«Die Chancen stehen sehr gut»

Diese Woche wird bekannt, ob der Winterthurer Stadtpräsident Michael Künzle (CVP) bei den Wahlen vom 13. Februar 2022 erneut antritt. Dass er Konkurrenz erhält, gab die SP schon letzte Woche bekannt: Ihr Finanzvorstand Kaspar Bopp kandidiert als Stadtpräsident. Weshalb ihn das Amt reizt und wie er seine Chancen einschätzt, erklärt Kaspar Bopp im Gespräch mit Nicole Soland.

 

Weshalb möchten Sie Stadtpräsident von Winterthur werden?

Kaspar Bopp: Die SP hat in Winterthur einen WählerInnenanteil von über 30 Prozent. Unsere Ideen zu wichtigen Themen wie beispielsweise Verkehr, Klima, Gleichstellung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder AusländerInnen- und Migrationspolitik finden zudem über die Parteigrenzen hinweg Anklang. Doch im Stadtpräsidium sind diese Themen zurzeit nicht ausreichend vertreten, und das soll sich ändern.

 

Ihre Kandidatur ist somit ein Misstrauensvotum gegenüber dem amtierenden Stadtpräsidenten?

Nein, darum geht es nicht. Die Kernanliegen der rot-grünen Mehrheit im Stadtrat sind mir wichtig, und es ist mir insbesondere wichtig, dass diese auch im Präsidium vertreten sind. Das Vertrauen der WählerInnen in unsere Politik verpflichtet uns dazu, Verantwortung zu übernehmen. Dieser grossen Herausforderung stelle ich mich gern, und zwar unabhängig davon, wer alles sonst noch fürs Präsidium kandidiert. 

 

Was reizt Sie speziell an diesem Amt?

Als Stadtpräsident kann ich besser gegen aussen sichtbar machen, was meine Lieblingsstadt Winterthur auszeichnet. Vor allem aber kann ich so die Zukunft unserer Stadt gemeinsam mit meinen ParteikollegInnen, der Bauvorsteherin Christa Meier und dem Sozialvorstand Nicolas Galladé, noch besser mitgestalten.

 

Sie sind noch keine zwei Jahre Finanzvorstand: Haben Sie bereits genug davon, den Kassenwart zu machen, und wollen deshalb bei der ersten Gelegenheit das Departement wechseln?

Sicher nicht: Sollte es nicht klappen mit dem Präsidium, würde ich mich freuen, weiterhin als Finanzvorstand zu wirken. Ich mache diese Arbeit sehr gern und würde auch in Zukunft dafür sorgen, via Budgetentwurf die Weichen zu stellen, damit die städtische Politik so ausgestaltet werden kann, wie auch die Mehrheit der WählerInnen dies wünscht.

 

Ihr Budget 2021, das eine Steuererhöhung um sieben Prozentpunkte vorsah, hat das Parlament zurückgewiesen. Das dürfte kaum speziell motivierend gewirkt haben…

Es war uns von Anfang an klar, dass es nicht einfach werden würde, dieses Budget durchzubringen. Wir mussten damit rechnen, dass es uns nicht gelingen würde, an der Steuerfusserhöhung um sieben Prozentpunkte festzuhalten. 

 

Wenn man weiss, dass es «schwierig werden» wird, muss man doch im Vorfeld umso mehr alles daran setzen, mit allen Beteiligten Gespräche zu führen.

Es fanden sehr viele Gespräche statt. Dass das Parlament aber die Mitarbeit verweigern und das Budget ohne Diskussion kurzerhand zurückweisen würde, damit konnten wir nicht rechnen. Doch so dramatisch, dass ich mich hätte entmutigen lassen, war das Ganze bei Weitem nicht: Wir haben innert Rekordzeit ein neues Budget vorgelegt, und der Grosse Gemeinderat hat es genehmigt.

 

Welches sind die grössten ‹Baustellen›, die Sie als neuer Stadtpräsident anpacken müssten?

Zuerst einmal möchte ich daran erinnern, dass die wichtigen Entscheide im Gesamtstadtrat fallen und dass sich die Mehrheiten im Stadtrat mit meiner Wahl als Stadtpräsident nicht automatisch verschieben würden. Ich würde aber nach aussen sicher besser aufzeigen, was wir in den wichtigen Themenbereichen wie den bereits genannten, beispielsweise Verkehr, Klima oder Gleichstelllungspolitik, tun und zu tun gedenken. Als Stadtpräsident wäre ich zudem oberster Personalchef und könnte als solcher der Gleichstellung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein besonderes Augenmerk widmen. Die Kultur gehört ebenfalls zum Präsidialdepartement, und auch hier gilt es, gerade im Zusammenhang mit den Massnahmen gegen Covid-19, genau hinzuschauen und den Kulturschaffenden Perspektiven und mehr Sicherheit zu geben.

 

Bringt das Stadtpräsidium auch Aufgaben mit sich, die Sie nicht unbedingt haben müssten?

Nein, sowohl von den Themen her als auch was vermehrte Auftritte in der Öffentlichkeit betrifft, sehe ich nichts, was mir Bauchweh machen würde.

 

Wo würden Sie Akzente setzen?

Das Stichwort heisst «Winterthur 2040». Winterthur ist eine stark wachsende Stadt und steht damit vor verschiedenen Heraus­forderungen. Das Wachstum ist eine Realität, aber wir wollen es nicht einfach passieren lassen, sondern aktiv mitgestalten. Was meine Kollegin Christa Meier diesbezüglich plant und bearbeitet, würde ich stark mittragen. Dazu gehört natürlich auch der Bau der zusätzlich benötigten Infrastruktur, beispielsweise von Schulhausbauten.

 

A propos Infrastruktur: Als Velostadt hat Winterthur in den letzten Jahren seltener für positive Schlagzeilen gesorgt als auch schon.

Was die Velostadt betrifft, sind die geplanten Schnellrouten ein wichtiges Thema. Wir konnten zudem die Blockade lösen, die in der letzten Legislatur mit ihrer bürgerlichen Mehrheit im Stadtrat herrschte. Seither ist schon einiges passiert, und Ende Jahr beziehungsweise im Frühling 2022 werden zwei neue Velostationen eröffnet, die dringend benötigte zusätzliche Veloabstellplätze beim Bahnhof bringen.

 

Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, dass Sie am 13. Februr 2022 zum neuen Stadtpräsidenten gewählt werden?

Die Chancen stehen sehr gut: Die SP kann, wie bereits erwähnt, nicht nur auf ihre eigene WählerInnenstärke zählen, sondern auch darauf, dass unsere Politik über die Parteigrenzen hinaus gut ankommt. Tritt Michael Künzle wieder an, profitiert er natürlich vom Bisherigenbonus, doch auch dann sind meine Chancen intakt.

 

Weil, wie der ‹Landbote› schrieb, die Grünliberalen der SP seit den Ersatzwahlen nach dem Rücktritt von FDP-Stadträtin Barbara Günthard-Maier etwas schulden?

Es finden Gespräche statt und natürlich wäre es erfreulich, wenn die GLP meine Kandidatur als Stadtpräsident unterstützt. Aber das ist nicht matchentscheidend. Die Bevölkerung interessiert, für welche Themen und für welche Politik ich einstehe. Da gibt es gerade in gesellschaftlichen Fragen und bei der Umweltpolitik eine grosse Überschneidung auch mit der WählerInnenbasis der GLP.

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