Ist der Algorithmus ein Künstler?

Am Mittwoch stellten Corine Mauch und Peter Haerle das insgesamt fünfte Kulturleitbild der Stadt Zürich für die Periode von 2020 – 2023 vor. Es ist das Instrument, um eine Gesamtschau der Kulturförderung möglich zu machen. Konkrete geldwerte Entscheidungen trifft der Gemeinderat weiterhin auf stadträtliche Weisungen hin.

 

Der grösste, geplante Umbau der städtischen Kulturförderung in den Sparten Tanz und Theater findet im Kulturleitbild (KLB) zwar Erwähnung, ist aber ein separates Geschäft, das erst nach der Kenntnisnahme des KLB zuerst in den Gemeinderat dann vors Volk kommt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die vielen offenen Fragen diesbezüglich (siehe P.S. vom 1.2.19) nach wie vor bestehen. Dem Vernehmen nach wurde den betroffenen SubventionsnehmerInnen bereits eine sehr viel detailliertere Version vorgestellt. Zu den Ressorts Tanz/Theater gibt es von daher nur zu vermelden, dass das Theater Hechtplatz nach 2023 saniert werden muss und dass das Theater-Spektakel eine Subventionserhöhung von 100 000 Franken für zusätzliche kostenlose Veranstaltungen erhalten soll. Beide Institutionen sollen daraufhin untersucht werden, ob ihre Struktur als städtische Dienstabteilungen sinnvoll ist, oder ob sie ausgegliedert gehören. Bei der Roten Fa­brik beginnt eine Umkehrbewegung: Die nicht zur IGRF gehörenden Teile wie die Shedhalle sollen neu unter einem Dach und einer (neuen?) Trägerschaft versammelt werden, was sicher noch für Diskussionsstoff sorgt. Zum Stand der Bautätigkeit nach dem Brand ein Jahr vor dem Tanzhaus, das jetzt fertig ist, ist kein Fortschritt präsentiert worden.

 

Film/Musik
Wenig Bewegung ist auch in der Sparte Film zu erwarten, weil hier die Filmstiftung 87,9 % der Mittel bindet und daraus die projektbezogene Förderung bestreitet. Einzig der freie Kredit von bisher 60 000 Franken soll auf 110 000 Franken pro Jahr erhöht werden, damit bisher nicht geförderte Filmfestivals – Yesh, PinkApple, Arab Film Festival, Pornydays und wie sie alle heissen – mit einmaligen Unterstützungsbeiträgen in der geschätzten Höhe von 20 000 Franken gefördert werden können sollen.

 

Zur Tonhalle, deren Umbaubudget etc. budgetmässig bereits in trockenen Tüchern ist, steht im KLB einzig eine Bemerkung zur geäusserten Traumvorstellung eines inte­gralen Weiterbetreibens des aktuellen Provisoriums im Maag-Areal, die sich ausformuliert nicht gerade als Ausbund grösster Freude liest. Die Institution selbst soll hingegen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden, damit die Machtverhältnisse im Gegensatz zu einem Verein klarer abbild- und durchsetzbar werden. Bezüglich Musiktheater im E-Bereich erkennt die Stadt ein zunehmendes Bedürfnis, was mit der Krediterhöhung um 100 000 Franken aufgefangen werden will. Neu gefördert werden soll Hombis Salon, der seit drei Jahren im Hunziker-Areal in Schwamendingen besteht, mit 80 000 Franken.

 

Im Bereich Jazz/Rock/Pop wird die mehrjährige Förderung eingestellt, weil sie offenbar keinem Bedürfnis entspricht. Dafür wird der Kredit für die Klubförderung um 50 000 Franken erhöht und es sollen zu den bereits sechs bestehenden zehn neue mobile Probenboxen hergestellt und in Zwischennutzungen untergebracht werden. Der Verein Unerhört, der auch das Taktlos-Festival betreibt soll 50 000 Franken mehr Subventionen erhalten, das Zurich Jazz Orchestra einen um einen Drittel erhöhten Betrag von insgesamt 130 000 Franken. Etwas irritierend ist der offene Wiederspruch, dass bei Rock/Pop der grössere Bedarf erkannt wird, die Mittelerhöhung aber im Bereich Jazz stattfindet.

