«Wir müssen stärker ausloten, was auf Gemeindeebene möglich ist»

Marco Denoth tritt im Juni als Co-Präsident der SP Stadt Zürich zurück. Co-Präsidentin Liv Mahrer stellt sich der Wiederwahl – zusammen mit Oliver Heimgartner. Wohin das KandidatInnenduo die SP führen möchte, erklären die beiden im Gespräch mit Nicole Soland.

 

An der Jahresdelegiertenversammlung (DV) der SP Stadt Zürich vom 25. Juni treten Sie beide bei den Gesamterneuerungswahlen als neues Präsidium an. Wie haben Sie sich gefunden?

Liv Mahrer: Mit dem angekündigten Rücktritt von Marco Denoth begann für mich die Suche nach einem bzw. einer Co-PräsidentIn, denn ich stelle mich der Wiederwahl. Ich führte mehrere Gespräche und freue mich nun darüber, dass mein Wunschkandidat Oliver Heimgartner zusammen mit mir antreten will.

 

Die Konkurrenz schläft aber nicht, nehme ich an?

L.M.: Bis jetzt ist mir noch niemand bekannt, der oder die gegen uns antreten würde; allerdings findet die offizielle Ausschreibung für die Wahlen an der DV vom 25. Juni auch erst nächste Woche statt. Dann beginnt der Bewerbungsprozess. Es ist also noch alles offen.

 

Das Präsidium der SP Stadt Zürich ist ein anspruchsvolles Amt: Weshalb wollen Sie, Herr Heimgartner, sich das antun?

Oliver Heimgartner: Ich bin überzeugt, dass wir mit guter Politik die Stadt Zürich lebenswerter machen können: Sichere Velorouten, bezahlbare Wohnungen, Freiräume. Darum übernehme ich seit gut sechs Jahren in der SP Verantwortung, war in der SP 9 erst im Vorstand und bilde heute zusammen mit Anna Graff das Co-Präsidium. Als Mitglied der Geschäftsleitung der SP Stadt Zürich arbeite ich zudem sehr gut mit Liv zusammen. Wir funktionieren bestens als Team, und ich bin überzeugt, dass wir das auch an der Spitze der Partei tun werden.

 

Was sind aus Ihrer Sicht die Herausforderungen für die SP in Zürich?

O.H.: Zürich wird immer mehr zum «Monaco am Zürichsee», es hat bald nur noch Platz für Topmanager aus der Bankenwelt und der Software-Entwicklung. Ich will aber, dass Zürich eine Stadt für alle bleibt, dass es nicht nur noch Wohnungen gibt wie die kürzlich ausgeschriebene an der Europaallee für 5700 Franken pro Monat. Heute haben wir hier diejenigen, für die Geld kein Thema ist, denn man hat es, und dort die vielen Menschen, die sich das Leben in der Stadt kaum mehr leisten können und kurz davor stehen, in die Agglomeration verdrängt zu werden. Die SP trägt als grösste Partei die Verantwortung, dass wir uns gegen diese Entwicklung wehren.

 

Sie machten als Juso-Mitglied Schlagzeilen – allerdings eher mit schrägen Ideen denn als Experte für politisches Handwerk…

O.H.: Auf meine Juso-Vergangenheit bin ich stolz – wir haben auf viele wichtige Themen aufmerksam gemacht, beispielsweise darauf, dass homosexuelle Männer kein Blut spenden dürfen. Seit vier Jahren habe ich aber in der Geschäftsleitung der SP Stadt Zürich viel Verantwortung übernommen, nicht zuletzt im Wahlkampf. Die Velorouten-Initiative, die ich mitinitiiert habe, ist ein handfester Erfolg, wird sie doch sowohl vom Stadtrat wie auch von der Mehrheit des Gemeinderats unterstützt.

 

Und damit nicht noch mehr Menschen aus der Stadt gedrängt werden, knöpfen Sie sich im Sommer als neu gewähltes Präsidium gleich mal die neue städtische Vermietungsverordnung von FDP Zürichbergs Gnaden vor?

L.M.: Wie ich mich erinnere, war die neue Vermietungsverordnung für die VertreterInnen unserer SP-Fraktion in der Kommission eine harte Arbeit. Für uns ging es angesichts der damaligen Mehrheitsverhältnisse darum, den Bürgerlichen nicht noch mehr Zugeständnisse machen zu müssen. 

 

O.H.: In der Wohnpolitik müssen wir vor allem dafür sorgen, dass wir das Drittelsziel erreichen, und dafür muss rasch mehr gemeinnütziger, zahlbarer Wohnraum entstehen. Generell müssen wir stärker ausloten, was auf Gemeindeebene möglich ist, sei es beim Wohnen oder bei anderen Themen. Denn auf Bundesebene gab es bekanntlich noch nie eine linke Mehrheit, und im Kantonsrat blockieren die Grünliberalen in sozialen Fragen. In Zürich ist SP-Sozialvorsteher Raphael Golta an guten Projekten dran: Ältere SozialhilfeempfängerInnen werden nicht mehr unnötig gepiesackt, Asylsuchende fairer behandelt. Das sind Schritte in die richtige Richtung – daran müssen wir in Zürich weiter arbeiten.

 

À propos SP-Fraktion: Marco Denoth ist im Gemeinderat, Sie beide sind es nicht. War das kein Thema im Hinblick darauf, mit wem Sie, Frau Mahrer, erneut fürs Präsidium kandidieren wollen?

L.M.: Natürlich habe ich mir das überlegt. Die Rolle von Präsidiums- und Fraktionsmitglied unter einen Hut zu bekommen, tönt aber einfacher, als es ist – und abgesehen davon finde ich es nicht schlecht, mich auf eine Rolle zu beschränken und diese gut zu erfüllen. Die Fraktion funktioniert zudem sehr eigenständig. Wir tauschen uns aber regelmässig aus, wir arbeiten gut zusammen – so stimmt es für mich.

 

Womit legen Sie im Juni los, falls Sie gewählt werden?

L.M.: Das Präsidium muss sich vor allem Gedanken machen, die über das Tagesgeschäft hinausgehen: Wenn eine Vision an der Realität beziehungsweise am Sinn fürs Machbare zerschellt, bevor sie zuende gesponnen ist, bringt uns das nicht weiter.

 

O.H.: Die Veloinitiative illustriert das schön: Wir haben sie vor den Klimastreiks eingereicht, und jetzt wird sie abstimmungsreif in einer Zeit, in der die Auswirkungen unserer Mobilität auf das Klima ein grosses Thema sind.

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