Wo vermitteln hilft

Mehr als Statistiken und erklärende Philosophien zeigen praktische Beispiele, was die Ombudsstelle mitunter vermag: Lösungen in Konflikten zu finden, bei denen alle Beteiligten sich subjektiv berechtigt im Recht fühlen.

Die Ombudsstelle des Kantons Zürich geniesst das Vertrauen der Einwohner:innen und meist auch der Amtsstellen, wie der amtierende Ombudsmann Jürg Trachsel samt seinen sechs Mitarbeiter:innen in der Einleitung zum Jahresbericht 2022 festhält. Ein Jahr, das auch hier durch Corona und den Ukrainekrieg geprägt war; worauf hier aber nicht weiter eingegangen werden soll, da dies für alle Jahresberichte zutrifft. Ausser bei der Erwähnung eines Beispiels: An ihn wandte sich eine Familie mit drei Frauen dreier Generationen aus der Ukraine, die zwar den Status S grundsätzlich erhielten, aber bei den Papieren dazu und vor allem bei den Wohnmöglichkeiten im Vergleich zu ähnlich Betroffenen ihrer Meinung nach zu lange warten mussten.

Die Ombudsstelle hatte mit dem Status S und seiner Anwendung durch die Behörden auch keine Erfahrung und auch keine Vergleichsmöglichkeiten. Die Stelle nahm sich aber die Mühe, sich intensiv mit den Abläufen zu beschäftigen, sie fragte sowohl beim Kanton als auch bei der Stadt Zürich nach, die die Frauen in den ersten Tagen in einem Hotel untergebracht hatte. Die Bemühungen der Ombudsstelle führten dazu, dass die Wohnmöglichkeit in der Gemeinde X nochmals überprüft wurde und ihnen eine neue Unterkunft in der Gemeinde Y zugewiesen wurde. Diese befriedigte sie zwar nicht wirklich, aber sie schluckten die Erklärung der Ombudsstelle wenigstens halbwegs, dass man in Notsituationen die Gemeinde nicht selber auswählen könne. Die Papiere zum Status S kamen in der Zwischenzeit an, jedenfalls hörte die Ombudsstelle von keiner Klage mehr.  Es gelang der Ombudsstelle also nicht, den Fall zur Befriedigung der Beschwerdeführerinnen zu lösen. Aber indem sich die Stelle offensichtlich um sie bemühte und diese Bemühungen auch transparent mitteilte, hatten die drei betroffenen Frauen immerhin das Gefühl, sie seien nicht willkürlich und schikanös behandelt worden und konnten so eine unbefriedigende Wohnung eher in Kauf nehmen.

Ganz ähnlich erging es einem Sturmopfer, das beim Sturmtief «Antonia» einen Fensterschaden erlitt, den die kantonale Gebäudeversicherung aber nicht übernehmen wollte. Obwohl in allen Medien vor dem Sturmtief gewarnt worden war. Die ausführliche Begründung, die der Ombudsmann übermitteln konnte, ist durchaus interessant: Damit die Versicherung bezahlt, müssen in der Gegend Kollektivschäden auftreten und der Wind muss auch lokal eine Mindeststärke erreichen, was beim Betroffenen bei diesem Sturmtief in dieser Gegend nicht der Fall war, obwohl «Antonia» es durchaus in die Schlagzeilen gebracht hatte und der Betroffene im Glauben sei konnte, seinen Schaden habe der Sturm verursacht. Er war es aber zumindest nicht alleine, und das ist eine Voraussetzung, damit die Gebäudeversicherung bezahlt. Auch hier: Der Betroffene erhielt in der Sache nicht recht, aber eine Erklärung, die er akzeptieren konnte, da sie von einer glaubwürdigen Drittinstanz geprüft worden war.

Auswirkung in die Zukunft

Ein Vater wehrte sich für seinen Sohn, der via SBB-App ein Ticket gekauft hatte. Diese Tickets haben eine Uhrzeit, ab der sie gültig sind. In diesem Fall war es 16 Uhr. Er ging zur Tramhalte­stelle, wo das Tram neun Minuten vor 16 Uhr kam. Er stieg ein und kam prompt in eine Kon­trolle und musste eine Busse von 100 Franken bezahlen. Obwohl er ja extra gelöst hatte. Korrekt hätte er an der Haltestelle auf das erste Tram nach 16 Uhr warten müssen, falls er das gewusst hätte. Der Vater fand, man solle doch den gesunden Menschenverstand walten lassen. Da dies nicht die erste Reklamation war, die den Ombudsmann in ähnlicher Form ereilt hatte, ersuchte er den ZVV um eine eingehende Stellungnahme und fragte auch nach Verbesserungsmöglichkeiten. Der ZVV erklärte logischerweise, dass er mit der Busse wegen des ungültigen Tickets im Recht sei und dass eine direkte Änderung insofern problematisch sei, als man sich mit der Reise vor der gelösten Zeit einen Vorteil verschaffen könne. Im Kino könne man auch nicht ein Billett für die 16 Uhr-Vorstellung lösen und dann bereits die 14 Uhr-Vorführung besuchen, um so den Film allenfalls zweimal sehen zu können. Anderseits könne man in diesem Falle nicht von einer Täuschungsabsicht ausgehen, und somit werde die Busse erlassen. Der ZVV wies zudem seine Kontrolleure an, in diesen Fällen mehr Kulanz auszuüben, ohne das an sich berechtigte Reglement generell zu ändern.

Eine grosse Mühe gaben sich die Ombudsangestellten und das kantonale Strassenverkehrsamt mit einer 75-jährigen Frau, die nicht auf ihr Auto verzichten wollte, obwohl der Hausarzt ihr die Verlängerung der Gültigkeit des Führerscheins mit seinem Bericht faktisch verunmöglicht hatte. Es gibt noch die Möglichkeit, nach einigen Stunden bei einer Fahrschule eine Kontrollfahrt beim Strassenverkehrsamt zu absolvieren. Die Frau hatte aber auch noch Prüfungsangst, und schliesslich einigte man sich darauf, dass drei Personen an der Kontrollfahrt teilnahmen: Der Prüfer, der Arzt und der Fahrlehrer als Vertrauensperson. Die Fahrt fiel so aus, dass sie trotz einer sich abzeichnenden leichten Schwäche den Führerausweis erhielt, mit der Aussicht auf Wiederholung der Kontrollfahrt in zwei Jahren. Über diese Geschichte könnte man mit guten Gründen eine bissige Glosse schreiben. Ich finde sie trotz des Autos auf ihre Art grossartig: Hier geht man auf ein dringendes Bedürfnis einer Bürgerin ein, auch wenn ein Verbot viel einfacher und begründbar wäre.

Ähnlich verhält es sich mit einer Geschichte der Kantonspolizei. Ganz kurz: Zwei Kantonspolizisten kontrollierten eine aufrechte und empfindliche Familie zumindest recht barsch bei einer Autofahrt. Sodass die drei Kinder angeblich einen Schock davontrugen. Um diesen zu beheben, lud die Polizei die beiden älteren Buben zu einer Fahrt mit einem Panzerfahrzeug am Flughafen ein, um so zu zeigen, dass die Polizei auch Freund und Helfer sein kann.

Natürlich stehen im Jahresbericht auch Zahlen. Mit 817 Fällen bewegt sich die Ombudsstelle wieder auf Corona-Niveau, was Jürg Trachsel zusammen mit der zunehmenden Anzahl Gemeinden und den Kirchen, die die Dienste des Stelle in Anspruch nehmen werden, veranlasst, eine Stellenerhöhung zumindest anzumelden.

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