«SRG muss bescheidener werden»

Bis zu den Stadtratswahlen vom 4. März 2018 befragen wir an dieser Stelle die amtierenden StadträtInnen und die neu Kandidierenden zu einem aktuellen Thema – dieses Mal Tiefbauvorsteher Filippo Leutenegger (FDP) zum Thema «Medien(-Vielfalt)». Die Fragen stellte Nicole Soland.

 

Letzte Woche gaben NZZ und AZ bekannt, dass sie ein Joint Venture gründen, und die ‹Südostschweiz› und die ‹Basler Zeitung› prüfen eine Zusammenarbeit: Ihr Kommentar?

Filippo Leutenegger: Wenn die Nachfrage und die Erträge stark sinken, lässt sich ein Angebot nicht dauernd künstlich aufrecht erhalten. Wir sprechen hier von einer doppelten Erosion: Gedruckte Zeitungen haben eine geringere Reichweite als früher und damit weniger Inserate, gleichzeitig aber auch weniger AbonnentInnen. Und die Werbung wandert in den Online-Bereich ab.

 

Mit No-Billag soll nun auch noch die SRG abgeschafft werden.

Auch die SRG hat weniger Zuschauer und weniger Reichweite, aber sie hat ein anderes Geschäftsmodell: Dank dem Bevölkerungswachstum nehmen die Einnahmen nicht ab, sondern zu. Heute ist die SRG das mit Abstand grösste publizistische Unternehmen der Schweiz und wird gegenüber der privaten Konkurrenz immer grösser und mächtiger. Das ist staatspolitisch gefährlich. Die SRG sollte sich redimensionieren und bescheidener werden, aber No-Billag ist natürlich eine radikale Initiative, die ich so nicht unterstützen kann.

 

Sie sind Vorstandsmitglied der «Aktion Medienfreiheit», die nach eigenen Angaben gegen eine SRG ist, die «private Medienanbieter konkurrenziert». Trotzdem sind Sie gegen No-Billag?

In dieser Frage besteht eine Differenz, damit kann ich jederzeit leben. Die SRG hat gegenüber den anderen Medien zu viel Geld, sie ist zu mächtig, und sie erstickt teilweise kleinere Initiativen im Keim, etwa im Radiobereich. No-Billag geht aber so nicht – vor allem in den Sprachregionen hat die SRG einen wichtigen staatspolitischen Auftrag und eine Klammerfunktion.

 

Die Radios bekommen doch aus demselben Topf Geld wie die SRG.

Natürlich, genau deshalb habe ich seinerzeit die Revision des Radio- und TV-Gesetzes bekämpft: Weil nun alle ein paar Brosamen bekommen und am Staatstropf hängen, will niemand etwas ändern.

 

Sonst könnte man die SRG einfacher abschaffen?

Nein, nicht abschaffen – aber redimensionieren.

 

Tatsächlich: Sie sind gegen No-Billag, befürworten aber die Halbierung der Gebühren.

Die Printmedien mussten wegen der Lesererosion in den vergangenen zehn Jahren brutal Federn lassen. Die SRG hat ebenfalls jedes Jahr weniger Zuschauer und müsste entsprechend runterfahren. Eine Halbierung der Gebühren wäre zu prüfen und ergäbe mit der Werbung immer noch 700 bis 800 Millionen Franken im Jahr.

 

Sie waren von 1998 bis 2002 Chefredaktor von SRF. Ihnen hätte der halbe Lohn gereicht?

Es geht nicht um weniger Lohn. Wie bei den Printmedien geht es um die Fokussierung auf das Wesentliche. In jedem Betrieb, der ständig gewachsen ist, kann man die Geldmittel reduzieren, ohne dass viel passiert – wenn man es richtig macht. Als Chefredaktor konnte ich vor 15 Jahren das Budget schon im zweiten Jahr mit relativ einfachen Massnahmen um mehr als 10 Prozent reduzieren ohne Qualitätseinbusse.

