Zuerst als Farce, dann als Tragödie

Ich habe vorher alte Kolumnen von mir gelesen. Von 2016, geschrieben nach der ersten Trump-Wahl. Und ich war kurz versucht, sie einfach wieder zu publizieren. Copy und Paste. Hand aufs Herz – Sie hätten es vermutlich gar nicht gemerkt. Ich hab es nun dennoch nicht getan, zum einen,  weil es mein Stolz nicht zulassen würde, hier nicht etwas Neues zu schreiben. Und weil ich auch ein wenig stockte beim Gedanken, dass mir in acht Jahren nichts wirklich fundamental Neues eingefallen ist.

Auch die Farce und die Tragödie war an dieser Stelle schon mal Thema. Vermutlich mehr als einmal. Wir alle kennen das Zitat von Marx: «Hegel bemerkt irgendwo, dass alle grossen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als grosse Tragödie, das andre Mal als lumpige Farce.» Tragödie und Farce erscheinen auch bei dieser erneuten Wahl als treffendes Bild. Vielleicht auch «Und täglich grüsst das Murmeltier». Das ist der Film, in dem der Hauptdarsteller Bill Murray gezwungen war, denselben Tag immer und immer wieder zu erleben. Es ist also, als ob man aus einem Albtraum erwacht ist, nur um ihn genau gleich wieder und wieder zu erleben.

Der Unterschied zu Marx ist, dass die zweite Wiederholung die Tragödie sein wird. Das erste Mal war die Farce. Dies im Unterschied zu den eigenen Gefühlen, die bei mir – und wohl auch bei vielen anderen – weit weniger ungläubig und geschockt sind als beim ersten Mal. Es zeichnet sich aber ab, dass Trump genau das tun wird, was er auch angekündigt hat und vor dem die Demokraten vergeblich gewarnt haben. Mit der Ernennung von Tom Homan als Grenzschutzverantwortlichen (Border Czar) und Stephen Miller als stellvertretenden Stabschef macht er zwei Hardliner verantwortlich für den Plan, 15 Millionen Ausländer zu deportieren. Dass die beiden nicht zimperlich sind, hat man gesehen bei der Politik der ersten Trump-Administration, als Familien bei der Einreise getrennt wurden und den Eltern die Obhut der Kinder entzogen wurde. Diese Kinder wurden teilweise ohne oder nur mit minimaler Betreuung hinter Gittern inhaftiert. Diese Politik führte zu Protesten, gegenüber denen die Trump-Adminis­tration am Schluss einknickte. Die geplanten Massendeportationen oder Inhaftierung in Lagern, die der neuen Administration vorschwebt, wird aber voraussichtlich einiges schlimmer werden. Elon Musk und Vivek Ramaswamy sollen Chefs einer neuen Behörde werden, deren Auftrag es ist, die Bürokratie abzubauen und grosse Kürzungen im Budget vorzunehmen. Elon Musk ist der reichste Mann der Welt, dessen Reichtum neben seinem Erbe in erster Linie daraus entstanden ist, dass er milliardenschwere Aufträge vom Staat erhalten hat. Und der in den letzten Monaten und Jahren in seinen öffentlichen Auftritten und Äusserungen den Anschein erweckt, als seien seine Medikamente nicht richtig eingestellt. Dass diese beiden bei den eigenen Subventionen kürzen würden, ist kaum anzunehmen. Vielmehr wohl das Gegenteil: Die Oligarchen sind selber die Herren der Honigtöpfe. 

Man kommt nicht umhin, fast zu bewundern, wie schamlos die ganze Selbstbereicherung funktioniert. Auch bei Trump, der nicht nur als politischer Messias auftritt, sondern seine Bewunderer auch gerne abzockt mit dem Verkauf von überteuerten Münzen, Turnschuhen oder Bibeln. Der Politanlass als Homeshopping-Kanal. Dass also diese Gruppe von schamlosen Abzockern, Betrügern und Kleptokraten der Mehrheit weismachen konnte, die Elite seien irgendwelche Journalisten, Künstlerinnen oder trans Personen, ist tatsächlich eine Leistung.

Natürlich sind die Ursachen und Gründe wohl etwas komplexer, als es diese Zeilen vermuten lassen. Dazu werde ich sicher später noch etwas mehr schreiben, wenn auch mehr Informationen da sind. Aber das Verdikt hat sicher mit der Kaufkraftkrise zu tun, mit den sozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie, die auch in anderen Ländern zu grosser Unzufriedenheit mit den amtierenden Regierungen führen. Der zweite Grund ist das sich verändernde Informationssystem, dass es zunehmend schwierig macht, Leute zu erreichen, da sie keine klassischen Medien mehr konsumieren. Und daher auch sehr viel Desinformation verbreitet wird, was mit der Ausbreitung von künstlicher Intelligenz noch zunehmen wird. Das, gekoppelt mit der Orientierungslosigkeit der klassischen Medien, führt zu einem grossen Informationsungleichgewicht, das nicht einfach zu lösen sein wird. 

Die postpandemische Anti-Establishmentwelle könnte in der Schweiz interessanterweise dazu führen, dass wir als Linke profitieren. Mindestens in den Abstimmungen. Die neusten Abstimmungsumfragen deuten darauf hin, dass ein vierfaches Nein am 24. November möglich wäre. Dass sich Mietrechtsabbau-Vorlagen in einem Land von Mieter:innen schwer tun, ist nicht super überraschend. Bei der Efas-Reform waren SP und Grüne im Parlament gespalten, weil die Vorlage tatsächlich gute und schlechte Elemente hat. Laut dem Umfrageinstitut LeeWas ist hier der Zustimmungsanteil überraschenderweise gestiegen, was sonst bei Abstimmungsvorlagen selten der Fall ist. Hier muss aber auch gesagt werden, dass die Befürworter:innen eine aktivere Kampagne führen. Interessanterweise hält sich hier aber die bürgerliche Parteielite vornehm zurück, wie dies schon bei der BVG-Revision oder der 13. AHV-Rente der Fall war. Bei der SVP ist das noch erklärlich, zumal die Basis dort die Parteispitze überstimmt hat. Aber auch FDP und Mitte-Präsidien scheinen die Vorlage für wenig prioritär zu halten. Den Abstimmungskampf bestreiten vor allem die GLP und einige SP-Dissident:innen. In der Gfs-Umfrage für die SRG liegt das Ja-Lager deutlicher vorn. Der Abstimmungsausgang ist offen: Häufig tendieren die Leute bei einer komplexen Vorlage, bei der nicht klar ist, was am Ende rauskommt, eher zum Nein. Es kann aber auch sein, dass doch eine Mehrheit will, dass etwas passiert, auch wenn nicht sicher ist, ob es funktioniert. Eher erstaunlich ist die wachsende Kritik am Autobahnausbau. Ich hätte nie zu hoffen gewagt, dass ein Autobahnausbau möglicherweise abgelehnt wird. Ein Schuss vor den Bug wäre Albert Rösti zu gönnen, der sich in der letzten Zeit ziemlich ungehindert durchzusetzen vermochte, ohne Rücksicht auf demokratische Beschlüsse. 

Apropos: In der Stadt Zürich steht noch die Tschüss-Genderstern-Initiative zur Abstimmung. Ich würde ihr intakte Chancen vorhersagen. Nun kann man über den Genderstern getrost unterschiedlicher Meinung sein. Man kann ihn auch doof finden. Der SVP hier aber einen Triumph zu schenken wäre politisch dennoch schlecht. Denn es ist klar: Es wird nicht beim Stern bleiben. Denn vielleicht kommt hier auch erst die Farce und dann die Tragödie.