It’s the job, stupid!

Ich habe gerade sehr viel über Harmonien und Disharmonien nachgedacht. Obwohl ich ein ausgesprochen unmusikalischer Mensch bin. Ich spiele kein Instrument, meine frühen Flötenversuche wurden von der Lehrerin sanft, aber bestimmt abgebrochen und Gesang ist auch nicht meins. Mein Mann, ein begnadeter Sänger, musste feststellen, dass er meine Tonlage nicht singen kann – wohl deshalb, weil es sie nicht gibt.

Dafür, oder gerade deshalb, bin ich ein grosser Opernfan, das musikalische Unwissen führt nämlich bei dieser Gattung zu einem ganz besonderen, mächtigen Genuss. Und so sind mir Disharmonien ebenso bekannt wie zuwider und ich erinnere mich, wie ich damals 1996 bei der Uraufführung von «Schlafes Bruder» im Opernhaus fluchtartig den Saal verliess, weil eben, disharmonische Stücke vertrage ich nicht. Aber darüber wollte ich jetzt gar nicht so episch berichten, sondern kundtun, dass es niemand Geringeres war als Doris Fiala, die mich zu diesen Gedanken über Harmonie und Disharmonie brachte.

 

Im ‹Rundschau›-Beitrag vom 28. August bemühte sie nämlich den Dreiklang. Und dieser ist das denkbar Disharmonischste überhaupt. Gemäss der FDP-Frauenpräsidentin besteht der Dreiklang aus Beruf, Familie und politischem Engagement und sei nicht zu stemmen, weshalb sie Frauen empfiehlt, mit der Politik zuzuwarten, bis die Kinder gross sind und also mehr Zeit zur Verfügung steht. So Recht sie auch hat mit der Analyse, so falsch liegt sie mit der Schlussfolgerung.

Der Dreiklang klingt nicht. Weil er nicht geht. Nicht für Frauen, nicht für Männer und auch nicht für Menschen ohne Kinder. Auch sie verfügen nicht über endlose Zeitressourcen. Wollen sie alles unter einen Hut bringen, scheitern sie genauso wie jene mit Kindern.

Aber die Lösung ist nicht, auf etwas aus diesem Dreiklang grundsätzlich zu verzichten oder auf unbestimmt zu verschieben. Wir brauchen Menschen, die arbeiten, sich ehrenamtlich engagieren und Kinder haben. Das lässt sich nicht einfach aufteilen auf verschiedene Menschen oder in aufeinanderfolgende Phasen. Denn das Problem am nicht funktionierenden Dreiklang ist, dass all das in den gleichen Lebensabschnitt fällt. Irgendwann zwischen 30 und 50 ist man im Beruf, in der Politik und in der Familie in der produktivsten Phase. Wie löst man das nun?

It’s the job, stupid.

 

Ich bin der Überzeugung, dass es der Job ist, der uns viel zu viel Zeit wegnimmt. Wir nehmen die 40-Stunden-Woche als gegeben, ebenso, dass spannende, verantwortungsvolle Arbeit nur mit einem maximalen Pensum zu machen sei. Das ist falsch. Und jetzt muss mir keiner kommen und sagen, dass es anders nicht geht.

Im Parlament wird seit Jahrzehnten das Gegenteil bewiesen: die UnternehmerInnen der rechten Ratsseite sind hier die eigentlichen VorreiterInnen. Sie führen ein Unternehmen und verbringen 50 Prozent ihrer Zeit mit Parlamentsarbeit (sagt Doris Fiala, alles drunter sei nicht seriös). Das Unternehmen überlebt. Das ist deshalb so, weil in diesen Firmen mehrere Menschen die Verantwortung gemeinsam tragen. Jobsharing auf höchster Stufe. Dann muss es auch drunter und anderswo gehen. Es fällt mir kein Beruf ein, bei dem es nicht mit einer kürzeren Arbeitswoche und geteilter Verantwortung ebenso, wenn nicht besser funktionieren würde. Und das gilt erst recht auch für Jobs, die körperlich besonders anspruchsvoll sind. Also: Weniger Arbeitsstunden, geteilte Verantwortung, gleicher Lohn. Das nun scheint mir ein sehr harmonischer Dreiklang. Ganz nach meinem Geschmack.

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