- Kantonsrat
Zürich triffts nicht so hart
Verabschiedet wurden drei zurücktretende Kantonsrät:innen. Geehrt wurden allerdings nur zwei, da Daniela Rinderknecht (SVP) auf eine Ehrung explizit verzichtete. Die Bäuerin aus Wallisellen, seit 2019 im Kantonsrat, tritt aus beruflichen Gründen zurück. Sie gehörte nicht zu den Vielredner:innen im Rat, spielte aber in der SVP-Fraktion nicht nur sozial eine Rolle. Martin Farner (FDP) bezeichnete der Ratspräsident Jürg Sulser als Urgestein und bemerkte zu den unerfreulichen Umständen seines Rücktritts: «Ein Urgestein bleibt ein Urgestein.» Konrad Langhart, der dritte Zurücktretende, hat eine bewegte politische und berufliche Karriere hinter sich. Er trat als konventioneller Bauer in die SVP ein, wurde überraschend Präsident der Kantonalpartei, trat aus dieser 2019 aus, weil er sich dagegen wehrte, der einzige Schuldige an der Wahlniederlage der Partei zu sein. Inzwischen Biobauer, blieb er zunächst als Fraktionsloser im Kantonsrat, wechselte zur Mitte, wo er für das Klima zuständig war. Er und die SVP gehören zu den wenigen, die eine politische Scheidung mit Anstand überlebten. Am Montag wurde er auch von den SVP-Kantonsrät:innen mit viel Applaus verabschiedet.
Deutschland ist wichtiger
Regierungsrätin Carmen Walker Späh erhielt für ihre Antworten zu einer dringlichen Interpellation von Thomas Forrer (Grüne) zu den Folgen der amerikanischen Zollerhöhungen von allen Seiten recht viel Zustimmung. Selbstverständlich von der linken Ratsseite nicht für ihr Einstehen für ein Ja zur Reduktion der Gewinnsteuer am 18. Mai, und der SVP ging ihr Engagement für gute Beziehungen zur EU zu weit. Aber ihre Grundaussagen teilten fast alle. Sie hielt fest, dass ein Handelskrieg zu einer Weltrezension führen kann und dass dies die Zürcher Wirtschaft stark treffe. Aber vorläufig leide diese unter den amerikanischen Zöllen weniger als andere. Weil sie sehr differenziert sei und weil «nur» 13 Prozent der Zürcher Exporte in die USA gehen. In die EU sind es 57 Prozent der Exporte. Für einzelne Firmen, die besonders betroffen sind, sieht sie die Möglichkeit der Kurzarbeit. Sie sprach sich zwar für Verhandlungen mit den USA aus, legte das Schwergewicht aber auf weiterhin gute Beziehungen zur EU und selbstverständlich, wie könnte sie als Freisinnige anders, auf gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft.
Thomas Forrer erwartet von der Regierung, dass sie sich vor allem um Europa und hier auch stark um Bayern und Baden-Württemberg bemüht und weniger auf die Verständigung mit den USA konzentriert. «Der Gang nach Canossa (respektive Washington) ist zwar richtig, aber angesichts der Willkür ist jeder Verstehensversuch lächerlich», führte er aus. Er erwarte Massnahmenpläne für die Unternehmen. Was daran sozialistisch sein soll, wie es Marcel Suter (SVP) behauptete, bleibt dessen Geheimnis. Für eine Konzentration auf Europa und eine relative Gelassenheit gegenüber der Willkür der trumpschen Administration sprachen sich auch Sibylle Marti (SP), Judith Stofer (AL) und Christa Stünzi (GLP) aus.
Ganz im trumpschen Sinne sprach Tobias Weidmann (SVP): «Mit den USA haben wir eine positive Handelsbilanz, mit der EU eine negative.» Also kann er mit einer zusätzlichen Anbindung an die EU nichts anfangen. Lorenz Habicher (SVP) sagte dazu: «Mit Trump können wir einen Deal machen, mit der EU ist dies nicht möglich.» Damit ich ihm nicht unrecht tue: Er sprach sich nicht für Trump aus, sondern betonte, dass die Schweiz frei und unabhängig ihren bisherigen Weg gehen soll, also mit allen wirtschaften und gute Bedingungen für die Wirtschaft schaffen.
