Zweischneidig

Initiativen zur Hilfe leben alle mit dem Dauerclinch, ob oktroyierte Unterstützung nicht vielleicht vielmehr ins Kontraproduktive kippte, und der gegenläufigen Hilflosigkeit, ob oder was in dem Fall zu unternehmen wäre, falls Hilfe zur Selbsthilfe nicht angenommen würde und im Sande verliefe. «L’Intrusa» von Leonardo di Constanzo ist diesbezüglich ein verstörendes Zeugnis, gerade weil er diese Zweischneidigkeit nicht forciert auflöst. Irgendwo am Rand Neapels besteht eine Freizeitoase, wo Schulkinder kreative Beschäftigung finden, was sie davon abhält, auf den Strassen rumzulungern und auf dumme Gedanken zu kommen, vulgo früh kriminell zu werden. Die Infrastruktur wird von der Stadt gestellt, die Arbeiten allerdings sind in diesem Ausmass nur mit sehr viel ehrenamtlicher Tätigkeit zu erledigen. Die treibende Kraft im Alltag und die von allen respektierte Quasichefin ist Giovanna (Raffaella Giordano). Die Koordination der Freiwilligeneinsätze mit ihren kurzfristigen Änderungen oder Schlichtungen in den Werkstätten, wo die Jungs nicht einsehen wollen, was ein Mädchen hier verloren haben sollte, gehören zu ihren profansten Problemfällen, die sie immer alle irgendwie löst. Als sie einer Mutter mit Neugeborenem und kleinem Mädchen das Einraumhäuschen auf dem Areal überlässt, nimmt die im Film zentrale Zerreissprobe ihren Anfang. Diese Maria (Valentina Vannino) hat nicht ihre ganze Geschichte offenbart, was sich herausstellt, als eine Sturmtruppe der Polizei inklusive Helikopterunterstützung ihren Mann und Kindsvater eines Morgens aus eben diesem Häuschen verhaftet: Ein Mafiakiller. Die anderen Eltern sind empört, fordern Giovanna auf, diese Familie vom Platz zu verweisen und drohen mit künftigem Wegbleiben. Giovanna hält mit der tief humanistischen Begründung dagegen, nur mit Hilfe von aussen könne der Kreislauf von Tat und Rache durchbrochen werden und Maria benötige diese Hilfe. Die hehre Theorie Giovannas aber prallt auf die Angst der Quartierbevölkerung, aber auch auf deren Mauern in den Köpfen, ihr in ihrer Überlegung auch mit dem Herzen zu folgen. Heftig existenziell. froh.

 

«L’Intrusa» spielt im Kino Houdini.

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