- Kantonsrat
Wohnungen bauen, aber welche?
Bei den beiden linken Initiativen steht zwar die Schlussabstimmung noch aus, aber der Ausgang ist klar: Sie werden klar abgelehnt und ihnen wird je ein Gegenvorschlag gegenübergestellt, die vor allem dazu dienen, die Annahme der Initiativen an der Urne zu erschweren (mehr dazu in den Gedanken zur Woche auf Seite 9).
Dass die Wohnsituation vor allem für Wohnungssuchende schwierig ist, bestritt in der ganzen Debatte kaum jemand. Wie gross die Wohnungskrise ist, darüber bestand kaum mehr Einigkeit. Vor allem Markus Bopp (SVP) erwähnte in seinen Voten mehrmals, dass in Umfragen 93 Prozent der Mieter:innen angeben, mit ihren Wohnverhältnissen zufrieden zu sein. Von einer allgemeinen Wohnungskrise könne also keine Rede sein. Er bestritt indes nicht, dass für Personen mit tiefen Einkommen die Wohnungssuche schwierig sei. Wobei nicht nur er sich den Hinweis nicht verkneifen konnte, dass in der Stadt Zürich Rot-Grün seit 31 Jahren an der Macht sei und somit erwiesen sei, dass ihre Rezepte der falsche Weg seien. Er, Doris Meier für die FDP und Monika Sanesi für die GLP sehen den Weg zur Besserung der Wohnsituation im Bauen von neuen Wohnungen. Dafür sollen die Rahmenbedingungen besser werden.
Tobias Langenegger (SP), Jasmin Pokerschnig (Grüne) und Gianna Berger (AL) bestritten die Notwendigkeit von Neubauten samt guten Rahmenbedingungen keineswegs. Aber für sie ist zentral, für wen gebaut wird. Es werden in ihren Augen nicht vor allem zu wenig, sondern die falschen Wohnungen gebaut. Also vor allem luxuriöse Wohnungen, die eine grosse Rendite versprechen.
Wie einst die ZKB
Jasmin Pokerschnig verglich die Wohnsituation von heute mit der Kreditsituation für Handwerker vor 150 Jahren. Als diese damals keine Kredite für ihre Geschäfte mehr erhielten, gründete der Kanton die Kantonalbank, die diese Kredite zur Verfügung stellte. Ähnliches verlangt die Wohninitiative der Grünen. Eine kantonale Wohnanstalt mit einem Startkapital von mindestens 500 Millionen Franken und Wohnungen aus dem kantonalen Liegenschaftenbestand soll preisgünstige Wohnungen entweder selber bauen oder erwerben und Gemeinden und Genossenschaften beim Bau oder Erwerb von Wohnungen zur Kostenmiete unterstützen. Der Kanton soll sich also aktiv für zahlbare Wohnungen engagieren und dabei selbstverständlich auch die Ökologie berücksichtigen. Was, wie Silvia Rigoni (Grüne) ausführte, auch darin bestehen könne, dass man Häuser erst renoviere, wenn es wirklich nötig sei und nicht dann, wenn eine Renovation eine höhere Rendite verspreche.
Neben grundsätzlichen Einwendungen zu einer Einmischung des Staates in den Markt glauben die bürgerlichen Redner:innen nicht daran, dass die Massnahme etwas bringt. Am klarsten brachte das Cristina Cortellini (GLP) zum Ausdruck: «Mit 500 Millionen Franken erstellen Sie 500 Wohnungen, also etwa drei pro Gemeinde. In Dietikon warten 400 junge Haushalte auf eine Wohnung.» Mit der Freigabe von Mischzonen fürs Wohnen könne man für diese Personen viel mehr bewirken.
Gegen den Vorwurf, der Staat müssen anderswo sparen, wenn er 500 Millionen Franken in eine Wohnanstalt stecke, wehrte sich Rafael Mörgeli (SP) energisch. Unter anderem mit dem Hinweis, dass der Kanton in dieser Dimension in den letzten Jahren Gewinne erzielte. Die Abstimmung zur Initiative erfolgt nach der redaktionellen Bearbeitung des Gegenvorschlags, der in die Verfassung gute Rahmenbedingungen für das Bauen von Wohnungen schreiben will.
