Zügig Richtung Budget 2022
Der Zürcher Gemeinderat kommt bei der Beratung des Budgets 2022 gut voran, die ersten 55 Änderungsanträge sind bereits abgearbeitet.
Am Mittwoch begann der Zürcher Gemeinderat die Beratung des Budgets 2022. Da sich die Zahl der Änderungsanträge mit 107 im moderaten Bereich bewegte (es waren auch schon weit über 300), sollte der Rat das Geschäft heute Freitag abschliessen können. Was linke und rechte Ratsseite grundsätzlich vom Budetvorschlag des Stadtrats halten, schickten sie in Form von Fraktionserklärungen voraus. Für die SP sagte Florian Utz, die Coronakrise habe das Leben in Zürich stark geprägt, und sowohl das Pflegepersonal wie auch viele Gewerbetreibende seien «auf eine starke, solidarische und handlungsfähige Stadt angewiesen». Zürich stehe mit seinem Eigenkapital von weit über einer Milliarde Franken nach wie vor sehr gut da. «Verheerend» wäre hingegen «ein Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit, höheren Sozialhilfekosten und tieferen Steuereinnahmen». Deshalb beantrage die SP auch für das Jahr 2022 einen Gebührenerlass für das Gewerbe sowie eine Einmalzulage für das Pflegepersonal und einen Abschreibungsbeitrag von fünf Millionen Franken für die Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich.
Für die FDP-Fraktion erklärte Cathrine Pauli, «die Herausforderungen für die Finanzen der Stadt Zürich sind gross». Das Budget wie auch der Finanz- und Aufgabenplan zeigten «durchgehende Defizite von jährlich zirka 200 Millionen Franken», und trotz steigender Steuereinnahmen «schmilzt das Eigenkapital dahin». Dabei wäre mit den Kürzungsvorschlägen der FDP eine Reduktion des Defizits um rund 104 Millionen «und mehr», sprich eine schwarze Null, «problemlos möglich», befand Catherine Pauli, ja es läge gar eine Steuersenkung «in Reichweite».
Gewohnt krass kam die Fraktionserklärung der SVP, verlesen von Susanne Brunner, daher: «Wir befinden uns in einer Defizitspirale», rief sie in den Saal. Der Steuerfuss werde ab 2023 jährlich steigen und 2025 bei 124 oder 125 Prozent liegen. Zudem sei das Eigenkapital 2028 aufgebraucht, kurz, die Stadt werde «CO2-clean, aber Bankrott» gemacht. Dass konkret das Budget 2022 zur Debatte stand und weit und breit kein Antrag zur Erhöhung des aktuellen Steuerfusses von 119 Prozent zu sehen war, schien Susanne Brunner bei ihrer Schwarzmalerei nicht zu stören.
Für die Grünen erklärte Felix Moser, wir lebten in schwierigen Zeiten, die Pandemie gehe bald ins dritte Jahr und die Klimakrise verschärfe sich. Angesichts dieser Herausforderungen unterstützten die Grünen das Budget des Stadtrats mit einem Defizit von 173 Millionen Franken. Sie beantragten jedoch unter anderem einen «besonderen Effort» fürs Pflegepersonal sowie gezielte Massnahmen gegen den Klimawandel. Sven Sobernheim (GLP) gab bekannt, dass seine Fraktion mit dem Budget mit seinem Minus von «172 999 800 Franken und keinem Rappen mehr» grundsätzlich leben könne. Sollte das Budget aber während der Debatte noch verschlechtert werden, würden sie es in der Schlussabstimmung ablehnen.
«Kein Grund zur Panik»
Andreas Kirstein (AL) erklärte, das Pflegepersonal brauche mehr Geld, während das Programm zum Ausbau des Personalbestandes der Stadtpolizei bis 2030 um 150 Stellen überprüft werden müsse. Dass der Stadtrat mit dem Minus von 173 Millionen Franken 18 Millionen mehr Defizit budgetiere als letztes Jahr, sei «verkraftbar», es ginge auch «noch etwas mehr». Für die Parlamentarische Gruppe EVP hielt Ernst Danner fest, da sich die Wirtschaft gegenüber Corona als «recht widerstandskräftig» entpuppt habe, beurteile die EVP das Budget als «soweit abschätzbar realistisch und für die Stadt und ihre Steuer- und Gebührenzahlerinnen und -zahler finanziell tragbar».
