen hat die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek) des Nationalrats Anfang November fertig beraten: die Revision des CO2-Gesetzes und den Beschleunigungserlass. Diese Woche fand die Behandlung der beiden Vorlagen im Plenum statt.

«Revision des CO2-Gesetzes für die Zeit nach 2024», so heisst die Vorlage, die der Bundesrat dem Parlament am 16. September 2022 unterbreitete. Sie umfasst Entwürfe zur Änderung des CO2-Gesetzes vom 23. Dezember 2011 sowie zu fünf Bundesbeschlüssen. Diese betreffen unter anderem die Förderung von erneuerbaren Energien, den grenzüberschreitenden Personenverkehr auf der Schiene oder Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge im Zeitraum von 2025–2030.

Zur Erinnerung: Am Abstimmungssonntag vom 13. Juni 2021 stand mit der Vorlage zum CO2-Gesetz bereits einmal die Totalrevision des Gesetzes von 2011 an, doch die Vorlage scheiterte mit 51,6 Prozent Nein-Stimmen. Dieses Nein hatte Folgen, denn damit fehlen der Schweiz nach wie vor die rechtlichen Grundlagen, «um die mit dem Übereinkommen von Paris eingegangene inter­nationale Verpflichtung zum Klimaschutz einzuhalten», wie es in der Botschaft des Bundesrates zur aktuellen Revision des CO2-Gesetzes heisst. Zwar hatte der damalige Präsident der Urek, Bastien Girod (Grüne, Zürich), nach dem Nein die Verlängerung der Massnahmen nach dem alten CO2-Gesetz aufgegleist. Diese gelten teilweise bis 2030, einige laufen jedoch 2024 aus: «Deshalb braucht es eine neue, weitergehende Revision, wie wir sie aktuell beraten», erklärt Bastien Girod auf Anfrage. 

Soviel dazu, wie die diese Woche im Nationalrat behandelte Revision des CO2-Gesetzes entstanden ist. Vielleicht der wichtigste Punkt der Revision ist eine direkte Folge des Neins vom 13. Juni 2021: Die Vorlage enthält keine neuen oder höheren Abgaben, sondern setzt auf «eine gezielte Förderung, um Investitionen in klimafreundliche Lösungen zu lenken», wie es in der Medienmitteilung des Bundesrats vom 16. September 2022 heisst.

CO2-Ziele mit mehr…

Inhaltlich stechen in der Botschaft des Bundesrats folgende Bereiche heraus: Die Verminderungsziele aus dem Übereinkommen von Paris werden ins CO2-Gesetz aufgenommen. Das heisst, dass die Treibhausgasemissionen der Schweiz gegenüber 1990 bis 2030 halbiert werden müssen und im Durchschnitt der Jahre 2021–2030 um 35 Prozent sinken sollen. Nur: Welcher Anteil der Emissionen muss im Inland gesenkt werden? Nächster Streitpunkt: Zwar soll die CO2-Abgabe weiterhin maximal 120 Franken pro Tonne CO2 betragen, doch befristet bis 2030 soll der Anteil des Abgabeertrags, der für Verminderungsmassnahmen eingesetzt werden kann, auf bis zu 49 Prozent steigen. Diese Erhöhung sei «eine zentrale Voraussetzung, damit die Dynamik, die in den Kantonen aufgrund des bewährten Gebäudeprogramms entstand, nicht gebremst wird», heisst es dazu in der Botschaft.

Im Strassenverkehr sollen die CO2-Ziele für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge in Anlehnung an die EU verschärft und neu auch für schwere Fahrzeuge eingeführt werden. Mit jährlich maximal 30 Millionen Franken aus der Mineralölsteuer soll befristet bis 2030 Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge gefördert werden – ein weiterer umstrittener Punkt. Im öffentlichen Verkehr können die Mehrkosten von alternativen Antriebssystemen für Busse und Schiffe mit bis zu 47 Millionen Franken pro Jahr gedeckt werden. Jährlich 30 Millionen Franken stehen laut Botschaft zudem «für ein verbessertes Angebot an grenzüberschreitendem Personenschienenverkehr» bereit, und auch im Flugverkehr sind erneuerbare Treibstoffe neu vorgeschrieben, indem in Anlehnung an die EU eine Beimischquote eingeführt wird. Die Herstellung von erneuerbaren synthetischen Flugtreibstoffen soll mit 25–30 Millionen Franken pro Jahr gefördert werden können. Als Massnahme im Finanzsektor sollen schliesslich die Finanzmarktaufsicht Finma und die schweizerische Nationalbank SNB «regelmässig über klimabedingte Risiken Bericht erstatten». 

