Redistribution 2.0

Gretchenfrage: Wie hält es die Linke mit der Religion? Einfache Antwort! Gar nicht. Daher wird sie von Gott ja auch gehasst, und wen Gott wirklich hasst, dem erfüllt er all seine Wünsche.

 

Freihandel zähmen? Lass Trump ’ran! Neuauflage stalinistischer Kaderparteien? Schau mal bei der SVP! ArbeiterInnen mobilisieren? Die Rechte kann’s! Protestsongs in allen Kopfhörern? Listen to Gölä! Das Volk auf die Strasse bringen? Frag die AfD! Wer hat’s erfunden? Egal! Populisten und Völkische führen aus, setzen um, wenden an! Die tun was!

 

Natürlich gab es Vorzeichen; im Nachhinein sogar unübersehbare, wenn auch schwierig zu deuten. Etwa die zornigen alten Anarchos von Ecopop: «Weisch, wir wissen schon, dass wir den Karren an die Wand fahren – aber das ist uns egal. Ihr habt lange genug nichts erreicht, jetzt machen wir Nägel mit Köpfen!» So hat’s getönt bei diesen alten Linken und Liberalen, und ihr Mix aus Grün und Braun hat doch immerhin erstaunlich viele Leute begeistert. Überhaupt: Der Vorwurf, dass die Linke nichts erreicht habe, dass wir nun ein paar Jahrzehnte unsere Chance gehabt und sie versiebt hätten, dieser Vorwurf wurde immer lauter in den letzten Jahren. Mal ganz abgesehen davon, dass er nicht stimmt: Warum sollte dann die Antwort darauf zwangsläufig Le Pen, Orban oder Rösti heissen?

 

Schon lustig, wenn man dann im Qualitätsblatt von der Übereinstimmung von Trump und Mao liest, aber das ständige Gerede, links und rechts hätten mittlerweile als Koordinaten der Politik ausgedient, ist dennoch Quatsch. Mal ganz abgesehen davon, dass man gemäss dieser Logik der politischen Verwedelung ja nur noch Links wählen könnte, ist sie weder hilfreich noch richtig. Sogar wenn man dem modernen Diktum folgen mag, wonach es keine Klassen mehr gebe, sondern nur noch Lebensmilieus, ist die Frage von Links und Rechts immer noch eine klare Sache, vorab in Zeiten zunehmender Ungleichverteilung. Es geht immer noch um oben oder unten, heute zudem auch um drinnen oder draussen. Ganz zu schweigen von den guten alten Kategorien, die leider etwas in Vergessenheit geraten sind wie etwa, dass die einen die Produktionsmittel besitzen, die anderen nicht. Oder hab ich da einen gewaltigen Schub an innerbetrieblicher Mitbestimmung verschlafen? Es ist auch immer noch so, dass die einen vom Kapitalertrag leben, die anderen von ihrer Arbeit. Das gute alte «Sit dir öppert, oder nämet ihr Lohn?» Nur ist die Lage heute noch schamloser, weil diejenigen mit hohem Kapitaleinkommen auch noch die höchsten Arbeitseinkommen haben: The winner takes it all. Auch der Umstand, dass jede von uns mal zur einen, mal zur anderen Gruppe zählen kann, etwa, wenn man via 2. Säule AktionärIn ist, ändert nichts daran. Die Grenzen sind vielleicht durchlässiger geworden, wenn auch nicht für alle, aber die Grenzen sind da. Und die Zäune darauf werden nicht mehr nur gebaut, sondern es wird auch noch verlangt, dass die Ausgesperrten dafür bezahlen.

 

Darum gibt es nur eines: Wieder politisch auf Politik reagieren! Und das heisst im Kern: umverteilen. «More redistribution», hat es die IWF-Chefin Lagarde am WEF formuliert. Ausgerechnet. Aber sie liegt falsch: Wir brauchen nicht mehr, sondern wir brauchen eine andere Richtung der Umverteilung. Ein besonders dreister Versuch wurde ja am Wochenende abgeschmettert, die USR III. Es wird nicht der letzte gewesen sein. Nutzen wir daher den Schwung für ein Stück mehr fairen Ausgleich! Denn die Menschen werden bald merken, dass sich sogar Gott irren kann.

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