«Gut vorbereitet und geeignet»

Wer tritt bei den Wahlen 2022 als vierte Stadtratskandidatin der SP an? Die Frage ist noch offen, die Ausgangslage aber geklärt: Nationalrätin Min Li Marti und Gemeinderätin Simone Brander stellen sich der internen Ausmarchung. Nach Min Li Marti (im P.S. vom 14. Mai) legt nun Simone Brander im Gespräch mit Nicole Soland dar, warum sie Stadträtin werden möchte.

 

Sie kandidieren zum ersten Mal für ein Exekutivamt. Warum gerade jetzt?

Simone Brander: Wegen der vielen positiven Reaktionen aus der Bevölkerung… (lacht). Ernsthaft: Ich habe mir zum ersten Mal überlegt, mich als Stadtratskandidatin zu bewerben, als Claudia Nielsen kurz vor den Wahlen 2018 nicht mehr angetreten ist, liess es dann aber bleiben. Rückblickend wäre es damals tatsächlich zu früh gewesen, doch jetzt passt es.

 

Inwiefern?

Nach meinem Studium der Umweltnaturwissenschaften an der ETH war ich 13 Jahre in der Bundesverwaltung tätig und habe kürzlich in die Verwaltung des Kantons Aargau gewechselt. Dort bin ich als Fachspezialistin Energiewirtschaft u. a. für den Ausbau der Photovoltaik zuständig. Seit 2017 bereite ich mich zudem an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW auf den «Master of Advanced Studies in Public Management» vor, den ich voraussichtlich im laufenden Jahr erlangen werde. Mein nächster Job darf gerne wieder der einer Führungskraft sein. Ich bin aber auch seit 2009 Gemeinderätin und kenne die ‹Baustellen› meiner Stadt, ich bin gut vorbereitet und geeignet, das Amt einer Stadträtin zu übernehmen.

 

Als Stadträtin, oder doch lieber gleich als Tiefbauvorsteherin?

Das Tiefbau- und Entsorgungsdepartement ist das einzige Departement, das nach den Wahlen 2022 sicher neu zu besetzen ist. Als Gemeinderätin gehöre ich der Spezialkommission Sicherheitsdepartement/Verkehr an und amtete zwei Jahre als deren Vize- sowie zwei Jahre als Präsidentin – ich habe damit bereits einen Bezug zu diesem Departement. Aber natürlich ist mir klar, dass die langjährigen Stadtratsmitglieder bei der Departementsverteilung den Vorrang haben.

 

Sie könnten genauso gut zum Beispiel das Schul- und Sportdepartement, das Gesundheitsdepartement oder das Sicherheitsdepartement übernehmen?

Die Tagesschulen und vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind mir sehr wichtig. Zum Sicherheitsdepartement gehört beispielsweise auch die Dienstabteilung Verkehr, die beim Strassenverkehr für die Signalisation zuständig ist. Ich würde mich im Stadtrat aber auch für eine aktive Wohnungspolitik einsetzen: Noch immer mangelt es an bezahlbaren Wohnungen. Zudem müssen wir auch die Mietwohnungen für das Klimaschutzziel von Netto Null fit machen. Das ruft nach Sanierungen und Modernisierungen – doch diese müssen sozial- und mieterInnenverträglich erfolgen.

 

Sie sind in der Öffentlichkeit vor allem als Verkehrsspezialistin und engagierte Kämpferin für bessere Bedingungen für Fussgängerinnen und Velofahrer bekannt: Ist dieses Engagement auch Ihr Hauptargument für die interne Ausmarchung?

Mir ist es auf jeden Fall wichtig, dass die Velorouteninitiative schnell und gründlich umgesetzt wird: Wir haben nicht nur 50 Kilometer Velorouten gefordert, sondern auch, dass diese Routen grundsätzlich autofrei sein sollen. Dafür setze ich mich ein. Was den Fussverkehr betrifft, so haben die FussgängerInnen seit Jahren zu wenig Platz. Sie brauchen heutzutage aber nicht bloss mehr, sondern mehr qualitativ guten Platz: Die Wege, auf denen wir zu Fuss gehen, müssen von mehr Grün gesäumt sein als heute, es braucht mehr Bäume, mehr Brunnen, mehr Sitzbänke, kurz, eine bessere Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. Den dafür benötigten Platz schaffen wir, indem wir den Autos weniger Platz einräumen und zum Beispiel Blaue­-Zonen-Parkplätze aufheben.

 

Sie können also Verkehr – aber mal salopp gefragt: Was können Sie sonst noch?

Der Klimawandel ist die grosse Herausforderung unserer Zeit, und in Sachen Klima gibt es in jedem einzelnen Departement Handlungsbedarf. Wir brauchen fossilfreie Heizungen und mehr Solarenergie, da immer mehr Geräte mit Strom statt mit Erdöl oder Benzin funktionieren. Eine diskriminierungsfreie Stadt liegt mir sehr am Herzen – das zeigt auch mein langjähriges Engagement im LGBTIQ-Bereich. Als Umweltnaturwissenschafterin denke ich in Systemen: Ich weiss, dass es nichts bringt, nur an einem Rad zu schräubeln, wenn das dazu führt, dass an einem anderen Ort alles aus dem Gleichgewicht gerät. Wir müssen das System ändern, nicht die Menschen: Wir können die Leute nicht dazu zwingen, aufs Auto zu verzichten, aber wir können die Stadt so planen und einrichten, dass es sich völlig normal und richtig anfühlt, sich ohne Auto fortzubewegen.

 

Was könnte der Stadtrat besser machen?

Der Stadtrat macht grundsätzlich einen guten Job, aber bei der Veloförderung müsste er rasch einen Zacken zulegen. Auch die Strassenlärmsanierung, für die Ende März 2018 die bereits verlängerte Frist endgültig abgelaufen ist, wird ihn weiterhin beschäftigen. Es leiden immer noch über 100 000 Zürcherinnen und Zürcher unter übermässigem Strassenlärm. 

Die allgemeinen Klimaziele, die bis 2030 beziehungsweise 2040 erreicht werden sollen, betreffen viele unterschiedliche Lebensbereiche des Zürcher Alltags. Der Stadtrat hat ambitionierte Ziele vorgelegt, das ist super – da gilt es aber auch, dranzubleiben und rasch vorwärtszumachen. Wir haben in Zürich so viel Geld und so viele gescheite Leute – wenn wir nicht als Stadt Zürich eine ambitionierte Klimastrategie verfolgen, wer dann?

 

Und was würden Sie dazu beitragen?

Mit meiner langjährigen Erfahrung des Arbeitens in öffentlichen Verwaltungen würde ich mich in der Stadtzürcher Verwaltung rasch zurechtfinden und wissen, wo und wie ich meine Ideen einbringen müsste, damit sie rasch verwirklicht werden könnten. Mir ist auch die Nähe von Verwaltung und Bevölkerung ein grosses Anliegen. Noch redet man zu oft aneinander vorbei: Die Verwaltung will etwas für die Bevölkerung tun, die aber reagiert betupft, weil sie eigentlich etwas anderes haben wollte. In solchen Situationen würde ich versuchen, auf beiden Seiten Verständnis für die jeweils andere Seite zu schaffen, damit Verwaltung und Bevölkerung vermehrt gemeinsam Lösungen finden, die für alle stimmen.

 

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