Die Gesetzmässigkeiten einer Gesellschaft lassen sich auch im Kleinen darstellen.

Es waren auch bloss die Bewohner:innen eines Kairoer Hauses, des «Jakubiyan-Baus», entlang derer Alaa al-Aswani mittels der Beschreibung ihrer Situation, ihres Handelns, der sie plagenden Zwänge und ihrer Verhältnisse und Abhängigkeiten untereinander ein stellvertretendes Sittenbild der ägyptischen Gesellschaft in den 1990er-Jahren erzählen konnte. «Under the fig trees» von Erige Sehiri – Drehbuch: Erige Sehiri, Ghalya Lacroix, Peggy Hamann – gelingt dasselbe mit der tunesischen Gesellschaft dieser Tage anhand der an sich leichtfüssig wirkenden Beschreibung eines Arbeitstages einer Gruppe von Tagelöhner:innen von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang.

Der Inhaber, also der sich als Chef gebärdende Jüngling, ist bei Licht betrachtet auch bloss ein Pächter, also Stellvertreter, was ihn aber nicht davon abhält, sich herrisch, herablassend, allmächtig zu inszenieren. Die alten Frauen sind darauf bedacht, unter dem Radar durchzukommen, und sitzen deshalb auf ihr Maul. Eine lässt sich halb widerwillig, halb habgierig als Spitzel zusätzlich bezahlen.

Die Mehrheit der Figuren sind hälftig junge Männer und junge Frauen, die offensichtlich gerade Sommerferien haben. Eine Pause, in der sie sich überlegen, ob sich eine weiterführende Schule für sie am ehesten auszahlen könnte, oder ob nicht doch die altbewährte, dafür leidlich rückwärtige Suche nach einer geeigneten, also guten Partie die doch sicherere Zukunft verspricht.

Unter den jungen Männern finden sich findige, ergo Schlitzohre, die neben der offiziellen Tätigkeit auch noch in die eigene Tasche arbeiten. Solche, bei denen zurückliegende Ereignisse, oder sei es auch nur ihre familiäre Herkunft, sie von vornherein als suspekt erscheinen lassen, was zur Folge hat, dass sie sich keinen einzigen Fehler erlauben dürfen. Und bei den Frauen, der eigentlichen Stütze der Gesellschaft, wird letztlich alles unter sich ausgemacht, was wirklich von Belang ist und wird. froh.

«Unter the fig trees» spielt im Kino Houdini.