Leerkündigungen
Walter Angst vertrat für das Initiativkomitee die Wohnschutzinitiative des Mieterverbandes, die den Gemeinden Möglichkeiten gibt, Leerkündigungen mit einem befristeten oberen Mietzins zu verbinden. Unter Leerkündigungen litten vor allem zwei Gruppen, erklärte Walter Angst: Die Alten und die Familien mit Kindern, die beide darauf angewiesen seien, etwas Neues im Quartier zu finden. Wolle man die nötige Verdichtung und den ökologischen Umbau, sei es zentral, dass in den nach dem Abbruch entstehenden Häusern auch Wohnungen für die bisherigen Mieter zu zahlbaren Preisen angeboten werden.
Die Gegner:innen der Initiative argumentierten vor allem mit Genf und Basel, wo es angeblich beinahe zu einem Renovations- und ökologischem Sanierungsstopp kam. Tobias Langenegger und andere widersprachen und es ist abzusehen, dass an den Podien vor der Abstimmung der Zahlenstreit mit unterschiedlichen Studien blühen wird.
Die Bürgerlichen wollen der Initiative einen Gegenvorschlag entgegenstellen, der bei Leerkündigungen ab 20 Wohnungen eine Ankündigungsfrist von einem Jahr vorsieht sowie ein Nachweis, dass eine Renovation unter bewohnten Bedingungen geprüft wurde und die Mieter:innen Hilfe bei der Wohnungssuche erhalten.
Wenig erwähnenswert ist die erste Initiative des Hauseigentümerverbandes. Sie verlangt, dass für jede gemeinnützige Wohnung auch eine Wohnung im Eigentum verbilligt wird. Das ging bei aller Sympathie auch dem Freisinn und der Regierung zu weit und die Initiative sowie ein Gegenvorschlag, der nötig war, um die Bundesrechtswidrigkeit der Initiative zu korrigieren, wurden nur von SVP und Mitte unterstützt.
Noch nicht erledigt
Die Debatte zur Flughafen AG mit einem dringlichen Postulat von Sibylle Marti (SP) war heftig, brachte aber wenig neue Erkenntnisse. Bekanntlich hatte die Flughafen AG die bürgerlichen Parteien mit beachtlichen Spenden unterstützt, was sie nach Bekanntwerden 2023 einstellte. Seither unterstützt sie nur noch bürgerliche Verbände wie Economiesuisse oder Kampagnen, 2024 mit rund 900 000 Franken.
Wer wieviel genau erhielt, will die Flughafen AG nicht sagen, was Sibylle Marti einen Skandal findet, vor allem weil ein Gutachten von Peter V. Kunz gemäss dem ‹Sonntagsblick› die Möglichkeit der Auskunft durch den Kanton ermöglichen würde. Der Gutachter liess durch Regierungsrätin Carmen Walker Späh ausrichten, er sei falsch zitiert worden. Die Regierung fühlt sich darum nach wie vor im Recht, wenn sie die Auskunft verweigert, wer wieviel bekommt. Auch wenn Carmen Walker Späh als Verwaltungsrätin den Verteilschlüssel sicher kennt. Sibylle Marti teilte am Schluss mit, dass sie dranbleiben werde.
Inhaltlich nur ein Satz: Selbstverständlich darf die Flughafen AG sich für ihre direkten Anliegen (etwa Pistenverlängerung) aktiv und damit auch mit Geld einsetzen. Aber eine breite und undurchsichtige Streuung von Geld an vermutlich flughafenfreundliche Verbände ist zumindest politisch ungeschickt.
Die SP-Fraktion verliert mit Qëndresa Sadriu-Hoxha eine junge Kantonsrätin von albanischer Herkunft, die den Rat verlässt, weil sich ihr Studium mit der Ratsarbeit zeitlich nicht mehr vereinbaren lässt. Sie engagierte sich vor allem in der Bildung und für Rechte von Personen aus unteren Schichten.