 

Literatur/Kunst
Der allgemeine Ressortkredit, das Literaturhaus wie auch der Betriebsbeitrag ans Schweizer Institut für Kinder- und Jugendmedien sollen erhöht werden.
Ein etwas paradoxer Umstand betrifft das Haus Konstruktiv, dem das EWZ 100 000 Franken Mietsubventionen streicht, worauf das Präsidialdepartement mit dem Wunsch einer Subventionserhöhung um 200 000 Franken reagiert. Das EWZ, das per definitionem gar keinen Gewinn erwirtschaften darf und gleichzeitig mit sprudelnden Geldquellen konfrontiert ist, wird seine Compliance-Gründe dafür haben. Letztlich ist es ein rein buchhalterisches Geldumlagern vom einen städtischen Konto zum anderen. Die zusätzlichen 100 000 Franken sollen in Projekte der Teilhabe und Vermittlung fliessen. Die «Kunst Szene Zürich», die fälschlicherweise mit dem Begriff der früheren unjurierten in Verbindung gebracht wird, aber bei weitem nicht über dieselbe Durchlässigkeit wie die Vorgängerin verfügt und zudem vergleichbar mit der Manifesta an 25 verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Zeiten stattfindet, woran das Präsidialdepartement offenbar grosses Gefallen findet, soll 2022 mit einem um 90 000 Franken erhöhten Budget von insgesamt 400 000 Franken wieder durchgeführt werden. Ebenso wie in den Sparten Theater/Tanz werden auch in der bildenden Kunst die Auslandateliers in ihrer Anzahl reduziert, die freiwerdenden Mittel in Werkstipendien und einen höheren Ankaufsetat umgelagert. Peter Haerle erklärte an der Präsentation, es wäre der Zeitgeist, der die Ateliers nicht mehr attraktiv machte. Eine Randbemerkung müsste hier möglich sein: Eine grosse Schwierigkeit für Kunstschaffende bezüglich der Auslandateliers bestand auch darin, dass der Weg dahin selber finanziert werden musste und die Pauschale für ein Leben in Anderswo nicht sehr viel opulenter ausfiel, als die hier fälligen Krankenkassenprämien. Statt dem Abbruch der Übung wäre eine markantere Erhöhung der finanziellen Gesamtpakete für die ausgelobten TeilnehmerInnen ein genauso praktikabler Weg gewesen.

 

Altersvorsorge/Honorare
Im aktuellen KLB ist von einer Sensibilisierungskampagne die Rede, die Institutionen im Bereich der bildenden Kunst darauf hinweisen möchte, die Kunstschaffenden bitte auch zu honorieren und nicht nur die Ausstellungskosten zu tragen. Auch bezüglich der Altersvorsorge setzt das Präsidialdepartement auf die sogenannte Eigenverantwortung. Bis auf die Ausnahme der Direktförderung, die nach Nachweis einer Einzahlung von sechs Prozent der Unterstützung in eine gebundene Vorsorge einbezahlt zu haben, um denselben Betrag wieder aufgestockt wird, ist vonseiten Stadt ausser dem Appell keine geldwerte Massnahme angekündigt. Dafür soll ein vernetztes Labor in drei Jahren für ungefähr 900 000 Franken eruieren, ob die Kulturförderung im jetzigen Stadium den Anforderungen der Zeit noch gerecht wird, ob es blinde Flecken gibt, und was im Zusammenhang mit der Digitalisierung überhaupt unter dem Begriff förderberechtigte Kunst fallen soll.

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