 

Dann stimmt es also, dass bei einem Ja zu No-Billag Hunderte Arbeitsplätze gestrichen würden.

Wie bei den Printmedien wird es auch bei der SRG irgendwann zu einem Stellenabbau kommen. Aber die Frage ist doch wo: Die SRG hat im Verhältnis zuwenig Leute, die im Journalismus arbeiten, und zuviele Chefs und Administration. Nochmals: Die SRG muss bescheidener werden – und die Ideologisierung, die unter Generaldirektor Roger de Weck begann, war für die SRG schädlich.

 

Welche Ideologisierung?

Statt sich nach dem Auftrag und dem publizistischen Erfolg auszurichten, wollte die SRG in den letzten Jahren vor allem politisch korrekt werden. Heute redet man von Relevanz – und meint damit, dass es keine Rolle spielt, ob ein Programm beim Publikum ankommt oder wenn man schlecht ist.

 

Wenn die SRG insgesamt weniger Geld hat, wird ein noch grösserer Anteil fürs Tessin und die Romandie ausgegeben, denn dort kann man kaum sparen.

Die Daseinsberechtigung der SRG begründet sich vor allem mit der Leistung in den Sprachregionen. Die Deutschschweiz braucht die SRG am wenigsten, deshalb muss sie mit der Redimensionierung vorangehen. Nochmals: Ich bin kein SRG-Gegner, aber weil ich den Betrieb sehr gut kenne, behaupte ich jetzt mal keck und frech, ich hätte als Generaldirektor die SRG jedenfalls nicht derart an den Rand des Abgrunds gefahren. Auf die völlig unnötigen politischen Kraftakte hätte ich verzichtet, etwa mit Admeira. Oder dass die SRG unbedingt in ihrem Onlineauftritt Werbung verkaufen wollte: Die Gebührenzahler wollen doch keine Werbung sehen, nachdem sie für den Inhalt bereits mit ihren Gebühren bezahlt haben!

Im Übrigen bin ich – ausser für die SRG– dezidiert gegen direkte Subventionen in der Medienbranche, denn die sind staatspolitisch brandgefährlich: Wenn die Medien direkt vom Staat gefördert werden, dann kontrolliert der Staat letztlich die Medien, denn wer Geld zahlt, legt die Regeln fest. Eine solche Entwicklung wäre für unsere Demokratie, die auf unabhängige Medien angewiesen ist, toxisch.

 

Ein Ja zu No-Billag wäre demnach das Ende der SRG, Punkt?

Ein Ende gibt es in der Schweiz nie, wir sind ein pragmatisches Land. Wenn ein Grundsatzentscheid gefällt ist, dann heisst das noch nicht, dass definitiv entschieden ist – siehe Alpeninitiative, siehe Verwahrungsinitiative.

 

Für das, was sich für Private nicht rentiert, darf der Staat gerne sorgen?

Das ist eine linke ideologische Unterstellung. Der Staat soll sich bloss dort raushalten, wo Private ein breites, gut funktionierendes Angebot bereitstellen.

 

Dass der Service public anscheinend immer weniger kosten darf, ist nicht neu; im aktuellen Budget will der Zürcher Gemeinderat den Steuerfuss um zwei Prozent senken: Wo könnte die Stadt, wo Ihr Departement sparen?

Wir müssen doch nicht sparen, höchstens die Mehrausgaben drosseln, also weniger mehr ausgeben. Wir hatten in vergangenen Jahren 300 bis 400 Mio. Franken mehr Einnahmen, das sind über 20 Steuerprozente. Das verdanken wir unter anderem dem sensationellen Zinsumfeld. Wir haben fast keine Schuldzinsen und rekordhohe Grundstückgewinnsteuern, und die Wirtschaft brummt. Jetzt ist es Zeit, den SteuerzahlerInnen etwas davon zurückzugeben und so ein Zeichen zu setzen.

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