…oder weniger Ehrgeiz

Der Ständerat debattierte die Vorlage am vergangenen 25. September als Erstrat und zeigte sich dabei gemäss SDA-Meldung «weniger ehrgeizig als seine vorberatende Kommission». Gemäss Ständerat soll die Schweiz die Treibhausgas-Reduktionsziele zu rund zwei Dritteln im Inland erreichen. «Eine Minderheit hätte sich einen Anteil von 75 Prozent im Inland gewünscht, so wie es heute gilt, unterlag aber knapp», schreibt die SDA. Auch bei den Mitteln für das Gebäudeprogramm blieb der Ständerat hinter dem, was seine Kommission und der Bundesrat gefordert hatten: Die Mehrheit wollte nur bis zu einem Drittel der Mittel aus der CO2-Abgabe für das Gebäudeprogramm einsetzen statt bis 2030 befristet bis zu 49 Prozent. In der zweiten Beratungsrunde am 28. September strich der Ständerat zudem die 30 Millionen Franken für Ladestationen für E-Autos in Mehrparteiengebäuden, Firmen und auf öffentlichen Parkplätzen aus der Vorlage. Zudem blieb die rot-grüne Minderheit mit ihrer Forderung nach einer Lenkungsabgabe für Business- und Privatjets auf der Strecke.

Die Urek des Nationalrats befasste sich am 9. November mit der Revision des CO2-Gesetzes und teilte gleichentags mit, sie sei mit dem bundesrätlichen Entwurf «in den Grundzügen einverstanden». Die Kommission möchte 75 Prozent der Emissionsverminderungen im Inland erzielen, das CO2-Abgabemaximum bei 120 Franken pro Tonne belassen und auch den zweckgebundenen Anteil der Einnahmen aus der CO2-Abgabe nicht auf maximal 49 Prozent erhöhen. Dafür möchte sie im Einklang mit dem Bundesrat maximal 45 Millionen Franken aus dem Ertrag der CO2-Abgabe für die Förderung erneuerbarer Energien einsetzen. Die Kommission möchte auch Geld für Ladestationen in die Hand nehmen, und zwar maximal 20 Millionen Franken pro Jahr aus dem Topf mit den Mineralölsteuereinnahmen. Für den CO2-Ausstoss von Personenwagen hat die Kommission neu konkrete Ziele festgelegt, um eine jährliche lineare Reduktion zu erreichen, und zwar von 93,6 Gramm CO2/km im Jahr 2025 bis 49,5 Gramm CO2/km im Jahr 2030.

Beschleunigungserlass…

Nebst der Bearbeitung der Revision des CO2-Gesetzes hat die Urek des Nationalrats gemäss ihrer Medienmitteilung vom 9. November auch ihre Arbeiten zum Beschleunigungserlass abgeschlossen: «Damit hat sie ihr Ziel erreicht, die zentralen Vorlagen der Legislatur unter Dach und Fach zu bringen.» Der sogenannte Beschleunigungserlass hat laut der Botschaft des Bundesrates zum Ziel, «die Verfahren für die Planung, den Bau, die Erweiterung und die Erneuerung von grossen Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität oder Wärme zu vereinfachen und damit zu beschleunigen». Ausserdem soll «der Planungsprozess für das schweizerische Übertragungsnetz vereinfacht» werden.

