Bild: Hannes Henz

Wohnen und zur Schule gehen

Der Zürcher Gemeinderat befasste sich mit Schulanlagen, die es Tageschul-tauglich zu machen gilt. Obwohl nicht traktandiert, gab die Aufstockungsinitiative der FDP zu reden.

So viele persönliche Erklärungen wie letzte Woche gab es an der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend nicht, eine aber war zu erwarten gewesen: Der Stadtrat hatte gleichentags mitgeteilt, dass er dem Parlament beantragt, die Volksinitiative «Mehr Wohnraum durch Aufstockung – quartierverträglich und nachhaltig» für ungültig zu erklären. Er nennt zur Begründung unter anderem, dass die Initiative «in doppelter Hinsicht nicht umsetzbar» sei. Denn die «pauschale Ermöglichung eines zusätzlichen Geschosses» widerspreche den Vorgaben des regionalen wie auch des kommunalen Richtplans. «Die bei einer Annahme der Initiative angestossene Revision der Bau- und Zonenordnung wäre somit mit den übergeordneten Richtplänen unvereinbar», schreibt der Stadtrat. An diese müsste sie sich jedoch gemäss kantonalem Planungs- und Baugesetz halten. Zudem verlangten auch die Planungsziele und -grundsätze des Bundesgesetzes über die Raumplanung eine räumlich differenzierte Entwicklung. Der Stadtrat weist in diesem Zusammenhang auf die Forderung der Initiative nach flächendeckenden Aufstockungen im Bestand hin, ungeachtet der bestehenden Ausnützung. Dass sie anderer Meinung sind als der Stadtrat, erklärten die FDP, die GLP, die SVP und die Mitte gleichentags in einer gemeinsamen Medienmitteilung.

Aus der «falschen politischen Ecke»?

Damit zurück zur Ratssitzung, in der Hans Dellenbach (FDP) in einer persönlichen Erklärung dazu Stellung nahm: Er sagte unter anderem, bei der Volksinitiative zur Neugasse habe der Stadtrat auch gesagt, sie sei nicht umsetzbar, aber er habe sie nicht abgelehnt, weil er «im Zweifel für die Volksrechte» sei. Die Volksinitiative «Bezahlbare Wohnungen für Zürich» sei «von Anfang an ungültig gewesen, weil sie gegen übergeordnetes Recht verstösst», doch diese Initiative habe der Stadtrat «sehr dienstfertig umformuliert» zu einem Gegenvorschlag, der dann am letzten Sonntag angenommen worden sei. Kurz: Bei den Anliegen der Linken gelte offensichtlich «ein anderer Massstab», beziehungsweise die Aufstockungsinitiative «kommt einfach aus der falschen politischen Ecke».

David Garcia Nuñez (AL) wunderte sich über die «Juristenpartei» FDP: «Es ist nicht unser Bier, eure Initiativen zu prüfen. Wenn sie höheres Recht verletzt, dann ist das so.» Zudem sei bei der Neugasse-Initiative übergeordnetes Recht kein Thema gewesen, sondern sie sei nicht umsetzbar gewesen, weil die SBB ihr Land nicht verkaufen wollten. Florian Utz (SP) wies – «bevor es hier zu Legendenbildungen kommt» – darauf hin, die erwähnte Wohninitiative habe der Stadtrat «zu Recht für gültig erachtet», und bei der Behandlung im Gemeinderat habe niemand einen Antrag gestellt, sie für ungültig zu erklären, auch die FDP nicht. Sie sei folglich «selbstverständlich gültig und rechtskonform» gewesen. Reto Brüesch (SVP) wies darauf hin, es werde ja noch geprüft, ob die Aufstockungsinitiative ungültig sei. Doch Anreizsysteme zu schaffen, um Wohnungen zu bauen, widerspreche weder Bundes- noch kantonalem Recht. Die Initiative wolle ja vor allem, dass «im Bestand aufgestockt statt abgebrochen» werde. 

