Bunte Post vor der Tür

Wer vor geschlossener Ladentür steht, bestellt später von Zuhause aus: Unzählige Gewerbetreibende hatten in den vergangenen Wochen ins Netz verlagert – Lieferservice in die Zimmer der Nation hat Hochkonjunktur. Drei Zürcher JungunternehmerInnen setzen dabei auf Blumen.

 

AnatoleFleck

 

Für die nun zu Hauf bemühte Binsenweisheit, dass Krisen auch Chancen bieten, könnten Jan Neuenschwander und seine MitsreiterInnen als Paradebeispiel stehen. Während der Lockdown vielerorts das Gewerbe zum Stillstand brachte, hat «Blumenpost» die Tage ganz anders erlebt: «Ehrlich gesagt haben wir nicht damit gerechnet, wir wurden von den vielen Bestellungen überrascht», so Neuenschwander. Blumenpost ist, wie der Name sagt, ein Lieferdienst für Florales – Kundinnen erhalten ihre Blumen im Abo oder auf Einzelbestellung. Hinter dem Konzept stehen die drei Zürcher JungunternehmerInnen Joelle Hersberger, Julia Krieg und Jan Neuenschwander. Und sie setzen dabei auf Regionalität und Ökologie: «Als wir noch kleiner waren, fuhren wir jeweils um sechs Uhr morgens zu unserem Blumenbauer. Anschliessend haben wir die Blumen bei uns gerüstet, zu Sträussen gebunden und verpackt. Ausgeliefert haben wir auch selbst – mit ein bis zwei Autos oder zu Fuss.» 

Das hat sich nun geändert, «kleiner» war die Blumenpost bis vor der Corona-Krise. Obschon die Idee bereits im Dezember 2018 abgehoben hatte: Die Idee des Zürcher Start-Ups setzte sich damals an der Pitch Session der Helvetia Versicherungen gegenüber 150 Startups durch – gewann den Publikumspreis.​ Die ersten Monate nutzte das Trio dann, um intensiv am Konzept zu arbeiten. Seit Anfang August 2019 liefern Blumenpost offiziell im Raum Zürich.

 

Kurze Wege ohne Lager

 

«Bei Früchten und Gemüse ist Regionalität bereits ein etabliertes Thema. Wir finden, das sollte auch bei Blumen so sein.» Durch die tiefen Preise von Importblumen sei es in den letzten Jahren für Schweizer Bauern und Gärtnereien aber immer schwieriger geworden, Blumen anzubauen und zu verkaufen – «dem möchten wir entgegenwirken», so Jan Neuenschwander. Weil Blumenpost seine Ware ausschliesslich in der Schweiz bezieht, verkürzten sich automatisch die Lieferwege und die Anbietung im Abo mache es möglich, auf Lagerhaltung zu verzichten. «Wir verschwenden keine Blumen», so der Jungunternehmer bestimmt.

 

Dass mit dem Lockdown die Blumenläden temporär schliessen mussten, erwies sich dann durchaus als Schub für den floralen Lieferdienst: Punkten konnte Blumenpost einerseits mit dem Online-Vertrieb – auf den die JungunternehmerInnen schon vor dem Virus setzten – andererseits war das Trio ohne Ladenlokal und blieb durch die «regionalen Bezugsquellen» von den Grenzschliessungen nicht betroffen. «Ja, wir haben auch Glück gehabt und können uns heute einen kleinen Lohn ausbezahlen», sagt Jan Neuenschwander. Bei der Zustellung werde momentan auf kontaktlose Übergabe gesetzt – die Sträusse werden zum Schutz nach dem Klingeln jeweils vor der Türe deponiert. Knifflig sei es, Blumen in Altersheime oder Spitäler zu liefern: «Dort war und ist man für die Zustellung auf die Gutmütigkeit der Person am Empfang angewiesen.» Vom Bauernhof geliefert, wird nun mit einem Kleinlaster und bereits am Abend – die Autos des Start-Ups bieten aktuell nicht genügend Platz.

 

Wie im Traum

 

Und Blumenpost sei nun auch auf tatkräftige Unterstützung angewiesen, «wir haben darum im April mehrere BlumenpöstlerInnen eingestellt». Der Boom habe so nebst KundInnen und MitarbeiterInnen auch administrativ viel Neues mit sich gebracht: Versicherungen, Lohnabrechnungen und vor allem viel mehr Zeit für die Routenplanung – eine kostspielige Software musste dazu gar her. «Im Kellerraum unseres Ateliers ist jeder Zentimeter mit Blumen vollgestellt.»

 

Birgt ein so schnell wachsendes Geschäft nicht auch Risiken und Nebenwirkungen? Jan Neuenschwander sieht sie besonders im Sozialen: «Wir arbeiten viel, noch mehr als zuvor, sodass Privates manchmal etwas auf der Strecke bleibt.» So viele neue KundInnen glücklich zu machen, bedeute für das junge Team auch mehr Verantwortung und Druck: «Hinzu kommt, dass nun auch Menschen ausserhalb des Gründerteams bei uns arbeiten – dass man den «Neuen» nicht einmal die Hand geben kann, geschweige denn sich auf ein Wilkommensbier in der Bar trifft, ist schon sehr schade.» Nachholen will das Gründer-Trio dies möglichst bald mit einem Apéro. Vom Stillstand hätten sie durch die viele Arbeit aber erstaunich wenig gespürt: «Die letzten Wochen vergingen wie im Flug, wie im Traum.» Dennoch wünschen sich auch die drei möglichst bald die Normalität zurück. Auch wenn mittlerweile viele Floristinne und Floristen das Geschäft im Netz auch entdeckt haben werden, ist sich Jan Neuenschwander sicher: «Es hat genug Platz für alle!»

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