Zürich nicht ganz im Trend

Auch im Kanton Zürich verloren die Grünen, die Grünliberalen, die CVP und die BDP, die FDP gewann gut und die SVP knapp. Im Gegensatz zum Bund gehört die SP im Kanton Zürich mit zwei zusätzlichen Nationalratssitzen und dem Triumph von Daniel Jositsch im Ständerat zu den Gewinnern.

 

Die Eidgenössischen Wahlen brachten aus nachträglicher Sicht im Kanton Zürich vier recht grosse Überraschungen: Die Wahl im ersten Anlauf von Daniel Jositsch, der so klare Spitzenplatz von Roger Köppel auf der SVP-Liste, die ebenso klare Abwahl von Christoph Mörgeli und die zwei zusätzlichen Sitze der SP. Überraschend ist nicht zu verwechseln mit bedeutend. Im Kanton Zürich war die FDP die klarste Wahlsiegerin, aber das war genauso wie die Verluste der Grünen und der Mitteparteien erwartet worden und fand auch im prognostizierten Umfang statt. Der Zuwachs bei der SVP ist mit 0,8 Prozent relativ klein, aber auf einem Niveau von 30 Prozent zuzulegen, ist nicht ganz ohne. Trotzdem zeigt sich, dass der Aufwärtstrend der SVP im Kanton Zürich gestoppt sein dürfte. Seit rund zehn Jahren bewegt sie sich stabil um die 30 Prozent herum. Sind die Umstände wie diesmal mit der Zuwanderung günstig und gestaltet die Rennleitung ihre Taktik geschickt, kommt sie leicht darüber, im Gegenwind fällt sie darunter. Auffallend ist, dass sie in der Stadt Zürich (minus 0,6 Prozent) auch dieses Mal etwas verlor.

Mit einem Plus von 3,7 Prozent schnitt die FDP hervorragend ab. Der Zuwachs verteilt sich über den ganzen Kanton, und sie ist wieder klar drittstärkste Partei des Kantons. Die GLP und die Grünen verloren je einen Sitz, aber die prozentualen Verluste (auch hier im ganzen Kanton) der GLP sind mit 3,3 Prozent (entspricht einem Viertel ihrer bisherigen Wählerschaft) deutlich grösser als jene der Grünen mit 1,5 Prozent, was einem Fünftel der bisherigen WählerInnen gleich kommt. Die CVP ist mit 4,2 Prozent definitiv im Bereich der Kleinparteien angelangt, und sie kommt mit zwei Sitzen sehr gut weg. Die EVP ist eine Kleinpartei, die sich auf ihrem Niveau von gut drei Prozent ohne Verluste behauptet, während die BDP bereits um ihre langfristige Existenz ringt, obwohl sie mit 3,6 Prozent noch leicht besser als die EVP abschnitt. Die EDU und die AL blieben ohne Sitz nicht nur unter ihren eigenen Erwartungen. Beiden hätte es mit dem Ergebnis der Kantonsratswahlen zu einem Sitz im Nationalrat gereicht. Sie leiden, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen, unter der einseitigen Verteilung ihrer Durchschlagskraft: Die AL existiert faktisch nur in der Stadt Zürich, die EDU nur auf dem Lande. Zudem zeigen sich bei den nationalen Wahlen mit dem grossen Wahlkreis die Grenzen eines bekannten Spitzenpolitikers: Es braucht 18 mal den doppelt panaschierten Bischoff, bis die Kraft einer AL-Liste erreicht ist.

 

Drei Gründe des SP-Erfolgs

Ein Plus von 2,1 Prozent ist mehr als Zufall, und es ist nur insofern auf einen ‹Genossen Trend› zurückzuführen, als WechselwählerInnen zwischen Grün und Rot derzeit rot leicht bevorzugen. Das Resultat des Kantons Zürich sticht mit jenem von Basel-Stadt deutlich hervor, und in Zürich kommt dazu, dass der Erfolg nicht auf die Städte zurückzuführen ist: Die Zunahme erfolgte in allen Bezirken. Es ist ein Erfolg und kein Triumph. Die SP ist im Gegensatz zur SVP mit diesem Ergebnis noch nicht an ihre Decke gestossen. Die Schätzung von Markus Notter, dass diese etwa bei 25 Prozent liegt, würde ich teilen. Die Linke als Ganzes nahm trotz dem Verlust der Grünen leicht zu. Aber im Vergleich zu den Rechten wenig, eine Rechtsverschiebung kam auch im Kanton Zürich zustande.