Konkret sollen die Kantone neben den geeigneten Gewässerstrecken und Gebieten zur Nutzung von Wasserkraft und Windenergie neu auch Gebiete für Solaranlagen von nationalem Interesse in ihren Richtplänen festlegen können. Dabei sollen die Kantone «die Interessen des Landschaftsschutzes, des Biotopschutzes, der Walderhaltung, des Kulturlandschutzes und des Schutzes von Fruchtfolgeflächen» berücksichtigen müssen. Dafür sollen konkrete Projekte, die bereits in einem Eignungsgebiet gemäss Richtplan liegen, keine «projektbezogene Grundlage im Richtplan» mehr benötigen, was den Planungsprozess beschleunigt. Weiter soll ein Projekt nicht mehr in mehrere, «zeitlich auseinanderfallende» Etappen aufgeteilt und jede Etappe einzeln bis vor Bundesgericht angefochten werden können: «Stattdessen gibt es nur noch einen Rechtsmittelzug, in dem sämtliche Rechtsfragen geklärt werden.» Die Gemeinden seien «frühzeitig in das kantonale konzentrierte Plangenehmigungsverfahren einzubeziehen», und für die Genehmigung sind die Kantonsregierungen zuständig.

Die Gesuchsteller können beantragen, dass anstelle des kantonalen konzentrierten Plangenehmigungsverfahrens das ordentliche Verfahren durchgeführt wird. Kantonale und lokale Organisationen sollen sodann keine Beschwerden mehr machen können, sondern nur noch Standortkantone und -gemeinden sowie gesamtschweizerisch tätige Organisationen wie beispielsweise Pro Natura oder der WWF – dies gegen den Willen von Rot-Grün. Für Höchstspannungsleitungen schliesslich soll neu nicht mehr zuerst ein Planungsgebiet festgesetzt werden müssen, sondern direkt ein Planungskorridor festgelegt werden können.

…und AKW-Fans

Die Urek des Nationalrats ist ohne Gegenantrag auf den bundesrätlichen Entwurf eingetreten – dies gegen eine Minderheit, die vom Bundesrat eine Überarbeitung der Vorlage forderte und ihm auch nahelegen wollte, «den Fokus auf andere Technologien zur Energieerzeugung zu legen». Mit anderen Worten: Die AKW-Fans unterlagen zwar in der Kommission, dafür reichte die FDP-Fraktion den Antrag zuhanden des Plenums ein, das «Technologieverbot» aus dem Kernenergiegesetz zu streichen. Die Freisinnigen wollen also ernsthaft das AKW-Neubauverbot aufheben, das die Mehrheit der Abstimmenden erst vor sechs Jahren, am 21. Mai 2017, gutgeheissen hat (siehe dazu auch die Grünen Gedanken von Bastien Girod auf Seite 11). Das ist zwar keineswegs eine Überraschung, hat die Atomlobby doch seit jener aus ihrer Sicht verlorenen Abstimmung von 2017 nichts anderes gemacht, als die Öffentlichkeit pausenlos mit Propaganda zu füttern – von den mal unzuverlässigen, mal viel zu teuren oder total klimaschädlichen Solarpanels und Windturbinen über die gute alte «Stromlücke» bis jüngst zum unverfrorenen Einfordern von Subventionen für die angeblich «dringend nötigen» Investitionen in neue AKW.

Zweimal Ja

Und damit zu den aktuellen Beratungen: Am Mittwoch sagte der Nationalrat Ja zum revidierten CO2-Gesetz für die Jahre 2025 bis 2030, mit 136 zu 34 Stimmen bei 26 Enthaltungen, wobei die Nein-Stimmen «vorwiegend aus der SVP-Fraktion kamen», wie die SDA schreibt. Unter anderem wolle der Nationalrat wie schon der Ständerat auf eine Abgabe auf Flügen mit Privatjets verzichten. «Hingegen beschloss er eine Unterstützung für die Einrichtung von Ladeinfrastrukturen für Elektroautos mit Einnahmen aus der Mineralösteuer.

Gestern Donnerstagmorgen hat der Nationalrat als Erstrat auch den Beschleunigungserlass gutgeheissen, mit 137 zu 56 Stimmen bei drei Enthaltungen. Die grosse Kammer sei in allen zentralen Punkten ihrer Urek gefolgt, schreibt die SDA. Mit 109 zu 90 Stimmen bei fünf Enthaltungen schickte der Nationalrat den Antrag der FDP bachab, das AKW-Neubauverbot zu lockern. Auch das Verbandsbeschwerderecht soll nicht eingeschränkt werden: Bundesrat Rösti habe gar davon gesprochen, die Vorlage wäre mit dem Antasten des Verbandsbeschwerderechts «klinisch tot». Die Vorlage geht nun an den Ständerat.

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