Zeitgeist

Zwei Frauen ziehen sich an den Haaren aus dem Sumpf, dessen Klebrigkeit sich dann aber doch als überlegen herausstellt.

 

When in Rome, do as the Romans do. Brigitte Helbling münzt diese stehende Redewendung in «Der neue Prinzenspiegel» auf  die weibliche Selbstermächtigung um, sich der männlichen, seit Machiavelli unveränderten Erfolgsrezepte zu bedienen und zuletzt – trara! – obenauf zu schwimmen. Isabella (Fabienne Hadorn) und Fanny (Barbara Terpoorten) haben alles richtig gemacht, ihr zeitgeistig aktualisierter Ratgeber ist fertig und jetzt ist der Strom weg. Keine Buchpräsentation. Kein Ruhm. Hmmm. Isabella, die beim Geheimdienst war, wittert eine Verschwörung und hyperventiliert, während Fanny ihre erlernten Fertigkeiten aus dem Musicalbusiness dazu nützt, die geladenen Gäste trotz allem bei Laune zu halten. Tra – holper – ra! Die Gerade als direkteste Verbindung zwischen zwei Punkten, auch anwendbar für die Erzählung einer Geschichte, interessiert die Autorin sehr viel weniger als der annährend alle Nebenwidersprüche mitverhandelnde Entwurf eines Bildes von nicht weniger als das grosse Ganze. Opa Meierhold (im Text) hatte davon abgeraten. Aber was bleibt, wenn die Vielzahl der Fertigkeiten sämtliche offenen Angebote bei Weitem übersteigen? Selber anpacken. Alle Mühsal ist Kleinkram, der Wille zählt allein, Erfolg ist Einstellungssache. Also: Lächeln! Und eine Show abliefern, der nicht anzusehen ist, das nichts klappt. Weder Vernetzung noch Bestechung, weder Nachdiplomstudium noch Hochschlafen, weder Selbstverleugnung noch Mannhafttun haben das erwünschte Resultat auch nur schon in Griffnähe manövriert. Es ist eine Krux, so als Frau auf der Leiter, und zum Zeitpunkt dieser bitteren Einsicht droht das Individuum sogar in die Falle der Nachahmung des eigenen Klischees zu tappen. Aufgeben ist keine Option und so wird (im Theater) aus dem Notbehelf eine formidabel analytisch-komische Sause. Die Theorie stimmt, nur ihr Durchbruch stockt. froh.

 

«Der neue Prinzenspiegel», 21.5., Theater Winkelwiese, Zürich.

 

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