- Post Scriptum
Zirkus
Im Rahmen einer gesunden und ausgewogenen Lebensweise habe ich mir schon länger vollständig abgewöhnt, am Morgen als Erstes auf mein Handy zu schauen. Das ist gar nicht so einfach, denn mein Handy ist mein Wecker und also sozusagen meine Initialhandbewegung. Es brauchte durchaus einiges an Disziplin, den Wecker auszustellen und dabei die Mitteilungen auf dem Display zu ignorieren, diese News aus Übersee, die reichlich reinkommen. Aber jetzt geht es. Immer besser.
Weil wenn ich dann beim ersten Kafi sitze und mir anschaue, was über Nacht so passiert ist, bin ich neuerdings sogar froh um die 10 Minuten zwischen Aufwachen und eben diesem Kafi, in denen ich noch nicht wusste, um wieviel schlechter, chaotischer, verwirrender die Welt geworden ist. Ihr ahnt es, es geht um Trump und sein Wüten, das scheinbar dann seine Spitze erreicht, wenn ich im Tiefschlaf bin, also so um Mitternacht, dann ist es nämlich 18 Uhr in Washington DC und mich dünkt, das sei seine produktivste Zeit. Wobei produktiv hier eine vielschichtige Bedeutung hat. Oder mindestens eine ironische.
In einem Kommentar in der NZZ – und für einmal schimpfe ich nicht über dieses Blatt – lese ich heute früh beispielsweise von der « dümmsten Rezession in der Geschichte». Ein gelungener Titel. «Wohin der Zollstreit führt, weiss niemand. Klar ist: Trumps Angriff auf die handelspolitische Nachkriegsordnung schürt Ängste vor einem Konjunktureinbruch. Trumps Versprechen, die Zölle würden das Land wieder wohlhabend machen, klingt hohl. Am Aktienmarkt in den USA hat sein Plan vielmehr einen zweistelligen Billionenbetrag ausradiert, Zollpause hin oder her. Diese gigantische Vermögensvernichtung spüren nicht nur die Reichen, sondern breite Schichten der amerikanischen Bevölkerung, deren Altersvorsorge zu einem grossen Teil in Aktien investiert ist.»
Ich erinnere mich an die Frauen in der Sauna im YMCA an der Old Georgetown Road in Chevy Chase, Bethesda ,Maryland. Das «Y», wie es heisst, ist eine Art gemeinschaftliches Fitnesscenter, nicht chic, nicht hip, aber mit dem Ziel, eine sportliche, gesunde Lebensweise für alle zu ermöglichen. Dort, in der Sauna, kam ich ins Gespräch mit Frauen, alle älteren Semesters, die sich über ihre Auswanderungspläne nach der Pension austauschten. Ein gängiges Thema für Smalltalk, muss man sagen, denn alt oder krank oder beides gleichzeitig zu sein ist in den USA eine teure Angelegenheit, weshalb man sich Gedanken über den Alterssitz macht. Damals schon, also noch vor Trump. Portugal, übrigens, war gerade hoch im Kurs, die Pflege daheim, so hatten die Frauen sich informiert, erschwinglich, die Umstände zum Altern würdig. Auf jeden Fall dachte ich heute Morgen an sie, und hoffte, dass sie ihre Pläne schon umgesetzt haben und in Lissabon wie ich gerade beim Kafi sitzen und in die Sonne blinzeln.
Vielleicht haben sie auch die Kolumne in der ‹New York Times› zu diesem Chaos der Zolltarife gelesen und wenn ja, dann haben sie dabei sicher auch gelacht. Denn man kann ja durchaus auch aus Verzweiflung lachen: «If you hire clowns, you should expect a circus. And my fellow Americans, we have hired a group of clowns.» Man müsse mit dem Zirkus rechnen, wenn man Clowns anstellt. So beginnt der Journalist seinen Kommentar zum Hin und Her in der amerikanischen Politik, der trumpschen Politik, dem Zirkus, gerade einmal zweieinhalb Monate alt.
Dass er die Zölle nun bereits wieder senkt, respektive die Erhöhung für 90 Tage vorerst aussetzt, ist ein Einknicken, das nur logisch scheint aufgrund der Reaktionen an der Börse und der Kritik von ihm eigentlich zugewandten Menschen. Aber Trump wäre nicht Trump, wenn er es nicht so drehen würde, als wäre das alles eine von langer Hand geplante Strategie gewesen mit dem Ziel, die US-Handelspartner an den Verhandlungstisch zu bringen. Was nun ja alle auch brav getan hätten, wie er verlauten lässt.
Und während man sich die Augen reibt ob einer ebenso abenteuerlichen wie offensichtlichen Schönrederei eines Fehlentscheides, geht mir durch den Kopf, dass es viel zu oft selbst Clowns sind, die Clowns wählen. Die finden den Zirkus gut. Immer schon.