Der erste Grund für den Erfolg der SP ist Daniel Jositsch: Auch wenn ein Erfolg im ersten Wahlgang kaum denkbar war, kommt seine Wahl in den Ständerat keiner Überraschung gleich. Die SP-Mitglieder wussten, dass er eine wirkliche Chance hat, und das ist ein Grund, sich wirklich einzusetzen. Seine Panaschierstimmen auf der Nationalratsliste vermehrten auch das Total der SP.

Der zweite Grund war die Listenkonstellation der Nationalratsliste. Die neuen KandidatInnen wussten, dass bei einem normalen Ergebnis drei Sitze frei werden. Unter den fünf nach der Nomination mit den grössten Chancen, Mattea Meyer, Angelo Barrile, Min Li Marti, Priska Seiler Graf und Tim Guldimann war keine(r) der grosse Favorit. Dass die Medien Tim Guldimann faktisch mit der grössten medialen Attraktion, Roger Köppel, im Streit verkuppelten, war nicht voraussehbar und seine Wahl nicht so sicher. Diese Konstellation führte zu einer Konkurrenz, die mobilisierte und nicht lähmte.

Dritter Grund: Die Mobilisierung der Basis gelang. Im Kanton Zürich wurde von vielen viel telefoniert. Ob das Mittel das richtige war (man sprach von Amerikanisierung), spielt kaum eine Rolle. Entscheidend war, dass die eigenen SympathisantInnen persönlich zur Wahl aufgefordert wurden. Zu allen, die Inhalte im Wahlkampf vermissten: Jede Partei hat dreidreiviertel Jahre Zeit, viele von ihrer Politik zu überzeugen. In den letzten drei Monaten vor den Wahlen geht es darum, die Eigenen an die Urne zu bringen und sonst um gar nichts.

 

Weihnachten und Ostern

Die SP hatte bei der Verteilung der Mandate dank den Listenverbindungen und den Resultaten der PartnerInnen an diesem Sonntag Weihnachten und Ostern miteinander. Mit einem Plus von zwei Prozent zwei Sitze zu gewinnen, passiert einer Partei nicht so schnell wieder. Das ist ein sehr guter Grund, im zweiten Ständeratsgang mit einem anständigen Teil des gesparten Geldes Bastien Girod sehr grosszügig zu unterstützen. Loyalität verhilft auch in der Politik zu Loyalität, wenn man sie selber wieder benötigt.

 

Personelles

Die SP hatte auch personell ausgesprochen Glück: Es ist eine Wahl, die keine schlechten Gefühle hinterlässt. Mit Priska Seiler Graf und Min Li Marti gehen jene beiden nach Bern, die dank ihrer Leistungen und Erfahrungen fällig waren. Dass die Wahl von Min Li dem P.S. nutzt, ist ein erfreulicher ‹Kollateralschaden›. Mit Mattea Meyer wird Winterthur und die Jugend glücklich, wobei sie sich ihren Sitz mit ihrer Arbeit im Kantonsrat und in Winterthur erarbeitete. Angelo Barrile ist sicher der Glückspilz, der die Secondos vertritt. Und Tim Guldimann muss nun zeigen, dass er die Vorschlusslorbeeren verdient.

Die erste personelle Überraschung habe ich bereits erwähnt: Die Wahl von Daniel Jositsch im ersten Wahlgang, die nicht nur er für unerreichbar hielt. Die Abwahl von Christoph Mörgeli ist für mich die grösste Sensation. Er war in der SVP auch in seinen erfolgreichen Zeiten nie sehr beliebt. Dass er den zweiten Platz nicht halten konnte, mochte man erwarten. Aber mit einer Abwahl spekulierte niemand. Die Wahl von Roger Köppel war keine Überraschung, aber sein Platz und die Deutlichkeit als Nummer 1.

Auf der SVP-Liste kam es zu weitern Überraschungen: Nicht unbedingt die Abwahl von Hans Fehr und Ernst Schibli. Sie hatten den Zeitpunkt ihres Rücktritts verpasst. Dass Barbara Steinemann als einzige Frau mit Aussichten und engagierte Sozialhilfebekämpferin es schaffte, ist weniger eine Überraschung als die Wahl von Claudio Zanetti und vor allem von Mauro Tuena.

Ganz persönlich: Wenn es schon zwei von der SVP sein müssen, mag ich es den beiden gönnen: Sie schuften beide seit Jahren für ihre Partei, waren sich für keine Hundsverlochete zu schade, und beide befanden sich eher auf dem Abstellgleis. Sie erhielten eine verdiente Belohnung.

Bei den Grünen behaupteten sich Bastien Girod und Balthasar Glättli, kann Katharina Prelicz auf einen Erfolg von Bastien Girod hoffen und Elena Marti sich freuen, dass sie sich als Vierte gut behauptete.

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