Sagenhaft

Barbara Frei reduziert «Hamlet» auf
die Essenz und das gleichermassen amüsant wie dramatisch.

 

Mit zweieinhalb Stunden ist das ein «Hamlet» für eilige und doch fehlt gar nichts. Im Gegenteil. Die grossen Intrigen finden auf der Bühnenrückseite des Theaters im Theater statt und sind im Habitus ernst und bedeutungsschwer. Die Lachhaftigkeit als Spiegel dessen wird an Tänzchen delegiert, die an Bissigkeit ihrer Ironie nichts vermissen lassen. Und das reale Drama wird in den englischen Songs thematisiert, aus denen der Sarkasmus störrisch trotzdem! ruft – oder ums mit der deutschen Version des musikalischen Hauptthemas zu sagen: «Wenn das alles ist/dann lass uns leben/wies eben so geht»… Nichts lenkt hier ab von der Essenz. Die verschiedenschwarzen Kostüme (Esther Geremus) vor schwarzer Bühne (Bettina Meyer) lenken sämtliche Aufmerksamkeit auf Text und Schauspiel einer hervorragenden Besetzung. Markus Scheumann als Claudius ist der kühl Kalkulierende mit eisernem Gesichtsausdruck. Inga Busch als Gertrud die immer adrette, sich nicht einmischende Beistelldame. Jan Bülow leidet als Hamlet, als würde er sich selber innerlich zerfressen in seinem Patt der Orientierungslosigkeit zwischen Rachlust und Ohnmacht. Edmund Telgenkämpfer und Benito Bause geben Rosenkranz und Güldenstern mit einem ihre Unterwürfigkeit zementierenden Monosprech-Singsang und Gottfried Breitfuss stichelt, hetzt und wiegelt als Polonius auf, als wäre Machtlust der Schlüssel zu ewiger Jugend. Und Claudius Körber als in unschuldweisser Spitze und blond wallendem Haar über die Bühne schwebende Ophelia, verleiht der idealisierten Reinheit ein an Hohn gereichendes Gschmäckle. Die Musik wiederum von Iñigo Giner Miranda und Barbara Frey wird wie im Film seitens Melodien und Rhythmen als Spannungsverstärker eingesetzt. So wird «Hamlet» zum Krimi, zur Lachnummer und zur ernsten Mahnung im gleichen Aufwisch. Und das in einer grösstvorstellbaren Leichtigkeit, als wär das alles gar keine Kunst. froh.

 

«Hamlet», bis 1.11., Schauspielhaus, Zürich.

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.