Finanzvorstand Daniel Leupi betonte, es gebe «keinen Grund zur Panik», für etwas habe man das Eigenkapital ja aufgebaut. Umgekehrt sei das Budget aber auch kein Fall «für Gesundbeter», sprich, man sollte es möglichst nicht zusätzlich belasten. Eine «sichere Prognose» könne man in dieser unsicheren Zeit nicht erwarten, betonte er. Fürs letzte Jahr jedoch werde die Rechnung nicht schlechter abschliessen als budgetiert, sondern «tendenziell besser». FDP und SVP wollten den Finanz- und Aufgabenplan 2022 – 2025 nur ablehnend zur Kenntnis nehmen und das Budget 2022 zurückweisen. Erwartungsgemäss blieben die beiden mit ihren Vorschlägen allein: Mit 84:35 Stimmen nahm der Rat den Finanz- und Aufgabenplan zur Kenntnis, und mit demselben Stimmenverhältnis ging der Rückweisungsantrag bachab.
Mit Kompromissen ans Ziel
In der Detailberatung gaben unter anderem die Einmalzulage fürs Pflegepersonal, Abschreibungsbeiträge an Wohnbaustiftungen und zusätzliche Stellen für die Stadtpolizei zu reden. Zur Einmalzulage von zehn Millionen Franken beziehungsweise von bis zu 2000 Franken pro Person sagte Florian Utz, die grossartige Leistung des Pflegepersonals im Zusammenhang mit Corona solle auch finanziell honoriert werden. Sodann gab er bekannt, dass die SP bereit sei, den Betrag auf fünf Millionen Franken bzw. bis zu 1000 Franken pro Person zu reduzieren, weil sich für erstere Variante keine Mehrheit finden liess. Bei fünf Millionen mache auch die AL mit, gab Walter Angst bekannt, obwohl sie erst drei Millionen bzw. bis zu 500 Franken pro Person beantragt habe. Das Personal bräuchte aber vor allem «stabile Schichten und genügend Personal» sowie generelle Lohnerhöhungen, stellte er klar. Mit 64:50 Stimmen kam der Fünf-Millionen-Kompromiss durch.
Bei den Wohnbaustiftungen sprach sich die Mehrheit für einen Abschreibungsbeitrag von fünf Millionen Franken an die Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen der Stadt Zürich PWG für den Kauf von Liegenschaften aus, aber gegen den selben Betrag für die Stiftung Wohnungen für kinderreiche Familien: Walter Angst führte zur Begründung an, dass diese Wohnungen subventioniert würden und man heutzutage gar nichts kaufen könne, was günstig genug wäre, um die damit verknüpften Bedingungen zu erfüllen. Bei den Abschreibungsbeiträgen für die Stiftung Alterswohnungen und für die Stiftung Einfach Wohnen einigte sich der Rat auf zwei statt fünf Millionen Franken.
«Erst Debatte nötig»
Bei den ersten zehn der total 150 neuen Stellen für die Stadtpolizei warf Andreas Egli den Linken vor, sie hätten nicht das «Füdli», zuzugeben, dass sie grundsätzlich nicht mehr Polizeistellen wollten – was Walter Angst mit den Worten zurückwies, man müsse erst schauen, was und wie genau ausgebaut werden müsse, kurz, es brauche erst eine separate Debatte, bevor man Geld bewilligen könne.
Kurz vor Sitzungsschluss, gegen 23.30 Uhr, war noch mitzuerleben, wie Markus Knauss (Grüne) bekanntgab, die Forderung nach 200 000 Franken für zwei zusätzliche Stellen für die rasche Realisierung des Veloroutennetzes auf 100 000 Franken bzw. eine Stelle zu reduzieren, worauf sie eine Mehrheit fand.
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