Vom Feld direkt auf den Teller

Vor knapp einem Jahr, in der Ausgabe vom 25. November 2022, stellte P.S. die damals neu gegründete Genossenschaft Koopernikus vor. Ihr Ziel: die Akteur:innen der gesamten Lebensmittelwertschöpfung miteinander verknüpfen. Jetzt ist Koopernikus einen Schritt weiter.

Die Idee hinter der Genossenschaft Koopernikus tönt einfach und einleuchtend: Sie bezeichnet sich als erste Schweizer Genossenschaft, die Akteur:innen der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette vernetzt. Durch «starke Beziehungen, Direktvermarktung und Partizipation» wolle sie den Weg für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion ebnen, hiess es in der Medienmitteilung, die am 14. November 2022 zum Start des Unterfangens verschickt wurde. Denn Landwirtschaft sei «viel mehr als blosse Lebensmittelproduktion». Sie entscheide, ob eine Region von «monotonen Agrarwüsten oder einer vielfältigen Kulturlandschaft geprägt» werde. Gleichzeitig stünden die Landwirt:innen wie auch die Verarbeiter:innen unter «enormem Druck von Grossverteilern, ihre Produkte zu immer niedrigeren Preisen und in immer grösseren Mengen abzugeben». Ja mehr noch: «Im aktuellen System sind Produktion und Handel von ökologisch und sozial nachhaltigen Lebensmitteln sehr aufwendig und für einzelne Betriebe kaum umsetzbar.» Konkret: Welcher Bioladen bestellt schon bei sieben Bauernbetrieben einzeln jeweils ein spezielles Produkt?

Digitale Plattform läuft

Was ist seither geschehen? Oder anders gefragt: Wie liess sich die Idee von starken Beziehungen, Direktvermarktung und Partizipation konkretisieren? Das erste und wohl wichtigste Element, das Koopernikus unterdessen gemeinsam mit dem Verein Lightwave geschaffen hat, ist die digitale Lightwave-Plattform. Sie soll den Prozess der Direktvermarktung «einfach und transparent» machen. Lebensmittelproduzent:innen können so ihre Produkte direkt an Restaurants oder Läden verkaufen. Die Logistik wird in einem ersten Schritt über die Pico Lebensmittel AG organisiert, die bereits bisher Bioläden belieferte: «So müssen wir keine eigenen Lastwagen losschicken, die zudem teilweise dieselben Routen abfahren würden», erklärt Koopernikus-Mediensprecherin Laura Schneiter auf Anfrage. Von Anfang an bei Koopernikus dabei war das Gut Rheinau, das bereits früher mit rund zehn kleineren Landwirtschaftsbetrieben aus der Region zusammenarbeitete. In der Lightwave-Testphase, die noch bis Ende Jahr dauert, bieten die kleineren Betriebe via Gut Rheinau und das Gut selbst ihre Produkte bereits über diese Plattform an. Die Kund:innen, darunter beispielsweise die Food-Kooperative Crowdcontainer, die Genossenschaft Chornlade oder das Zürcher Restaurant Beke, bestellen über die Plattform, und das Gut Rheinau publiziert unter anderem, was gerade in welcher Menge geerntet wird.

Die Produzent:innen profitieren

Die Vorteile für die Landwirtschaftsbetriebe liegen, Stichwort «Direktvermarktung», auf der Hand: Sie können ihre Ware innerhalb der Region verkaufen, was kurze Transportwege bedeutet, und sie sind nicht abhängig von den Preisen, die Grossverteiler wie Coop oder Lidl diktieren. Wie sich die Lebensmittelpreise auf dem Marktplatz von Koopernikus zusammensetzen, macht Laura Schneiter transparent, wobei die folgenden Zahlen ab Januar 2024 gültig sind: 2,5 Prozent gehen an Koopernikus für die Geschäftsstelle, die Koordination im Netzwerk sowie Veranstaltungen. Ebenfalls 2,5 Prozent bekommt Lightwave für Erhalt und Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur, also des Marktplatzes und der Logistikplattform. 6,5 Prozent entfallen schliesslich auf die Logistik und die Administration für Lieferscheine etc. Zusammengefasst: 88,5 Prozent gehen an die Produzent:innen. «Diese werden ab 2024 ausserdem die Möglichkeit haben, sich einem Regionalhub anzuschliessen, der Lagerung, Verwaltung und Kommissionierung ihrer Produkte übernimmt. Wir gehen davon aus, dass diese Dienstleistung mit 5 bis 7 Prozent verrechnet werden wird», erklärt Laura Schneiter. «Unser Ziel als Genossenschaft ist es, die Margen weiter zu senken, sobald unsere Vorarbeit, Entwicklungs- und Wartungskosten gedeckt sind.» Wie viel die Bäuer:innen erhielten, wenn sie an Coop, Lidl etc. lieferten, sei «sehr unterschiedlich», fügt sie an: «Tendenziell ist der Anteil, der dort an die Produktion geht, wesentlich kleiner.»

Doch ist das Risiko für die Bäuer:innen nicht grösser, wenn sie an die neue Plattform liefern, deren Abnahmekapazität im Vergleich mit den Grossverteilern doch sehr begrenzt ist? «Das Risiko bewegt sich im Rahmen dessen, was für die Direktvermarktung ab Hofladen gilt», sagt Laura Schneiter. «Zudem nehmen wir neue Produzent:innen im Takt dessen auf, wie die Abnahme wächst.» Koopernikus wolle und werde wachsen, aber langsam und mit Augenmass. Denn es würde nichts bringen, wenn die Bäuer:innen plötzlich auf ihrer Ware sitzen blieben: «Wir wollen finanzielle Risiken teilen und die Margen des Grosshandels umgehen, aber sicher keinen Foodwaste produzieren.» Aber, und das sei das Wichtigste: «Koopernikus läuft!»

Weitere Infos auf www.koopernikus.ch

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