Wohin des Weges, Volksschule?

Bis zu den Stadtratswahlen vom 4. März 2018 befragen wir an dieser Stelle die amtierenden StadträtInnen und die neu Kandidierenden zu einem aktuellen Thema – dieses Mal den auch fürs Stadtpräsidium kandidierenden Andreas Hauri (GLP), eidg. dipl. Marketingleiter und Kantonsrat, zum Thema «Schule der Zukunft». Die Fragen stellte Nicole Soland.

 

Letzte Woche legten BefürworterInnen und GegnerInnen der Volksinitiative «Lehrplan vors Volk» ihre Gründe für ein Ja respektive Nein dar. Wo stehen Sie in dieser Frage?

Andreas Hauri: Ich bin klar für den Lehrplan 21 und lehne die Volksinitiative ab. Dass sich der neue Lehrplan in erster Linie an Kompetenzen orientiert, ist ein grosser Fortschritt, ja vom Gedanken her das einzig richtige. In der Berufsbildung hat man mit diesem Ansatz bereits Erfahrung gesammelt, und es ist sinnvoll, ihn nun auch in der Grundbildung anzuwenden. Vor allem bringt der Lehrplan 21 endlich eine Vereinheitlichung innerhalb der Schweiz. Dass ein Kind, dessen Familie aus dem Aargau nach Zürich zieht, mit einem anderen Schulsystem konfrontiert wird, gehört zum Glück endlich der Vergangenheit an.

 

Der Lehrplan 21 ist somit der beste aller Lehrpläne für die Schule der Zukunft?

Die Stossrichtung stimmt, aber im Detail gibt es natürlich noch Verbesserungspotenzial. Vor allem ist er überladen. Über 100 Lernziele pro Fach sind eindeutig zu viele, und vor allem gehen sie teilweise zu stark in die Tiefe. Hier gilt es klarer zu trennen: In den Zielen sollte Grundsätzliches stehen, keine Details.

 

Es ist also kein Wunder, dass nicht alle LehrerInnen gleich glücklich damit sind?

Die Umsetzung ist natürlich eine Herausforderung. Ohne Veränderungen im Unterricht geht es nicht, darauf gilt es auch in der Weiterbildung für LehrerInnen zu achten. Heute lässt man die Kinder nicht mehr auswendig lernen, wann welche Schlacht stattgefunden hat; sie müssen vielmehr wissen, weshalb es zu bestimmten Ereignissen wie etwa zur Schlacht bei Morgarten gekommen ist, wer wem gegenüberstand und wofür die beiden Lager kämpften. Das funktioniert aber bereits gut. Wenn pauschal behauptet wird, die SchülerInnen seien mit dem Lehrplan 21 überfordert, dann bin ich mir nicht so sicher, ob das stimmt – ich hege den Verdacht, es seien ein paar LehrerInnen, auf die dies zutrifft.

 

Von den im Gemeinderat vertretenen Parteien ist in der Stadt Zürich bloss noch die SVP gegen Tagesschulen. Im P.S. von letzter Woche forderte AL-Gemeinderat Walter Angst jedoch, das Zürcher Modell müsse angepasst werden; die Mittagszeit dürfe nicht verkürzt werden, und die Nachmittags- und Abendbetreuung sei auszubauen. Ihr Kommentar?

Ich bin zu 100 Prozent für Tagesschulen, sie sind das richtige Konstrukt – meine einzige Kritik lautet, dass deren Einführung zu langsam vonstatten geht: Wir müssten dringend einen Zacken zulegen. Die Mittagszeit muss man nicht verlängern, aber vermehrt das Ganze im Blick haben: Hort, Aufgabenhilfe etc. sind so in die Tagesschule zu integrieren, dass auch jene Kinder, deren Eltern morgens um sieben zur Arbeit gehen und abends um sechs wieder zurück sind, optimal betreut werden können. Gleichzeitig muss die ausserschulische Betreuung freiwillig bleiben, denn nicht alle Kinder und Eltern sind im gleichen Masse darauf angewiesen.

 

Computer bzw. Laptops stehen schon länger in den Klassenzimmern, praktisch alle Schüler-Innen haben Handys, sie sind Digital Natives – was soll bzw. muss die Schule ihnen künftig überhaupt noch beibringen?

Im Lehrplan 21 ist die Informatik aufgeführt, und das zu Recht: das Thema Digitalisierung muss die Schule auf verschiedenen Ebenen beschäftigen – vom Lernen mit digitaler Unterstützung im Sprachunterricht über Aufgaben wie das Programmieren einer einfachen Website bis hin zu Fragen zum Datenschutz, zu sicherem Surfen und dazu, was man tun kann, wenn man selber oder ein Gspänli Opfer von Cybermobbing wird. Was aber jeweils im Detail gelehrt wird, sollen die einzelnen Schulen entscheiden, und sie sollen auch darüber befinden können, ob die Schülerinnen und Schüler an schuleigenen Laptops im Internet recherchieren sollen oder ob sie dazu das eigene Handy benützen dürfen.

 

Die Grünliberalen wünschen sich einen Stadtrat für Digitales und gleichzeitig die Reduktion der Stadtratssitze von neun auf sieben. Damit würde es für neu Kandidierende wie Sie noch schwieriger, einen Sitz in der Zürcher Exekutive zu erobern.

Das ist nicht ganz korrekt: Wir schlagen nicht vor, dass eins der sieben Departemente ein neu zu schaffendes «Departement für Digitales» sein soll, sondern wir möchten eine Abteilung für Digitales schaffen, die dem Präsidialdepartement angegliedert wäre.

 

Sie möchten also Stadtpräsident und Minister für Digitales in Personalunion werden?

In der Wirtschaft ist alles, was mit Digitalisierung, Computersystemen und Cybersicherheit zu tun hat, auf der obersten strategischen Ebene angesiedelt, und so sollte es auch in der Stadtverwaltung sein. Stattdessen gibt es von Departement zu Departement unterschiedliche Grade der Digitalisierung und unterschiedliche Lösungen. Als Stadtpräsident würde ich mich denn auch für eine departementsübergreifende, einheitliche und ressourcenschonende Digital-Strategie einsetzen.

 

Nach der Schule kommt die Lehre: Bund, Kantone und Wirtschaft planen gemeinsam die Berufsbildung von morgen und wollen demnächst das Leitbild «Berufsbildung 2030» verabschieden – doch im ‹Tagi› vom Mittwoch letzter Woche war zu lesen, laut dem Gewerbeverband sei das Projekt gescheitert.

Dass Initiativen des Bundes beim Gewerbeverband nicht sonderlich beliebt sind, ist nichts neues; ich mache mir deswegen jedenfalls keine Sorgen. Die Stossrichtung des Leitbilds stimmt: Auch hier stehen die Kompetenzen im Mittelpunkt, und eines der Ziele lautet, die Quote der Jugendlichen mit Sek-2-Abschluss zu erhöhen. Das unterstütze ich, denn wir haben immer noch zu viele junge Leute ohne Abschluss. Hier müssen wir jetzt Gegensteuer geben und die Weichen für die Zukunft richtig stellen.

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