EuropäerInnen, frisch vernetzt

 

Vom 9. bis 12. April fand in Winterthur der Kongress der YES (Young European Socialists) statt, der Dachorganisation aller europäischen sozialdemokratischen Jungparteien. Der Kongress ist das höchste Gremium der YES. Über 200 GenossInnen aus 49 Ländern beteiligten sich an regen Diskussionen über die nahe Zukunft der Organisation.

 

Samira Marty

 

Frei zitiert nach Herman Greulich begrüsste Fabian Molina, Präsident der Juso Schweiz und Mitorganisator des Kongresses, die Delegierten mit den Worten: «Licht in die Köpfe – Feuer in die Herzen!» In seiner Eröffnungsrede wies er ausserdem auf die Symbolik der Veranstaltung hin, exakt nach den 100 Jahren der Zimmerwald-Konferenz in Bern den Kongress nun in der Arbeiterstadt Winterthur durchzuführen. Daran anknüpfend präsentierte die Juso Schweiz das zweite Zimmerwald-Manifest, um als Antwort auf internationale Konflikte mehr internationale Solidarität, die striktere Einhaltung der internationalen Menschenrechte sowie eine demokratische Reform der UNO zu fordern. «Dieses erneuerte Manifest ist nicht nur historisch ausschlaggebend», meint Guilhem Krokot, internationaler Sekretär der Juso Schweiz, «sondern gibt uns eine europäische Grundlage, um zum Beispiel den Konflikt in der Ukraine oder die Attentate in Paris und daraufhin die paranoide Sicherheitspolitik über Landesgrenzen hinweg zu thematisieren». In den Eröffnungsreden wurden die Delegierten ermutigt, kritische Debatten innerhalb ihrer Mutterparteien und eine bessere Vernetzung auf dem Kontinent voranzutreiben.

 

Grüner Sozialismus & wichtige Wahlen

Die inhaltlichen Debatten wurden unter anderem zum Thema des «Grünen Sozialismus» geführt, das am letzten Kongress vor zwei Jahren als Schwerpunkt bestimmt worden war. In diesem umfassenden politischen Papier wurden besonders die Programmpunkte der gentechnologisch mutierten Nahrungsmittel zur Hungerprävention und kostenloser öffentlicher Verkehr im europäischen Raum debattiert. Besonders die ‹sozialliberalen Ansichten› der skandinavischen Staaten stiessen bei der Schweizer Delegation auf Unmut: «Manchmal fragte ich mich schon, ob das überhaupt noch JungsozialistInnen waren, die da am Mikrofon Gen-Tech für Grundnahrungsmittel oder offenere Märkte forderten» , meinte eine Schweizer Delegierte. Am Samstag dann wurden die Gremien der Dachorganisation gewählt. Zahlreiche ‹geheime› Treffen sorgten für eine angeregte Nacht der langen Messer. Warum nehmen die Delegierten diese Wahlen so wichtig? Thomas Maes, abtretender Generalsekretär der YES, erklärt: «Diese Wahlen stehen für die politische Ausrichtung der YES. Wir sind keine homogene Gruppe, sondern zeigen ein relativ breites politisches Spektrum auf.» Damit spielt auch Maes auf die Kontroversen an, die sich vor allem zwischen den skandinavischen und den westeuropäischen JungsozialistInnen abspielten.

Die frisch gewählte YES-Präsidentin Slimani betont hingegen die Einheit, die die Dachorganisation für sie ausstrahlt: «Wir sind eine Generation linker, progressiver und mutiger Aktivisten, die sich für ein neues Europa einsetzen – das ist das, was uns verbindet und antreibt.» Die Lobbyarbeit innerhalb des europäischen Parlaments ist für sie eine Kernaufgabe für ihre Amtszeit, aber auch der steigende Rechtsradikalismus wird ein prioritäres Thema bleiben. «Wir als junge Generation sind in der Pflicht, unsere Mutterparteien zu schütteln und zu rufen: ‹Wacht endlich auf.› Denn als Antwort auf die erstarkende Rechte muss es für die Wählerinnen und Wähler zufriedenstellende linke Antworten geben», sagt Slimani. Und welches ist für sie die Rolle der Schweizer Jusos als Nicht-EU-Mitglieder für die YES? «Wir sind alle Produkt der Entscheidungen aus Brüssel», erklärt sie nach kurzem überlegen, «und wir als junge Europäerinnen und Europäer müssen alle mit den ungerechten Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt leben – ob wir in der EU Mitglied sind oder nicht. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass die Juso Schweiz ein positives Bild der EU innerhalb eurer Festung vermittelt». – «Und wir arbeiten bereits eng im deutschsprachigen Raum zusammen», setzt Molina nach, «aber wir haben unser Potenzial der Vernetzungsmöglichkeiten natürlich noch lange nicht ausgeschöpft».

 

Und was denken die Teilnehmenden über die Schweiz als Gastgeberland? «Die Schweiz hat momentan nicht so ein gutes Image bei uns», erklärt eine Delegierte aus Irland, «ich bin aber zutiefst positiv überrascht über das alternative Winterthur und die zahlreichen Schweizer Jusos. Sie bringen sehr viel frischen Wind und führen sehr erfolgreiche Kampagnen.» Ein anderer bemerkt: «Ich wünschte, wir hätten auch die politische Durchschlagskraft, eine 1:12-Initiative auf die Beine zu stellen und so erfolgreich einen nationalen Diskurs zu beeinflussen.» – «Über 1:12 in der BBC News zu hören, machte uns sehr stolz», stimmt eine britische Delegierte zu.

Abends dann wurden die Debatten mit viel Pathos bei Soli-Bieren fortgeführt. Wann sind wo Wahlen und was sind die Kernprobleme, wurde gefragt, aber auch: Sind wir nationalistisch oder gar neo-kolonialistisch, um hier als junge europäische Linke zu debattieren?

Dies sind Fragen, die nach drei Tagen Winterthur nicht einfach so beantwortet werden können. «Immerhin geht uns der Diskussionsstoff nie aus», meint Slimani schmunzelnd.

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