Mario Senn (FDP) nutzte die Gunst der Stunde, um fast das ganze FDP-Parteiprogramm als Mittel gegen Trump einzusetzen. Also günstige Steuern, gute Rahmenbedingungen (ausgebauter Flughafen), Abbau der Bürokratie und der Wirtschaft nicht dreinreden, wobei er gegen Kurzarbeitsentschädigung nichts hat und punkto EU-Vertrag feststellte, dass die FDP ihre Position noch nicht festgelegt habe. Donato Scognamiglio (EVP) wies darauf hin, dass ein Teil des Kollateralschadens mit dem starken Franken und dem drohenden Negativzins bereits entstanden sei: «Wir zahlen die Unsicherheit bereits heute.»
Gefährliche Velos?
Eine Einzelinitiative von Fritz Klein verlangt, dass Veloschnellrouten (eigentlich handelt es sich um Vorzugsrouten) aus Sicherheitsgründen nicht an Schulhäusern vorbeiführen dürfen. Diese Initiative des Wollishofers hat einen durchsichtigen Grund: Die neue Veloroute in seinem Quartier kostet Parkplätze und stösst deshalb bei einem Teil der Einwohner:innen auf erbitterten Widerstand. So dienen die Sicherheit und die zweifellos vorhandenen Velorowdies als Vorwand. Ueli Bamert (SVP) und Sonja Rueff-Frenkel (FDP) nahmen den Ball zumindest teilweise auf: Die Velos hielten vor den Schulhäusern nicht an, sagte sie. Und er meinte, dass man gerade in Wollishofen auf dem Velo rast und dass für die Autos strenge Regeln gälten, während die Velofahrer:innen machen dürfen, was sie wollen und nicht bestraft werden. Rosmarie Joss (SP) zitierte aus der ‹Tages-Anzeiger›-Recherche, die festhält, dass in den letzten zehn Jahren in Zürich ein einziges Kind schwerere Verletzungen bei einem Zusammenstoss mit einem Velo erlitt.
Velofahrer:innen sind keine besseren Menschen als Autofahrer:innen. Aber sie sind für andere bedeutend ungefährlicher. Zunächst sind sie langsamer: 30 Kilometer pro Stunde ist für sie bereits ein beachtliches Tempo, das aus Eigenschutz Aufmerksamkeit verlangt. Anders als bei den Autofahrenden. Velos sind viel schmäler, die Chance des Ausweichens von Kind und Velofahrenden deutlich grösser. Velofahrende riskieren bei einem Zusammenprall mindestens so sehr die eigenen Knochen wie diejenigen der Kinder. Bei den E-Bikes gilt diese Argumentation (abgesehen von den eigenen Knochen) etwas weniger. Trotzdem reichte es für FDP und SVP mit 69 Stimmen zur Weiterbearbeitung der Initiative. Wobei beide betonten, dass sie nicht an ein Verbot, sondern an eine Einschränkung vor Schulhäusern denken – ersteres käme einem Verbot von Velovorzugsrouten in der Stadt Zürich praktisch gleich, was der Initiant anstrebt.
Gegen die Stimmen der Grünen verweigerte der Kantonsrat dem Sozialversicherungsgericht die Beibehaltung von zwei Ersatzrichterstellen. Das ist Mikromanagement in Reinkultur. Eine parlamentarische Initiative von Astrid Furrer (FDP) zur Abschaffung der negativen Vorwirkung bei der Nutzungsplanung wurde gegen den Widerstand der linken Ratsseite zur Weiterbearbeitung überwiesen. Darüber wird bei anderer Gelegenheit ausführlicher berichtet. Es ist ein Gebiet, bei dem beide Seiten gute Argumente haben. Ohne Vorwirkung kann man eine sinnvolle Ortsplanung bestens umgehen, anderseits ist es auch kein Zustand, wenn jahrelang zwei Rechtsordnungen zur Anwendung kommen und eine davon noch nicht einmal endgültig legitimiert ist.