Flexibel nutzbarer Schulraum

Gleich vier Vorlagen des Stadtrats befassten sich mit Schulanlagen, namentlich den Anlagen Entlisberg, Hardau und Sihlfeld sowie der Kunst- und Sportschule Hohl, die es Tagesschul-tauglich zu machen gilt. Am meisten zu reden gab die Vorlage zur Schulanlage Entlisberg, die um einen Neubau für neun Primar- und zwei Kindergartenklassen mit Einfachsporthalle erweitert werden soll. Kommissionssprecherin Christina Horisberger (SP) führte aus, die Anlage sei 1947 gebaut worden und befinde sich in den kommunalen Inventaren der Denkmal- und der Gartendenkmalpflege. Die Betreuung finde aus Platzgründen ausschliesslich an externen Standorten statt, und diese genügten den Anforderungen an einen betrieblich und wirtschaftlich sinnvollen Tagesschulbetrieb nicht. Im Entlisberg könnten langfristig 18 Primar- und zwei interne Kindergartenklassen geführt werden. Sie erwähnte nebst den «flexibel nutzbaren» Schulräumen, die etwa auch die Musikschule Konservatorium Zürich MKZ als Musikzimmer brauchen könne, die zentrale Mensa für 530 Mahlzeiten pro Tag und die Neuanordnung der Allwetterplätze. Der Gemeinderat hatte über einmalige Ausgaben von 54 Mio. Franken zu befinden. Zusätzlich zum Projektierungskredit von 3,76 Mio. Franken, den er bereits am 16. März 2022 bewilligt hatte, und zu den vom Stadtrat bewillgten zwei Millionen Franken galt es zudem weitere 2,1 Millionen Franken zu sprechen, womit sich der Projektierungskredit auf insgesamt 7,86 Mio. Franken erhöht. 

«In Gold getauchtes Projekt»

Sabine Koch (FDP) begründete den Rückweisungsantrag von FDP und SVP unter anderem damit, bei der Behandlung vor zwei Jahren sei man noch von einem Baukredit von 34,5 Mio. Franken ausgegangen, jetzt seien es 54 Mio. Franken. Ihre Fraktionskollegin Yasmine Bourgeois und sie forderten maximal drei Millionen pro Klasse – das entsprechende Postulat war am 2. Oktober überwiesen worden. Zudem gebe es genügend Beispiele dafür, dass sich Schulhäuser günstiger bauen liessen: «Die FDP und die SVP lehnen dieses in Gold getauchte Projekt ab», schloss sie. Hochbauvorsteher André Odermatt sagte, «Milchbüechlirechnungen» seien praktisch, sie machten «Kompliziertes einfach», doch «ganz so einfach» sei es hier nicht. Für neun Primar- und zwei Chindsgi­klassen lägen die Erstellungskosten mit Reserven bei 45 Millionen Franken, und der Vergleich mit «fertiggestellten Gebäuden ausserhalb der Stadt» hinke.

Urs Riklin (Grüne) fand, der Stadtrat habe «die Schule geschrumpft»: Statt der Standardfläche von 72 m2 pro Klasse seien nur 66,6 m2 vorgesehen. Je kleiner die Klassenzimmer, desto wahrscheinlicher sei, dass es dort Frontalunterricht gebe, fügte er an, «viel anderes ist gar nicht möglich». Zur FDP beziehungsweise deren Kostenrahmen merkte er an, wenn sie jeweils zehn, zwanzig oder auch dreissig Parkplätze forderten, mache das schnell mal fünf bis zehn Prozent der Gebäudekosten aus. Doch die Grünen wollten die Schulraumoffensive nicht verzögern und lehnten den Rückweisungsantrag deshalb ab. Stefan Urech (SVP) stellte klar, auch er finde Milchbüechlirechnungen schwierig, aber aus einem anderen Grund als der Stadtrat: Die SVP wolle keine Schule, in der «immer mehr Werte statt Inhalt» vermittelt würden: «Unsere Schule braucht nicht so viele Gruppen- und Besprechungsräume, wir haben etwas anderes vor Augen, wenn wir von einem Schulhaus reden.» Sophie Blaser (AL) fand es eine «Frechheit», kleinere Klassenzimmer zu planen. Mit 81 gegen 33 Stimmen (von FDP und SVP) ging der Rückweisungsantrag bachab. Die Vorlage kam mit 80 gegen 33 Stimmen durch und die Erhöhung des Projektierungskredits mit 81 gegen 34 Stimmen.