Mit Stadtwerkstätten zum Leitbild

Mit vier «Stadtwerkstätten» erarbeitet das Forum Architektur Winterthur Inputs für eine von der Stadt Winterthur durchgeführte Testplanung für ein neues räumliches Leitbild. Eine erste dieser Werkstätten machte sich daran, anhand von «Erkundungsexpeditionen» pragmatische Kernfragen zu erarbeiten und zu vertiefen. Als Arbeitsgrundlage und Werkzeug dient u.a ein gigantisches Stadtmodell, das die beiden Künstler Dominik Heim und Ron Temperli aus Abfall zusammengebaut haben.

 

 

Matthias Erzinger

 

Ein Kantonsspital aus Medikamentenschachteln, ein Wald aus Bierflaschen, ein See an einem überraschenden Ort und viele weitere witzige und provozierende Details: An einer kürzlich durchgeführten Stadtwerkstatt des Forums Architektur Winterthur steht eine Gruppe von Menschen mitten in einem 8 mal 15 Meter grossen «Stadtmodell» und diskutiert über Siedlungsränder. Danach setzen sie sich an einen Tisch nebenan und bauen selbst eine spezielle Situation nach, versuchen die Stadt neu zu denken und dies anhand des Modells zu diskutieren. Zum Beispiel werden die Einfallstore in die Stadt als Entwicklungsgebiete erkannt. Eine weitere Erkenntnis aus der vorhergegangenen Expedition, die sich nun am Modell bestätigt: Winterthur ist keine ‹bipolare› Stadt, sondern weist mehrere Zentren auf, die wiederum in kleine Zentren gegliedert sind.

 

Das Stadtmodell als Werkzeug, die Stadtwerkstätten als Workshopreihe, entstanden auf Initiative des Forums Architektur Winterthur. Es begleitet damit einen von der Stadt Winterthur selbst lancierten Prozess zur Erarbeitung eines neuen räumlichen Leitbildes. Die Stadtwerkstätten sollen dazu beitragen, den von den Behörden beauftragten interdisziplinären Teams Inputs der interessierten Bevölkerung zu vermitteln. «Wir wollen die Planung der zukünftigen Stadt bereichern, beflügeln und beitragen, dass sie im Alltag mitgetragen wird», sagt Christoph von Ah, Präsident des Forums. Damit neue Ideen auch einen konkreten Alltagsbezug aufweisen und nicht nur in theoretischen Überlegungen enden, wurden die zwei Künstler Dominik Heim und Ron Temperli beauftragt, ein Stadtmodell zu erarbeiten, das gleichzeitig als Werkzeug, aber auch als Feedbackinstrument dient.

 

Die Teilnehmenden der Stadtwerkstätte können Inputs für das Modell erarbeiten, die Künstler nehmen diese auf und entwickeln ihr Modell weiter. Es wird spannend sein, zu sehen, wohin sich das Modell im Verlauf des rund sechsmonatigen Projektes entwickelt. Bereits jetzt wird klar: Das Modell packt die Teilnehmenden, es regt an, und zeigt sowohl die liebenswerten Seiten der Stadt als auch die Schwierigkeiten ihrer zukünftigen Entwicklung auf.

 

Auf der Suche nach Potenzialen

Der Werkstatt-Tag beginnt mit sechs «Expeditionen» von den Rändern Winterthurs Richtung Zentrum. Ziel dieser Reisen, die auch die weiteren Werkstätten einleiten werden, ist das Suchen und Entwickeln von Potenzialen für die zukünftige Entwicklung Winterthurs anhand der Realität. Und die Überprüfung gewonnener Erkenntnisse anhand des erwähnten Mega-Modells. So entstehen im Laufe des Tages verschiedene kleine Teilmodelle, die Denkansätze für eine bestimmte räumliche Situation aufzeigen. Nicht die grossen Fragen über die zukünftige Stadt werden debattiert, nicht der Gegensatz «Wohnstadt» versus «Arbeitsstadt», weniger die «Smart-City» und demographische Entwicklungen. Im Zentrum steht die Suche nach einer Resilienz für die städtische Entwicklung, oder wie es in der Runde der Teilnehmenden formuliert wird, die Suche nach Potenzialen, um das Rückgrat im Kleinen wie im Gesamten zu stärken. Welche Strukturen tragen dazu bei, möglichst viele Qualitäten zu ermöglichen und zu erhalten, gleichzeitig aber sehr flexibel auf zukünftige Entwicklungen reagieren zu können? Zur Sprache kommen etwa die folgenden Fragen:

Winterthur als ein Puzzle aus Zentren in den Zentren der Zentren … und damit verbunden die Frage: Welche Aufgaben haben die verschiedenen Zentren?

Die räumliche Entwicklung Winterthurs ist geprägt von zwei Megafaktoren: der Autobahn rund um und quer durch Winterthur und dem Gleiskorridor der SBB. Bahnhöfe an den Grenzen können Kristallisationspunkte für eine Stärkung der Strukturen bilden: Wie können diese Potenziale realisiert werden?

Grenzen und Durchlässigkeit: Stadtentwicklung bedeutet Nachdenken über Grenzen und ihre Überwindung.

Welche Potenziale bilden die Einfallstore? Aktuell zum Beispiel bei Töss oder in Wülflingen sind es eher Areale voller Strassen, Tankstellen und unternutzten Gewerbearealen. Welchen Beitrag können sie zur Identitätsstiftung in Zukunft übernehmen?

Fortgesetzt wird die Reihe mit einer zweiten Stadtwerkstatt am 8. März mit einem Inputabend sowie am 10. März mit dem nächsten Werkstatttag. Das Schwerpunktthema werden dann die Freiräume bilden. Der ganze Prozess wird sorgfältig dokumentiert und u.a. auch durch den Zeichner Ruedi Widmer begleitet.

Die Dokumentationen können bestellt werden über die Website des Forums Architektur (www.forum-architektur.ch/stadtwerkstatt). Auf der Website werden auch laufend Bilder und weitere Materialien aufgeschaltet. Eine Teilnahme an den Anlässen ist jederzeit und ohne Vorbedingungen möglich. Auch zu den Anlässen finden sich auf der Website laufend weitere Detailinformationen.

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